Economia | Arbeitssicherheit

Arbeitsunfälle und -sicherheit

Arbeitsunfälle können Arbeitnehmern schwerwiegende körperliche und psychische Folgen bereiten sowie die Unternehmen selbst finanziell massiv belasten.
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Foto: AFI IPL

Die Sicherheit am Arbeitsplatz ist sowohl eine ethische als auch eine rechtliche Verpflichtung der Arbeitgebenden. Alle Arbeitnehmenden haben das grundlegende Recht, die eigenen Tätigkeiten in einem Arbeitsumfeld ausführen zu können, welches vor Verletzungen und gesundheitlichen Schäden schützt. Trotz dieser Verpflichtungen und dem steigenden Bewusstsein für Arbeitssicherheit gehören Arbeitsunfälle jedoch nach wie vor zum Alltag. Die Gewährleistung der Sicherheit am Arbeitsplatz ist nicht nur im Interesse der Arbeitnehmenden, sondern auch der Unternehmen – diese können durch sichere Arbeitsumgebungen sowohl die Produktivität der Mitarbeitenden als auch das eigene Ansehen steigern.

Wann Arbeitsunfälle passieren

Die Ursachen von Arbeitsunfällen sind vielfältig und komplex. Sie reichen von mangelnder Ausbildung und unzureichender Schutzausrüstung bis hin zu stressigen Arbeitsbedingungen und unbeabsichtigten Fehlern. Neben diesen Faktoren tragen auch die fehlende Sicherheitskultur in Unternehmen, unzureichende Kommunikation und die geringe Einbindung der Arbeitnehmenden in Sicherheitsmaßnahmen zu Arbeitsunfällen bei. Das Ausmaß der Unfälle kann je nach Branche und Tätigkeitsfeld stark variieren, aber die Kernursachen wie Müdigkeit oder fehlende Schutzausrüstung bleiben ähnlich – der Großteil der Arbeitsunfälle ereignet sich in den letzten Arbeitsstunden.

 

Herausforderungen bei der Arbeitnehmersicherheit

Die Arbeitnehmersicherheit steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen – so ist z.B. bereits die Arbeitsumgebung facettenreich: Von Büros über Baustellen bis hin zu Fabriken haben verschiedene Arbeitsumgebungen unterschiedliche Sicherheitsanforderungen. Das bedeutet nicht, dass Büromitarbeitende keine Sicherheitsauflagen erfüllen müssen, sondern lediglich, dass unterschiedliche Berufe auch unterschiedlich hohen Risiken ausgesetzt sind. Dies ist der Grund, weshalb der Umfang von Fortbildungen im Bereich der Arbeitssicherheit unterschiedlich hoch ausfällt. Trotz aller Bemühungen von Seiten des Unternehmens spielt das menschliche Verhalten dennoch eine entscheidende Rolle. Ein beträchtlicher Anteil der Arbeitsunfälle resultiert aus menschlichem Fehlverhalten, sei es durch Nachlässigkeit, Ablenkung oder Missachtung von Sicherheitsrichtlinien.

Ein weiterer Aspekt ist der notwendige kulturelle Wandel. Die Etablierung einer starken Sicherheitskultur erfordert eine Neuausrichtung der Einstellungen und das Engagement aller Mitarbeitenden. Ein solcher Wandel kann jedoch in vielen Unternehmen eine Herausforderung darstellen: Mangelnde Schulungen der Mitarbeiter in Bezug auf Sicherheitsverfahren und -protokolle stellen ebenfalls eine Hürde dar, die unter Umständen zu Unfällen führen kann.

Lösungsansätze für eine verbesserte Arbeitnehmersicherheit

Die Reduzierung von Arbeitsunfällen erfordert koordinierte Anstrengungen auf allen Ebenen – von den Arbeitnehmenden über die Führungskräfte bis hin zu den Arbeitgeberverbänden. Dabei gilt es, einige Faktoren in die Planung und Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen einzubeziehen:

