Wenn es aus der Tonne strahlt
Es war eine Mitteilung, die auf den ersten Blick bedenklich wirken kann, mit der Wilfried Trettl am vergangenen Donnerstag Abend im Gemeinderat aufwartete. Am Vortag sei in einem Müllwagen seiner Gemeinde radioaktiver Abfall gefunden worden, teilte der Eppaner Bürgermeister dem Plenum mit. Genaueres wisse er aber derzeit, Donnerstag Abend, noch nicht. Sogleich wurden Erinnerungen an den Oktober 2014 wach. Damals war ebenfalls in einer Müllladung aus Eppan das Isotop “Radium 226” festgestellt worden. Die Halbwertszeit, also die Zeitspanne, nach der keine signifikante Gefahr mehr von dem Isotop ausgeht, liegt bei annähernd 1.600 Jahren. Knapp 5.000 Euro musste die Gemeinde Eppan damals für die Beseitigung des radioaktiven Materials zahlen.
Entsprechend resolut die Reaktion von Bürgermeister Trettl, als eineinhalb Jahre später erneut die Nachricht kommt, dass radioaktive Substanzen in “seinem” Müll gefunden wurden. “Falls sich herausstellen lässt, wer den Abfall in den Restmüll geworfen hat, werden wir prüfen, ob wir jemanden belangen können”, sagt Trettl am Freitag (19. Februar) Vormittag auf Nachfrage. Doch so gefährlich sich die Meldung auch anhören mag ist sie bei Weitem nicht. Darüber hinaus seien der Vorfall von 2014 und der jetzt aufgetretene “zwei grundlegend verschiedene Dinge”, sagt Stefano Fattor zu salto.bz.
Strahlender Alltag
Als Präsident des EcoCenters sitzt Stefano Fattor an der Spitze jener Gesellschaft, die die Müllverbrennungsanlage in Bozen betreibt. Dort ist das radioaktive Material aus Eppan am Mittwoch bei Kontrollen entdeckt worden. Die LKWs, die den Restmüll aus dem ganzen Land ankarren, werden eingangs einem Screening unterzogen. Dabei können auch radioaktive Stoffe sofort ausgemacht und gegebenenfalls entsprechend reagiert werden. “Das passiert ziemlich häufig und ist überhaupt nichts Außergewöhnliches”, weiß Fattor. Denn oftmals reichten unverdächtige Abfälle wie – aufgepasst – Windeln, um die Sensoren Alarm schlagen zu lassen. Davon hat auch Wilfried Trettl bereits gehört. “2014 lag der Verdacht nahe, dass das radioaktive Material in Erwachsenenwindeln steckte”, berichtet Eppans Erster Bürger. Was genau es mit den radioaktiven Windeln auf sich hat, erklärt Stefano Fattor: “In Abfällen von Tumorpatienten etwa, die sich gerade einer Strahlentherapie unterziehen, können aufgrund der Einnahme von gewissen Medikamenten durchaus radioaktive Rückstände zurück bleiben. Darunter eben auch in Erwachsenenwindeln.” Und wie es scheint, war es auch im Falle der kürzlich gemeldeten Müllladung aus Eppan so.
Stefano Fattor: “Reiner Zufall.” Foto: Klimahaus Agentur
Was aber passiert, wenn die Detektoren am Verbrennungsofen anschlagen? “Das passiert wirklich sehr häufig. Die Maßnahmen, die getroffen werden, hängen aber schließlich vom festgestellten Material ab”, informiert Fattor. Haben die Substanzen eine geringe Halbwertszeit, genügt es, den LKW am Gelände des Verbrennungsofens abzustellen und zu warten, bis die Zeit, die es zum Zerfall benötigt, verstrichen ist. “Im Normalfall warten wir 24 Stunden, maximal aber 48”, sagt Fattor. Sind dann keinerlei Rückstände mehr auszumachen, wird der Abfall entsprechend entsorgt. Dauert die Halbwertszeit über die 48 Stunden hinaus an, werden standardisierte Prozeduren eingeleitet. “Dann wird einen Strahlenschutz-Mediziner eingeschaltet, in unserem Fall ist dies der ehemalige Primar für Nuklearmedizin am Bozner Krankenhaus, Dr. Moroder”, erklärt der EcoCenter-Präsident. Dieser kontrolliert den betroffenen Müll und bestimmt die Halbwertszeit.
Ein Vorfall aus dem Jahr 2014 in Linz zeigt: Die damals aufgefundenen verstrahlten Erwachsenenwindeln waren mit radioaktivem Jod verseucht, einer Substanz, die bei einigen medizinischen oder diagnostischen Verfahren geschluckt wird.
Meist keine Absicht
Moroder hat sich auch die Abfälle aus Eppan angeschaut und festgestellt, dass die darin enthaltenen radioaktiven Stoffe eine Halbwertszeit von 40 Tagen haben. Fattor: “In solchen Fällen, also wenn die Halbwertszeit länger als 48 Stunden beträgt, wird eine spezialisierte Firma beauftragt, sich des Materials anzunehmen.” An die betroffenen Gemeinden wird eine Meldung gemacht, Strafen gibt es im Normalfall keine. “Wie denn auch?”, fragt sich Fattor. Denn denjenigen auszumachen, der den mehr oder weniger verseuchten Abfall in die Mülltonne wirft, sei praktisch unmöglich. “Und in den meisten Fällen passiert das sowieso unbeabsichtigt”, fügt Fattor hinzu. Neben den erwähnten Windeln seien auch technische Ausrüstungen aus der Vergangenheit häufig mit radioaktiven Stoffen kontaminiert: “Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts verwendete man häufig verseuchte Materialien für Dekorationen oder es waren diese auf Werkzeugen beziehungsweise Maschinen zu finden. Und wenn jemand einen solchen Gegenstand zum Beispiel auf dem Dachboden findet und unwissend wegwirft, landet er eben im Restmüll.”
Im Laufe der Zeit habe man jedoch begonnen, auf die Verwendung gewisser Stoffe zu verzichten, “im Bewusstsein, dass sie radioaktiv sind”, gibt Fattor Entwarnung. Was aber sagt er dazu, dass nun ein weiteres Mal nach 2014 genau in einer Müllladung aus Eppan radioaktives Material festgestellt wurde, wenn auch weit harmloseres als im Oktober 2014? Auch hier beruhigt der EcoCenter-Präsident: “Es ist reiner Zufall und eigentlich auch gar keine Nachricht.”