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Ein Unternehmen der besonderen Art

Die Sozialgenossenschaft GWB bietet Menschen mit Beeinträchtigungen die Gelegenheit, in einem richtigen Betrieb zu arbeiten. Mehr dazu erzählt der Geschäftsführer der GWB, Dietmar Larcher.
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Rollstuhl altmodisch
Foto: Pixabay
  • Weinboxen, Brettspiele, sogar Holzmedaillen, aber nicht nur. Die Sozialgenossenschaft „Genossenschaft. Werkstätten. Begleitung“, kurz GWB, arbeitet mit heimischem Holz und verarbeitet es zu ästhetischen und funktionellen Gegenständen. Das Besondere dabei: In der GWB arbeiten Menschen mit Beeinträchtigung. Geleitet wird das Kleinunternehmen seit nun fast einem Jahr von Dietmar Larcher. Im Gespräch erzählt er von den Herausforderungen, so einen Betrieb zu leiten und stellt eine Forderung an Wirtschaft und Politik.

  • Dietmar Larcher, Geschäftsführer der Sozialgenossenschaft GWB (Quelle: Dietmar Larcher) Foto: Dietmar Larcher
  • Salto.bz: Seit Dezember 2022 sind Sie Geschäftsführer der GWB, wie ist es dazu gekommen?

    Dietmar Larcher: Ich war zwölf Jahre lang bei Loacker beschäftigt und habe dort die Abteilung des internationalen Vertriebsinnendienstes geleitet. Als ich die Stellenausschreibung der GWB gesehen habe, habe ich mir die Frage gestellt, was mich als Mensch bereichern könnte, was mich zufriedenstellt und ob ich mich nicht nochmal verändern will. Der soziale Bereich war für mich relativ neu, auch wenn ich aufgrund meiner Tätigkeit als Präsident des Rittner Fußballklubs bereits ein wenig Ahnung von ehrenamtlichen Tätigkeiten hatte.

    Wie war für Sie die Umstellung von einer Profit- zu einer Non-Profit-Organisation?

    Für mich war die neue Position eine große Umstellung. Ich musste selbst erst lernen, wie man mit den Mitarbeitern umzugehen hat. Auch die Ziele sind andere: Im Mittelpunkt steht nicht der Umsatz, sondern die Mitarbeiter. Das ist unser Leitfaden, wir wollen die Lebensqualität von Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen durch die Arbeit steigern, wollen sie selbstständiger machen und ihnen eine sinnerfüllte Tätigkeit bieten.  

    Als was versteht sich die GWB?

    Wir verstehen uns als ein etwas spezielles Unternehmen. Aber wir sind ein kleines Unternehmen und wollen auch als solches wahrgenommen werden. Das ist auch für unsere Mitarbeiter wichtig – so haben sie eine eindeutige Struktur und können auch stolz sein auf das, was sie machen.  

    „Wir verlangen von uns selbst, qualitativ hochwertige Arbeit zu liefern – wir wollen nicht, dass die Menschen bei uns nur aus Mitleid einkaufen.“ – Dietmar Larcher

    Das heißt, Sie sind ein soziales Unternehmen, das aber durchaus wirtschaftlich agiert?

    Genau. Wir möchten noch mehr Teil des Wirtschaftskreislaufes sein, logischerweise sind wir auf der anderen Seite auch limitiert: Wir können unsere Mitarbeiter nicht allzu sehr unter Druck setzen. Damit würden wir unser eigentliches Ziel verfehlen. 

    Wie viele Mitarbeiter hat die GWB zurzeit?

    Insgesamt arbeiten bei uns zurzeit 68 Personen mit physischer oder psychischer Beeinträchtigung. Man findet bei uns viele verschiedene Beeinträchtigungen, Mitarbeiter mit Autismus, körperbehinderte Mitarbeiter, Mitarbeiter mit Down-Syndrom und andere. Zwölf fix angestellte Sozialarbeiter kümmern sich um die Mitarbeiter mit Beeinträchtigung.  

  • Edel, ästhetisch, einzigartig: Die Weinboxen der GWB (Foto: Benjamin Pfitscher - GWB) Foto: Benjamin Pfitscher - GWB
  • Wie läuft es bei der GWB aktuell?

    Wir haben aktuell drei Werkstätten. Unser Hauptsitz ist in der Mayr-Nusser-Straße in Bozen, dann haben wir eine Holzwerkstatt im Kampill-Center und eine Werkstatt in Meran. Bekannt sind vor allem unsere Holzarbeiten wie zum Beispiel unsere Weinboxen, auf die wir ein Patent haben und die nur wir herstellen. Abgesehen von unseren Produktionen aus Holz nehmen wir auch Aufträge von Firmen an, etwa für das Etikettieren, Montieren oder Kommissionieren. 

