Pass Bild Polizei
Der Künstler Abdul Sharif Baruwa ist in Lüsen im Eissacktal aufgewachsen und für das Studium der Malerei an der Akademie nach Wien gezogen. Der Schritt über den Brenner, das freie Umherreisen zwischen zwei Ländern, hat sich seitdem verändert und ist nur eines der vielen Themen, die der Künstler aus seinem Leben aufgreift und in seine Werke einarbeitet. In der Kubatur des Kabinetts, dem Kunstsalon im fluc in Wien, performte Abdul Sharif Baruwa diesen Mittwoch, den 15. November, seinen neusten Text Pass Bild Polizei.
Der Text (im folgenden Bild) basiert auf ein Ereignis, das dem Künstler letztes Jahr wiederfahren ist. Im Zug auf dem Weg von Wien nach Innsbruck bemerkt er zu spät, dass er im falschen Zugabteil sitzt – ein Abteil, das in Salzburg abgekoppelt wird und nach München weiterfährt. Im letzten Moment springt er raus, vergisst jedoch ein mitgebrachtes Bild im Zug…
Der Text Pass Bild Polizei ist wandelbar. Sharif wiederholt und bearbeitet ihn; verschiedene Varianten entstehen. Warum auch Endgültigkeit anstreben, wenn man Vielfältigkeit haben kann? Was bestehen bleibt ist die Wiederholung der Worte „Pass Bild Polizei“. Sie können jederzeit unerwartet im Text auftauchen – genauso wie die häufigen Passkontrollen, denen der Künstler aufgrund seiner Hautfarbe ausgesetzt ist. Im folgenden Text geht Sharif auf jene Umstände ein, unter denen zu diesem Ereignis kam:
„Eine lyrische Abhandlung einer Geschichte, die so noch vor einigen Jahren sich gar nie hätte ereignen können. Die Natur hat mich ausgestattet mit Identitätsmerkmalen die zumindest in diesen Breitengraden derartige Geschehnisse begünstigen. Für mich zunächst und zunehmend einfach nur ein interessanter Gegenstand, der Anlass zu diversen Überlegungen bietet ich darf mich ja einigermaßen sicher fühlen, derzeit noch, jüngste Entwicklungen und Anzeichen sind eher beängstigend, wenn ich zur U-Bahn gehe und vermehrt Juden-Schmierereien sehe, an die Negerdinger bin ich ja gewohnt, dann besteht Handlungsbedarf. Die Lage ist heikel, der Nebel ist dicht, die Hand sieht die Augen gut.“ (Abdul Sharif Baruwa)
Sharif bezieht sich auf den sich in Europa ausbreitenden Rechtspopulismus und Rassismus, der von einem dichten Nebel aus Informationen und Berichterstattungen umgeben ist. Der Nebel verhindert die klare Sicht; alles was bleibt, sind Hand und Augen. Eine Einheit, die für den Künstler den sinnlichen Moment seines Schaffens ausmacht und einen Bezug zu seinen Arbeitsfokus auf das Vertrauen im Spüren und das Handgemachte herstellen.
Sprachlich gesehen wirkt der Text wie ein Gedankenfluss, der gleich mehrere Ebenen und Nebenstränge öffnet. „Die unangenehmberührterfreut über das Bild derkünstlerjagtdembildhinterher Geschichte“ zeigt wie Sharif in Anlehnung an die konkrete Poesie Worte zu einem Block zusammenschmelzt, um dadurch eine Geschichte innerhalb der Geschichte zu erzählen.
Dieses Stilmittel findet sich als „Bild im Bild“ auch in Sharifs Installationen, Bildern und Skulpturen in der Ausstellung Die Pfade der Erkenntnis, Textiles Gestalten, Kunst und Therapie, neue Hoffnung, die Zeit heilt alle Wunden im School in Wien wieder. Die Ausstellung baut sich aus den unterschiedlichsten Objekten zusammen und lässt, wie auch der Titel, auf den ersten Blick ein zusammengewürfeltes Durcheinander erahnen. Nur wer genauer hinschaut und seinen Gedanken freien Lauf lässt erkennt Verbindungen und Zitate.
