Cultura | Salto Afternoon
Von Erdbebenhilfe und Bartischen
Foto: DUNG Game Jam
Nachdem die Spiele in - mehr oder weniger kohärenten - Pitches Jury und Publikum vorgestellt worden waren, ging es für beide ans Spielen. Nicht alle hatten es geschafft in weniger als 72 Stunden ein spielbares Endprodukt fertigzustellen, zwei Teams waren ohne eine Einreichung ausgeschieden, zwei weitere Projekte waren als Prototypen mehr Konzept als etwas, das man digital oder mit Händen hätte greifen können. Ein Entwickler hatte sich ad-hoc entschlossen allein ein Spiel fertigzustellen und mit - nach seinen eigenen Aussagen - nur vier Stunden Schlaf ist ihm das sogar gelungen.
Es war ein Erfolg für High-Concept-Spiele, also solcher Spiele, deren Spielidee sich auch in den kurzen fünf Minuten Präsentationen gut vermitteln lässt. In keiner bestimmten Reihenfolge - vom Analogen ins Digitale - war folgendes vor Ort spielbar:
The First Responders
Wir erinnern uns, das Motto in diesem Jahr war „You can’t control the player!“. Team „3“ hatte dies in ein kooperatives Brettspiel mit Zufallselementen interpretiert, in welchem die Spieler in die Rolle von Katastrophenhelfern schlüpfen, welche nach einem Erdbeben Zivilisten in Sicherheit bringen müssen. Die Kontrolle über die eigene Spielfigur ist dabei zwar gegeben, aber zahlreiche Ereigniskarten, die Nachbeben oder das Anfordern eines Spezialisten erforderlich machen, untergraben dieses Moment der Entscheidung durch den Zufall. Rein optisch betrachtet erinnert das Spiel mit seiner Waben-Struktur und der Anordnung der variablen Spielfeld-Platten sehr an die Basis-Ausgabe von „Die Siedler von Catan“ des kürzlich (am 1. April) verstorbenen Klaus Teuber, bot allerdings eine sozialere, durch Zusammenarbeit bestimmte Spielerfahrung.
the sunk treasure
Erinnerte der Beitrag von „3“ an „Catan“, so könnte man beim ersten Blick auf das Spielbrett von „the Funk treasure“ („The Pioneers“) vielleicht an das Leiterspiel oder Mensch-ärger-dich-nicht denken. Das Ergebnis ist ein trotz kurzer Spieldauer von ca. 10 Minuten anfänglich eher verwirrendes Spiel, welches mit verschiedenen Würfeln auf eine Schatzjagd schickt, auf der man sich immer wieder auf der anderen Seite des Spielfelds finden kann. Es macht Spaß, hat aber sicher auch einige Momente der Frustration.
buzz game
Das „buzz game“ (etwa: Schwipps Spiel) von „Out of Board“ war von Anfang an im Raum beliebt und ließ mit einer langen Warteschlange auf sich warten. Hat das Spiel erst einmal begonnen, so bietet der Blick aufs Feld einen chaotischen Anblick, was zum Reiz gehört: Das eingereichte Regelblatt ist eine Menükarte und das Spielfeld ist ein Bartisch. Die Figuren der Spieler sind dabei alkoholische Getränke (Whisky, Cocktail, Wein und Bier), jene der Gegenspieler gilt es vom Zentrum des Spielfelds ins Aus zu manövrieren. Dabei bewegt man nicht die eigene Spielfigur, wohl aber die der anderen, mittels Karten, von welchen man immer drei zur Auswahl hat. Auf diesen steht ein Getränk und um wieviele Felder man dieses verrücken kann. Sich selber vor dem Aus retten kann man nur bedingt, durch das platzieren von Hindernissen, wie den verschiedenen Alkoholika zugewiesenen Aperitif-Speisen oder Zigarettenstummel.
Ist man erst einmal im „Aus“, so zeigt sich eine weitere Stärke des Spiels: Man kontrolliert weiterhin die Figuren seiner Mitspieler und hat die Chance auf ein Comeback. Auch überzeugt die soziale Komponente, welche für ein Barspiel angemessen, temporäre Allianzen vorsieht, wenn es ein Spieler in der Mitte des Feldes zu gemütlich hat. Ein sehr spaßiges und durchdachtes Spiel zu viert.
