Cultura | Salto weekend

"Die schmerzhaften Blumen der Schönheit"

Er ist Miterfinder der "Glitch Music" und schafft mit E-Gitarre und Computer faszinierende Kompositionen: Fennesz spielt am 24. Februar im Sanbàpolis Theater in Trient.
Fennesz
Foto: Jack Vartoogian

Fennesz, der als einer der Erfinder der "Glitch Music" gilt, nutzt die E-Gitarre und den Computer, um umfangreiche und faszinierende Kompositionen zu schaffen. Er hat auch mit Filmemachern, Tänzern und Musikern zusammengearbeitet, darunter Ryuichi Sakamoto, David Sylvian, Keith Rowe, Mark Linkous und Mike Patton. Seit 2001 werden seine Werke bei dem britischen Label Touch veröffentlicht. Am 24. Februar wird er im Sanbàpolis Theater in Trient zusammen mit Enrico Rava auftreten. Salto.bz hat ihn über seine Anfänge, die Wiener Musiktradition und sein neues Duo-Projekt mit dem großen italienischen Jazztrompeter befragt.

 

Salto.bz: Welche Musiker, Künstler oder Philosophen haben Sie inspiriert, als Sie in den 1990er Jahren beschlossen haben, die E-Gitarre mit dem Computer zu verkabeln, um unerhörte Klänge zu erzeugen?

Fennesz: Damals hörte ich viel elektronische Musik, heute eher nicht mehr. Aphex Twin, Autechre, etc. Mir wurde aber bald wieder bewusst, dass mein Hauptinstrument die Gitarre ist und ich habe mich darauf konzentriert, den Gitarrenklang mit diverser Software zu erweitern. In jungen Jahren war ich ein virtuoser Gitarrist, war aber schon bald danach nur mehr am “sound" interessiert. Gitarristen, die mich am meisten beeinflusst haben, waren Wes Montgomery und Neil Young. Insgesamt hat mich aber der Filmemacher Chris Marker, der mit dem Konzept der “Erinnerung” arbeitete. Mein Album “Endless Summer” war auf diesen Ideen gebaut.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die "Fehler" digitaler Geräte auszunutzen, d.h. die "Glitches", die Quietschen, Verzerrungen und andere unerwartete Klänge generieren?

Ich fand die Musik in den späten 90ern langweilig. Alles war irgendwie auf CD Qualität poliert mit 44,1 kh, 16 bit. Wir wollten damals mit dem Wiener “Mego" Label etwas entgegensetzten und eventuell etwas Neues starten. Das war gewissermaßen eine “Punk" Attitüde, gleichwohl wollten wir neue musikalische Welten erschaffen.

 

Sie leben in Wien, studierten in Ihrer Jugend Gitarre, dann Ethnologie und Musikwissenschaft an der Universität Ihrer Stadt. Zu Ihren CDs gehört MAHLER REMIX, und die Stadt Klagenfurt verlieh Ihnen 1995 den Gustav Mahler Kompositionspreis. Welches Verhältnis haben Sie zur Tradition der Wiener Klassik?

Ich bin so wie alle Kinder aus dieser Zeit aus Ostösterreich, in Wien geboren, in Neusiedl am See aufgewachsen und bin nach meiner Matura im katholischen Knabeninternat (Musikgymnasium) mit 18 Jahren nach Wien gezogen. Ich habe seither in Wien, Paris und Tokio gelebt. Jetzt bin ich wieder in Wien. Wir wurden immer mit der Wiener Klassik konfrontiert, das war damals völlig selbstverständlich.

Das Mahler Projekt war ursprünglich eine Auftragsarbeit für das ACFNYC, dass nach vielen Jahren sozusagen wiederbelebt wurde.

Ich mag Alban Berg, manches von Schönberg und Mahler. Am meisten aber Brahms und Haydn. Das ist alles nicht durchgehend die Wiener Klassik. Am wichtigsten ist mir Johann Sebastian Bach. Und ich will auch noch Bela Bartok erwähnen.

In Trient werden Sie mit Enrico Rava spielen. Wie kam es zu diesem Projekt?

Enrico Ravas Team hat bei uns angefragt. Das Konzert war aufgrund der Corona Restriktionen sehr schwierig zu verwirklichen. Aber wenn so eine musikalische Legende, ein ganz großer Musiker wie Enrico Rava mit mir spielen will, bin ich selbstverständlich gerne dabei. Ich freue mich sehr auf diese Begegnung.

Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass "die Schönheit die Welt retten wird"?

Früher tat ich das. Vielleicht kann man sie mit Schönheit retten, nur überwiegt gefühlt gerade eher die Hässlichkeit. Die Fülle an zerstörerischer Hässlichkeit deprimiert mich, wie viele andere, leider sehr. Wenn man dann die kleinen Blumen der Schönheit erblickt, werden sie sogar als sehr schmerzhaft erlebt, als pfeilgebotenes Mahnmal.

Sehr gerne lasse ich mich aber eines Besseren belehren und hoffe nach wie vor auf die dostojewskische Kur durch Schönheit.

Ihre Wünsche für die Zukunft?

Dass die Menschen sich und der Natur respektvoll und auf Augenhöhe begegnen. Und ein Maximum an Empathie für jeden und alles… und vieles mehr!