Ein Bild im Bild generiert meist automatisch eine interne Referenzbeziehung. So auch im Falle eines Fotos, das in der Ausstellung hängt. Zu sehen ist der Künstler selbst, der ein T-Shirt mit dem Abbild des weißen US-amerikanischen Country Sängers Alan Jackson trägt. Der Künstler erzählt, dass er das T-Shirt zunächst aus ästhetischen Gründen erwarb, aber auch in der Erwartung Irritation im öffentlichen Raum auszulösen. Eine Vorahnung die sich tatsächlich bestätigte, als er damit durch Wien spazierte. „Dass Weiße Shirts mit Abbildern von schwarzen Stars tragen, wird als normal angesehen; wenn jedoch Schwarze mit dem Abbild eines Weißen – und dann noch eines Country Sängers – rumlaufen, wirkt das komisch“, betont Sharif. Als er sich schließlich mit den rassistischen Aussagen und Texten des Südstaaten Sängers näher auseinandersetzte, entschied er sich dafür das Shirt als Artefakt zu archivieren:
„Irgendwie schade. Ich mochte den Kontrast zu meiner Bräune.
Das Farbspiel, die Doppelung der Kopfbedeckung
weiß, blau
braun, weiß
schwarz, weiß, braunblondblaubr bl bl“
Durch spielerische Strategien will der Künstler die forcierte Konstruktion einer nationalen Identität kritisch hinterfragen. Viele Objekte weisen Frakturen und Brüche auf und werden erst durch eine Vielzahl und Vielfältigkeit von Fragmenten zu einem großen Ganzen – genauso wie es sich mit der Identitätsbildung auf sich hat. Das Thema der vermeintlichen Andersartigkeit zieht sich im Hintergrund durch viele Werke des Künstlers steht jedoch nicht im Mittelpunkt seines Fokus. Es ist nur ein Teil jener Referenzen die aus seinem Leben und seiner Geschichte in seine Kunst einfließen. Inspiration und Umsetzung entstehen in seiner unmittelbaren Umgebung und jedes Objekt steht in Verbindung zu seinem Nächsten. Diese Verbindungen und Referenzen können sowohl gewollt, als auch zufällig entstehen und ziehen sich durch die gesamte Ausstellung.
Auf großen an die Wand gelehnten Kartonplatten erkennt man auf dem Kopf stehende Regenschirme: jene Symbole, die signalisieren sollen, dass der Karton vor Nässe geschützt werden muss. Durch den an den Karton gelehnten Klappstuhl, sieht so aus als würden die Regenschirme auf dem Stuhl stehen. Dieses Motiv wiederholt sich in einem dreidimensionalen Objekt: Eine Klappkonstruktion die einen echten verkehrten Regenschirm trägt. Auf letzteres ist Sharif zufällig beim Aufbau der Ausstellung gestoßen. Der Künstler hat es spontan in den Raum integriert, um es im Laufe der Ausstellung wieder verschwinden zu lassen. Wieder manifestiert sich der Widerstand gegen endgültige Formen: alle Übergänge und Veränderungen geschehen fließend, ohne Rücksicht auf Zeit und Raum.
Die Skulpturen enthalten Zeichen oder Symboliken, die sie miteinander in Verbindung setzten. Aus den einzelnen Fragmenten wird ein Ganzes, das sich wiederrum in einen räumlichen Kontext verorten lässt. Dadurch bilden die Objekte wie Buchstaben und Worte eine eigene Sprache, die ähnlich wie Sharifs Texte auf dem Prinzip des Gedankenflusses basieren. Mit den Worten des Künstlers: „Objekte sind schlussendlich auch nur Wortkreationen“.