Out of Control
Man hat mit Brettspielen und Computerspielen gerechnet, aber vielleicht nicht mit einer Kombination aus beidem, wie sie Team „Understone“ ablieferte. Zwei Spieler navigieren gemeinsam, idealerweise durch einen Sichtschirm getrennt. Der eine (ich) steuert mit den Tasten W A S D ein Taxi aus der Vogelperspektive, die andere sagt ihrem Mitspieler wo’s langgeht. Dafür sagt der digitale Spieler welche vier Gebäude er am Rande der Kreuzung sieht und die Mitspielerin sucht fieberhaft aus einem Stapel mit bunt gemischten Kreuzungen das passende Kärtchen, welches sie (richtig gedreht) anlegen kann, während ein Taxameter in Richtung null tickt. Auf den analogen Kärtchen sind verschiedenfarbig die einzelnen Routen eingezeichnet, aus welchen der Computer eine zufällig aussucht. Gelangt man erfolgreich zur nächsten richtigen Kreuzung, so erhält man auf der Uhr einige Sekunden Aufschub. Spaßig, chaotisch und schwerer als es klingt. Auch löblich zu erwähnen, ist dass das Team „Understone“ den Trend zu mehr „Accessibility“, also Zugänglichkeit für Spieler:innen mit besonderen Bedürfnissen aufgreift und den Dächern der Häuser nicht nur eine Farbe, sondern auch ein Muster gibt, so dass auch farbenblinde Spieler am Spaß teilhaben können.
Joe’s Daily Struggle
Was Team Hygge vorlegte, war ein einfach zu bedienendes Spiel über Joseph Average, einen allzu leicht abzulenkenden Protagonisten. Wir begleiten ihn durch einen ganz normalen Tag, an welchem er sich um seine Katze zu kümmern hat, in die Bibliothek geht um zu lernen, einen Freund trifft und Einkäufe tätigt. Das mit RPG Maker entwickelte Spiel bietet uns dabei vielfach humorige Ablenkungen an, gehen wir allerdings auf diese ein, so sind diese nicht, wie sonst in Videospielen, eine Nebenquest zur Hauptquest, die brav auf ihren Helden wartet, sondern Belanglosigkeiten, die uns ablenken. Es kann also sein, dass wir einen Termin verpassen oder nicht alles schaffen, was wir uns vorgenommen haben, was Einfluss auf das Ende des kurzen Spiels nimmt.
„Joe’s Daily Struggle“ spielt zwei Zielsetzungen des klassischen „Gamers“ gegeneinander aus: Zum einen wollen diese In-Game-Achievments (zu Deutsch „Verdienste im Spiel“, wie so häufig lassen sich Gaming-Anglizismen schlecht übersetzen) erreichen, also ihre eigene Checkliste abarbeiten, gleichzeitig wollen sie oft alles sehen, was ein Spiel zu bieten hat. Das Spiel ist, in seiner Unvereinbarkeit von beidem ein wenig auch als Meta-Kommentar zu verstehen.
Watch Out
Der schlaflose Soloentwickler der am Ende als „Distorted Production“ an den Start ging, legte ein kurzweiliges Survival-Spiel vor. Über Überwachungs-Kameras blicken wir in verschiedene Räume eines Spukhauses samt zwielichtiger Schaufensterpuppen, hören oder sehen den Geist, während eine von uns nicht gesteuerte Figur sich zufällig durch die Räume bewegt. Dabei ist die zweite Spielfigur wohl auf der Suche nach dem Geist, finden sollte sie ihn allerdings nicht, weil sie sonst vor Schreck tot umfällt.
Wir können die zweite Figur über ein Walkie-Talkie mit vorgefertigten Sätzen warnen um einen bestimmten Raum zu vermeiden, geht allerdings ein Funkspruch nach draußen, während der Geist in unser Zimmer wechselt oder uns bereits über die Schulter schaut, so führt auch das zu einem Game Over. „Watch Out“ ist spannend und führte selbst im gut beleuchteten Raum zu Gänsehaut und einen (finalen) Schrecken.
Die Sieger
Ein knappes Rennen für sich entscheiden konnte „Out of Board“ mit ihrem „Buzz Game“, welches gut vorgestellt wurde, das Jam-Thema am direktesten umsetzte und, nicht zuletzt, großen Spaß macht und Wiederspielbarkeit verspricht. Auf Platz zwei landete „Joe’s Daily Struggle“ von „Hyyge“, auf Platz drei schaffte es ein erschöpfter, aber sichtlich glücklicher Entwickler eines Horror-Titels. Alle drei durften sich neben der (spielbaren) Tic-Tac-Toe Trophäe über einen Gutschein für die Teilnahme an einem Meraner Escape-Room (für sechs Personen) freuen. Hinzu kam für die Gruppe „Hygge“ ein 200 Euro Gutschein für die Realisierung zukünftiger Projekte im Co-Working Space der Basis Vinschgau, sowie für das Gewinnerteam auch noch ein Besuch beim größten Österreichischen Videospielentwickler, den Innsbrucker stilalive studios (mit Südtiroler Beteiligung, u. a. von DUNG Vereinspräsident Hannes Waldner), inklusive Blick hinter die Kulisse. Für „The First Responders“ und „Out of Control“ gab es ad-hoc noch Publikumspreise und für alle Teilnehmer Goodie Bags. Wir wollten vom jungen Erfolgsteam, nachdem wir gratuliert hatten, noch etwas mehr zum „Buzz Game“ wissen…
Hatten Sie auch Spaß an Ihrer Teilnahme? Ich kann mir vorstellen, dass diese sehr stressig war…
Alle drei: Ja.