  • Förderung einer Sicherheitskultur: Es ist entscheidend, eine Kultur der Sicherheit zu fördern, in der Arbeitnehmende ermutigt werden, Sicherheitsbedenken zu äußern und Risiken zu melden. Führungskräfte sollten in dieser Hinsicht als Vorbilder agieren und der Sicherheit der eigenen Mitarbeitenden einen hohen Stellenwert beimessen.
  • Schulung und Training: Regelmäßige Schulungen zu Sicherheitsverfahren, -ausrüstung und -protokollen sind unerlässlich, um das Bewusstsein von Arbeitnehmenden zu schärfen.
  • Risikobewertung: Unternehmen sollten regelmäßige Risikobewertungen durchführen, um potenzielle Gefahrenquellen zu identifizieren und angemessene Maßnahmen zur Minimierung zu ergreifen.
  • Einhaltung von Vorschriften: Unternehmen müssen die geltenden Sicherheitsvorschriften und -standards einhalten, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen und die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten.
  • Unterstützung bei der Genesung: Falls doch ein Arbeitsunfall passiert, ist es wichtig, dass Unternehmen angemessene Unterstützung und Ressourcen für die Genesung der betroffenen Mitarbeiter bereitstellen.

 

Erkenntnisse aus Umfragen in Südtirol

Eine Studie des AFI | Arbeitsförderungsinstitut aus dem Jahr 2018 beleuchtet die Verbindung zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheit. Die Ergebnisse zeigen, dass rund 52% der Befragten keinen Einfluss ihrer Arbeit auf die eigene Gesundheit sehen. Etwa 12% berichten von positiven Auswirkungen, während 27% negative Folgen auf ihre Gesundheit bemerken. Diese Zahlen gewinnen an Bedeutung, wenn sie mit anderen Ländern und Branchen verglichen werden.

Rund einer von zehn Südtirolern kann die Auswirkung der eigenen Arbeit auf dessen Gesundheit nicht bewerten („weiß nicht“). Dieser Anteil ist fast doppelt so hoch wie im gesamtstaatlichen Durschnitt und deutlich höher als die in Österreich oder Deutschland registrierten Werte (1,5% bzw. 3,3%).

Auffällig ist auch, dass Südtiroler im Vergleich zu Italien (16%) und Österreich (27%) mehr negative Auswirkungen spüren. Bei positiven Einflüssen auf die Gesundheit liegen Südtirol und Österreich nahe beieinander, während die Schweiz mit fast 17% Spitzenreiter ist. Italienweit glauben nur rund 9%, dass die Arbeit hauptsächlich positive Auswirkungen auf die eigene Gesundheit hat.

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Gefährdung im Ländervergleich - AFI | IPL

 

Die Umfrageergebnisse nach Branchen zeigen, dass vor allem das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Transport- und Logistikbranche negative Auswirkungen auf die Gesundheit angeben. Generell stechen Branchen, die mit erheblicher körperlicher Arbeit in Verbindung stehen, mit besorgniserregenden Ergebnissen hervor. Die berufliche Position nimmt Einfluss auf die Wahrnehmung der Wechselwirkung zwischen Job und der eigenen Gesundheit: Handwerksberufe verzeichnen mit knapp 42% den höchsten Anteil negativer Auswirkungen, während akademische Berufe mit fast 17% einen überdurchschnittlich positiven Einfluss angeben.

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Gefährdung im Branchenvergleich - AFI | IPL

 

In Südtirol geben 27% der Befragten an, dass deren eigenen Gesundheit oder Sicherheit durch die Arbeit gefährdet ist. Im gesamtstaatlichen Durchschnitt sinkt dieser Anteil auf 13% - dieser Wert liegt unter jenem, welcher in Österreich (26%), Deutschland (19%) oder der Schweiz verzeichnet wurde (15%). Eine der Erklärungen für den Südtiroler Durschnitt ist auf die Zusammensetzung nach Sektoren und Berufshauptfeldern zurückzuführen, denn die hohe Gefährdungswahrnehmung derjenigen, die im Baugewerbe und der Transportbranche tätig sind, heben den Landesdurschnitt.

Der Zugang zu Informationen und das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung sind entscheidend für die Arbeitssicherheit. In Südtirol geben rund 44% an, dass sie persönliche Schutzausrüstung benötigen. Dabei variiert die Nutzung je nach Branche und Tätigkeit. Neben der Verfügbarkeit entsprechender Sicherheitskleidung üben auch die Anwesenheit von Arbeitssicherheitsvertretern sowie die Möglichkeit der Mitarbeit in Betriebsversammlungen großen Einfluss auf die eigene und kollektive Arbeitssicherheit innerhalb eines Unternehmens aus. Südtirol verzeichnet hier eine hohe Anzahl an Betrieben mit Arbeitssicherheitsvertretung (69%) und Mitsprachemöglichkeiten (55%), wobei diese Aspekte auch hier wieder branchenabhängig sind.

