Società | Lehrpersonal

"Unsicherheit im Bildungswesen beseitigen"

Befristete Verträge sind unter den Lehrkräften gang und gäbe. Vor allem das junge Lehrpersonal sieht sich mit prekären Arbeitsverhältnissen konfrontiert. Was das AFI rät.

Über 15.000 Menschen waren letzthin im Bildungsbereich beschäftigt – mehr als in jedem anderen Teilbereich des Öffentlichen Diensts in Südtirol. Und es werden immer mehr. Zu den im Bildungswesen Beschäftigten zählen alle an Fachoberschulen, Lehranstalten, Musikschulen und Kindergärten angestellten Personen, inklusive dem Verwaltungspersonal. “Damit ist der Bereich Bildung auch in beschäftigungspolitischer Hinsicht von großer Bedeutung”, so der Hinweis von Stefan Perini. Der Leiter des Arbeitsförderungsinstituts AFI hat kurz vor Schulbeginn gemeinsam mit seinem Team die atypischen Arbeitsverhältnisse im Bildungswesen unter die Lupe genommen. Darunter fallen in erster Linie unbefristete Teilzeitverträge sowie befristete Arbeitsarrangements. Für Perini steht fest: “Auswahlverfahren und Befristungen führen zu Unsicherheiten im Bildungswesen.”

Um die Beschäftigungs- und Arbeitsplatzunsicherheit der Lehrpersonen in Italien zu bezeichnen, hat sich der treffende Begriff “Prekarität” bereits vor Jahrzehnten durchgesetzt. (AFI)

Insgesamt gibt es im Bildungsbereich neben einem überaus hohen Frauenanteil und einer steigenden Teilzeitquote auch einen hohen Anteil an Befristungen, so genannten Supplenzen. Ein Drittel der Beschäftigten ist laut Angaben des AFI über einen befristeten Vertrag angestellt. Was das unter anderem bedeutet, macht sich Jahr für Jahr ab Mitte August bemerkbar. Wenn nämlich die befristeten Lehrkräfte zur Stellenwahl gebeten werden. Die unbefristeten Aufträge sind vergeben. Insgesamt 425 Lehrpersonen haben dieses Jahr einen unbefristeten Lehrauftrag für eine deutschsprachige Grund-, Mittel- oder Oberschule erhalten. Die restlichen der 647 offenen Stellen wird nun laufend mit befristeten Verträgen vergeben. Im AFI sieht man diese mit einem kritischen Auge: “Ständig wechselnde Zugangsvoraussetzungen führen im Falle der Befristungen dazu, dass sowohl in den Schulen als auch unter den Lehrpersonen Planungsunsicherheit weit verbreitet ist”, weiß AFI-Forscher Werner Premstrahler zu berichten. Ein weiteres Merkmal der Südtiroler Bildungslandschaft: Es sind vor allem die Jungen, die sich über kein unbefristetes Vollzeit-Arbeitsverhältnis freuen dürfen. “Von den jüngeren Beschäftigten, den unter 30-Jährigen, haben nur fünf Prozent einen unbefristeten Vertrag”, so Premstrahler. “Die Stabilisierung erfolgt mehrheitlich erst ab dem 40. Lebensjahr.” Darüber hinaus sei ein Viertel der im Bereich Bildung Beschäftigten älter als 50 Jahre.

Der Beruf der Lehrpersonen hat sich ganz grundlegend verändert. Früher habe ich Wissen vermittelt, jetzt ist die Wissensvermittlung eine Sparte meiner Arbeit. […] Es ist inzwischen wichtiger geworden, dass ich Strategien vermittle, schon fast Überlebensstrategien, ich bin ein Sozialpädagoge, ich bin ein Psychologe, ich bin ein Beichtvater; manche Schüler sehen mich häufiger als den eigenen Vater. (ein Lehrer)

Es sind vor allem gesellschaftliche Veränderungen, die sich auf die Tätigkeit der Lehrenden und schlussendlich auch auf die Qualität des Unterrichts und des Bildungssystems insgesamt auswirken. “Dabei sehen internationale Studien in der bewussten Wahl einer Unterrichtstätigkeit den wichtigsten Faktor für die Qualität der Bildungssysteme”, so Perini. Um diese aufrecht zu erhalten hat man im AFI zwei Handlungsfelder ausgemacht: Zum einen einen transparenten und selektiven Zugang zu den Lehrberufen. Premstrahler dazu: “Die Entscheidung für die Lehrtätigkeit muss bewusst erfolgen und durch einen entsprechenden Ausbildungsweg unterstützt werden, wobei ein selektiver Zugang durchaus sinnvoll ist.” Zum anderen müsse die Organisation der Schulen auf die Alterung des Lehrpersonals reagieren. “Diese wird aufgrund der restriktiven Aufnahmepolitik auch in Zukunft weiter ansteigen”, ist man sich im AFI sicher.

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Lisa Maria Gasser Mar, 08/18/2015 - 17:06

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Tatsächlich wird Werner Premstrahler an einer Stelle (die im Artikel nicht wiedergegeben wurde) so zitiert: „Auch wenn in Südtirol bis dato atypische Vertragsformen im Bildungsbereich sachlich gerechtfertigt sind und unter dem italienischen Niveau liegen, so haben sie doch eine weit verbreitete Planungsunsicherheit zur Folge, sowohl für die Schulen als auch für die Lehrpersonen.“

Mar, 08/18/2015 - 17:06 Collegamento permanente