Ikechukwu Ihenacho Anthony: Ich habe es auf der Heimfahrt im Bus nach Meran immer verschlafen.
Baran Karatekin: Am Anfang hatten wir Schwierigkeiten ein Thema zu finden, welches zum Team passen könnte. Wir mussten herausfinden, welches Spiel wir machen wollten und wie wir es entwickeln sollten und wie wir die Vorgabe umsetzen wollten. Wir haben ständig Elemente entfernt und wiedereingefügt.
Doğa Çelebioğlu: Anfangs hatten wir einen kleinen Prototypen, der nur mit Farben und ohne das Konzept „Bar“ auskam und haben diesen getestet.
Anthony: Nach den ersten Spielen haben wir gemerkt, welche Elemente zu viel waren.
Karatekin: Es war zu einfach, die eigene Figur zu schützen. Wir haben neue Lösungen gefunden und sind überzeugt, dass diese finale Version die beste ist.
Sie sind also mit einem Prototypen gestartet. Wann fiel der Entschluss, ein Spiel für Erwachsene daraus zu machen? Betrachtet man nur das Spielprinzip für sich, hätten damit sicher auch Kinder ihren Spaß.
Karatekin: Das war eine ziemlich schnelle Idee. In der zweiten Nacht des Game Jam ging ich nach Hause, noch an das Spiel denkend. Ich unterhielt mich mit Freunden aus der Türkei, welche viel Zeit mit Brettspielen verbringen. Sie wollten, dass ich das Spiel mittelalterlich gestalte, mit Kriegern und so weiter, aber ich saß dort und fragte mich, warum es nicht ein Barspiel sein könnte. Wir machten von dort weiter.
Anthony: Es ging auch darum, dass das Spiel kurzweilig blieb, ob man nun eine lange oder kurze Partie spielt. Als wir die Speisen als halb passierbare Hindernisse einführten, wurde das Timing des Spiels sehr viel besser.
Karatekin: Was das Konzept anbelangt kann ich nur sagen, dass das einer der Momente war, in welchem eine Glühbirne über meinem Kopf anging…
Anthony: Ja, er war das Master-Mind. Es machte Sinn und passte zum Thema des Game Jam und wir waren alle sofort dabei. Es war uns auch wichtig, dass das Spiel auch dann noch Spaß macht, wenn man aus dem Spielfeld ausscheidet.
Anders als eine Partie Monopoly, bei welcher sich oft schon früh abzeichnet, dass man in den nächsten Stunden verlieren wird…
Karatekin: Man kann zurückkommen oder weiterhin einen Verbündeten schützen. Jeder entscheidet sich für seine eigene Spielweise.
Auch wenn Hannes Waldner Ihr Spiel bei der Preisvergabe als das „nicht didaktisch wertvollste“ bezeichnet hat, kann man fragen, was Ihr gelernt habt bei Eurer Teilnahme?
Karatekin: Es war nur eine schnelle Idee und ich suchte nach der Bekanntgabe des Themas nach Brettspielen, welche ich gespielt hatte, die diesem Thema entsprechen. Nach einem Thema zu suchen, welches den Spieler visuell anspricht, ist eine Aufgabe des Grafik-Designs und das war das erste Mal, dass ich so etwas gemacht habe, aber wir haben verstanden, wie wir ein Spiel aufbauen sollen.
Çelebioğlu: Es ist wichtig, zuerst eine Idee für das Spiel zu finden, dann dessen Design…
Karatekin: Beim Schreiben der Spielregeln muss man zugleich an den gewinnenden und an den verlierenden Spieler denken. Verliert man ohne eine Chance zu gewinnen oder weiterhin zu interagieren, dann kann es sein, dass man nicht wieder spielen möchte.
Anthony: Was ich aus dem Prozess gelernt habe, ist die Wichtigkeit von guter Kommunikation mit dem Team, alle Mitglieder in die Arbeit einzubinden und über das Ziel des Projekts am Laufenden halten, so dass jeder seinen Beitrag leisten kann, damit es klappt.
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