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Geld, Macht, Menschen

Was Geld in verschiedenen, auch Ausnahme-Situationen mit den Beziehungen von Menschen macht, ist das Thema von Ruben Östlunds neuer Groteske „Triangle of Sadness“.
Traingle of Sadness
Foto: Screenshot NEON
Geld ist der Bogen, der sich über die drei Kapitel, beziehungsweise Settings spannt, der Anfang mit Ende verbindet. Die Fashion-Welt, eine Luxus-Yacht (die Christina O, ehemals Aristoteles Onassis und Jackie Kennedys Boot) und eine verlassene Insel stellen dabei jeweils andere Rahmenbedingungen für den Umgang mit Geld: Dabei geht es im Gewinnerfilm von Cannes weniger um eine Dokumentation der dabei entstehenden Dynamiken und Machtgefüge, sondern zusehends mehr und mehr um deren satirische Überzeichnung.
Wir beginnen mit Carl (Harris Dickinson) und, wenig später, mit Yaya (gespielt von der am 29. August nach plötzlicher Krankheit verstorbenen Charlbi Dean Kriek), einem Model Paar in deren Beziehung eine emotionale und finanzielle Schräglage besteht. Kurz davor wird dem Publikum, in der ungewöhnlichen Einleitung des Films - welche auch eine Erklärung für den Titel liefert - beigebracht, dass im Model-Business die Männer ein Drittel der Frauen verdienen. Bei einer Dinner-Szene zeigt sich, dass dies nicht notwendigerweise mit einer Umkehr von Rollenbildern in der Beziehung einhergeht: Yaya versucht, die Rechnung an Carl zuzuschieben, ein Streit der sich nach dem Essen im Auto (Ein besonders intensiver, kontinuierlicher Take von Schauspielern und Kamera, Fredrick Wenzel), auf zwei Seiten einer Fahrstuhltür und in einem Hotelzimmer fortsetzt und zur Grundsatzdiskussion ausweitet. Wir blicken kurz in eine Beziehung in der Fassaden aufgebaut, aber auch transparent gemacht werden. Ein bisschen Lügen, ein bisschen Wahrheit und ganz viel Unsicherheit. Auch dient der Zynismus dieser Modewelt, die in Laufsteg-Präsentationen große Ideale wie „Gleichheit“ - ein wiederkehrendes Motiv - als Werbetikett verwendet, als guter Vorgeschmack auf den Ton des Films.
 
 
Im zweiten Teil des Films erweitert sich der Kreis der Protagonistinnen und Protagonisten auf ein ganzes Boot von Superreichen. Geld ist hier alles und nichts zugleich. Da uns diese Erlebniswirklichkeit fremd ist, sind Carl und Yaya, welche als Influencerin mit Carl gratis an Bord geht, mehr noch als die Crew des Schiffes, Bezugspersonen. Hier gelten nämlich die Maximen „Der Kunde ist König“ und „Der Kunde hat immer Recht“ ad absurdum. Madam Paula (Vicki Berlin), Chief Steward, führt und gleich in ihrer Motivanions-Rede für ihr Team vor Augen, warum man dies hinnimmt: Für ein dickes, fettes Trinkgeld am Ende. Das diese Unterordnung in der Tat absurde Züge annimmt, zeigt sich mit der Rolle der Vera (Sunnyi Melles), welche sich wünscht, die Crew des Schiffes solle sich entspannen und schwimmen gehen, woraufhin sich deren ohnehin stringenter Zeitplan für das Kapitänsdinner um eine halbe Stunde nach hinten verschiebt und sichtbar genervtes Personal vor einer Wasserrutsche Schlange steht. Eine realitätsfremde Oligarchen-Frau steht mit Sekt daneben und beklatscht sich selbst für ihren Einfall. Nennenswert auch eine für eine ungewöhnliche Rolle gecastete Iris Berben, die als Rollstuhlfahrerin Therese nach einem Schlaganfall fast nur einen einzelnen Satz sagen kann „In den Wolken“. Wohlgemerkt heißt es dabei auch in der englischen Originalfassung „In den Wolken“, die doppelte Sprachbarriere fehlt in der deutschen Synchronfassung.
 
 
Das Dinner, welches folgt, wird von Östlund als Exzess inszeniert, bei welchem auch der Kapitän (Woody Harrelson) erstmals in Erscheinung tritt und, besonders bemerkenswert, auf den Oligarchen Dimitry (Zlatko Burić) trifft. Mit dem sozialen Schmiermittel Alkohol gelingt dem Russischen Kapitalisten und dem Amerikanischen Marxisten eine Annäherung, während die Yacht ohne Kapitän in rauer See treibt. Das Ausmaß der Katastrophe soll hier nicht beschrieben werden, um dem Kinogänger - gerade anfänglich - die Freude daran zu lassen. Es entsteht allerdings der Eindruck das etwas der 147 Minuten Spielzeit zum Beispiel hier hätte eingespart werden können. Ein schlankerer Film hätte bei den richtigen Schnitten das selbe Ziel erreicht.
Packend die Fragen, was in einer neuen Gesellschaftsordnung passiert: Es überleben eine Hand voll Crew-Mitglieder und Passagiere, zu helfen weiß sich in der neuen Umgebung nur die Reinigunskraft Abigail (Dolly de Leon), die sich auf Fischfang und aufs Feuermachen versteht. Mit in Aussicht gestellter Entlohnung im Falle einer Rettung will sie sich nicht begnügen und so wird ihr bald eine Sonderstellung zugestanden. Hier geht es darum, was für ein Vakuum sich, durch das Wegfallen etablierter Zahlungssysteme, auftut: Luxusuhren werden für relative Kleinigkeiten angeboten und abgelehnt. Östlund sieht dabei keineswegs eine idealisierte Parallelgesellschaft an die Stelle des modernen Kapitalismus treten, sondern einen, abermals überzeichneten, Rückfall auf primitive, teils prähistorische Verhaltensmuster.
„Triangle of Sadness“ zeigt unsere Gesellschaft im Spiegel und wir, als Zuseher, fragen uns dabei regelmäßig, was davon noch glaubhaft ist und was nicht. Unsere Aufmerksamkeit verliert der Film dabei nicht, auch wenn das Geschehen zum Jahrmarkt-Zerrspiegel wird, gerade dann nicht: Das Groteske in den Bildern lässt uns gaffen, ruft mehr als einmal Schadenfreude auf den Plan. Das Ende des Films lässt vieles offen, auch da man die gegenwärtig Alternativlosigkeit des Prinzips Geld auf einer übergeordneten, gesellschaftlichen Ebene einräumt. Es ist ein krankes System, aber auch eines zu dem Alternativen schwer zu finden sind. Was wären wir „nur“ ohne Geld?