Die präsentierten Umfrageergebnisse zeigen, dass Südtirol eine solide Arbeitssicherheitskultur vorweisen kann, jedoch bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen und Beschäftigungsgruppen. Diese neuen Erkenntnisse bieten wertvolle Einblicke in arbeitsbezogene Risikowahrnehmungen und den Informationsstand in Südtirol. Experten betonen in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit von Prävention, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmenden zu gewährleisten. Dazu sind gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen notwendig.

 

Maßnahmen und Perspektiven

Das Land Südtirol strebt an, den aktuellen Stand der sozialen und technischen Inspektionstätigkeiten zu optimieren und einen hochqualifizierten Inspektionsdienst mit angemessener technischer Ausstattung zu etablieren. Hierbei wird geprüft, ob ein einheitlicher und umfassender Inspektionsdienst realisiert werden kann, der auch neue Zuständigkeiten für Südtirol beinhaltet.

Diese Initiative folgt einem aus zwei Phasen bestehenden Plan. In der ersten Phase soll das Inspektionspersonal verschiedener Bereiche, darunter das Arbeitsinspektorat, der Brandschutz des Landes und das medizinische Inspektionspersonal des Südtiroler Sanitätsbetriebes, integriert werden. Ziel ist es, die Koordination der Kontrolltätigkeiten zu optimieren und eine bessere Ausübung von Sicherheitskontrollen zu ermöglichen.

Die zweite Phase strebt an, die Inspektionstätigkeit des „Ispettorato Nazionale Lavoro“ (INL) auf die Autonome Provinz Bozen - Südtirol zu übertragen. Diese Phase erstreckt sich über den Geltungszeitraum des Mehrjahresplans 2024 hinaus, und die erforderlichen politischen und organisatorischen Schritte werden im Zeitraum von 2020 bis 2024 umgesetzt. Die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern der Region ist dabei von zentraler Bedeutung.

Im Kontext der Arbeitsmarktpolitik Südtirols wird Arbeitssicherheit und sozialem Arbeitsschutz hohe Bedeutung beigemessen. Die enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationen und Einrichtungen soll in diesem Rahmen koordinierte Maßnahmen zur Förderung von Arbeitssicherheit und präventivem Gesundheitsschutz ermöglichen.

Arbeitsunfälle haben weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die betroffenen Beschäftigten, sondern auch für die Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo aus dem Jahr 2020 ist die Anzahl der Arbeitsunfälle in Südtirol in den letzten 11 Jahren trotz eines Beschäftigungsanstiegs um etwa ein Fünftel zurückgegangen. Während es 2015 einen Tiefpunkt mit 6.763 Unfällen gab, zeigt sich seit 2016 eine leichte Zunahme.

Die Untersuchung von Arbeitsunfällen in Südtirol zeigt, dass zwischen 2017 und 2019 durchschnittlich 15.888 Arbeitsunfälle pro Jahr gemeldet wurden. Die meisten Unfälle werden durch Bewegungen des Körpers, Kontrollverlust von Maschinen oder Ausgleiten verursacht. Es ist jedoch wichtig hervorzuheben, dass eine Unsicherheit der Daten darin besteht, da nicht alle Unfälle gemeldet werden.

Im Hinblick auf das Geschlecht und Alter kann eine Wechselwirkung zur Anzahl an Arbeitsunfällen bzw. zur Höhe des Unfallrisikos verzeichnet werden: Männer sind häufiger betroffen, insbesondere in unfallintensiven Branchen wie der Landwirtschaft und dem Bauwesen. Tödliche Unfälle sind zwar selten, dennoch zeigt die Analyse, dass diese hauptsächlich in Zusammenhang mit Transportmitteln geschehen.

Arbeitsunfälle sind eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Arbeitsnehmenden und beeinträchtigen nicht nur die individuelle Lebensqualität, sondern auch die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die Gewährleistung der Arbeitnehmersicherheit ist daher von entscheidender Bedeutung. Durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen wie einer starken Sicherheitskultur, kontinuierlicher Schulung und Training, Risikobewertung, offener Kommunikation, Technologieeinsatz und Einhaltung von Vorschriften können Unternehmen eine sichere Arbeitsumgebung schaffen.