    Wie wichtig sind Ihnen solche Aufträge?

    Aufträge sind für uns sehr wichtig. Wobei wir nicht darauf abzielen, wirtschaftlich Rekordzahlen zu liefern, sondern vor allem, unsere Mitarbeiter beschäftigen zu können. Anfang letzten Jahres musste ich teilweise Leute nach einem halben Tag nachhause schicken – das ist eine Katastrophe. 

    Wieso ist das so ein großes Problem?

    Gesunde Menschen wissen sich eventuell zu beschäftigen, Leuten mit Beeinträchtigung kann jedoch das soziale Umfeld fehlen, sie bleiben dann zuhause, essen zu viel, bewegen sich zu wenig. Unsere Arbeit ist sehr abhängig von Unternehmen bzw. unseren Partnern. Unser Tätigkeitsfeld, also was wir alles machen können und wie gut, wird oft leider nicht gesehen und vielfach unterschätzt. Das ist zwar verständlich, wenn man im sozialen Bereich nicht „beheimatet“ ist, dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Wirtschaft mehr beitragen kann. 

    Wie kann die Wirtschaft mehr beitragen?

    Viele große Unternehmen haben unter Umständen Bereiche, die sie an Unternehmen wie das unsere auslagern könnten. Wir leisten qualitativ gleichwertige Arbeit und kontrollieren das Ergebnis am Ende. Es geht hier auch nicht rein um das Finanzielle, sondern um die Zusammenarbeit zwischen großen Unternehmen und uns.

    „Ich war selbst erstaunt darüber, wie viel diese Leute leisten können und wie gute Arbeiter sie sind“ – Dietmar Larcher

    Viele ihrer Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen sind nur vorübergehend bei Ihnen?

    Ja, nicht alle Arbeiter bleiben fix bei uns, aber einige schon. Teilweise haben die Personen nicht die Voraussetzung für eine Eingliederung in den freien Arbeitsmarkt. Andere wiederum sind bei uns einfach sehr zufrieden und wollen nicht weggehen. Bei uns bekommen die Beeinträchtigten erste Arbeitserfahrungen in einem Umfeld, das sehr dem einer normalen Arbeit ähnelt – allerdings im geschützten, begleiteten Raum. Diese Inklusions-Vorbereitung ist sehr wichtig.

    Wieso?

    Inklusion ist in aller Munde, aber eigentlich ist sie sehr komplex. Ein Standort- oder ein Arbeitswechsel mag für uns einfach wirken, für eine Person mit Beeinträchtigung ist das jedoch ein Riesenschritt. Dafür muss man sie begleiten und trainieren. Wir bieten zum Beispiel auch Arbeitstrainings in Betrieben an.

    Wie geht das vonstatten?

    Betriebe können sich an uns wenden, wenn sie einen Mitarbeiter mit Beeinträchtigung aufnehmen wollen. Das heißt, unser Mitarbeiter wird auf die neue Stelle vorbereitet und kann dort ohne Druck beginnen – falls es nicht klappt, kann er zu uns zurück. Das Problem am Wechsel ist, dass Personen mit Beeinträchtigungen oft Bezugspersonen und Ansprechpartner benötigen. Wir können es uns jedoch nicht leisten, die Personen wochenlang in den neuen Arbeitsstätten zu begleiten, diese Ressourcen haben wir nicht. Generell ist der Vorgang, Personen mit Beeinträchtigungen in neue Arbeitsplätze einzugliedern, sehr komplex und schwierig. Ich erhoffe mir hierbei auch einen Eingriff vonseiten der Politik.

    Inwiefern?

    Laut Gesetz müssen in Südtirol Unternehmen pro 15 Mitarbeiter einen Mitarbeiter mit Beeinträchtigung einstellen, sonst muss man Strafe zahlen. Es wäre erstrebenswert, dass es in eine Richtung geht wie in anderen Regionen, in denen ein Unternehmen Aufträge an Sozialgenossenschaften wie die unsere erteilen kann, um diese Quote zu erfüllen. Das würde uns auch helfen, weil wir so mehr Aufträge bekommen und immer genügend Beschäftigung für unsere Mitarbeiter haben

    „Wir sind kein Bastelladen! Wir sind ein Kleinunternehmen, das vollwertige Arbeit leistet, die auch gefragt ist und geschätzt wird.“ – Dietmar Larcher

    Wer kauft bei Ihnen ein?

    Das hängt ganz vom Betrieb ab. Die Produkte aus der Holzwerkstatt sind auf unserer Homepage illustriert und werden oft auch von Einzelpersonen gekauft. In den größeren Produktionsstätten hingegen erledigen wir vor allem Aufträge von größeren Kunden wie zum Beispiel der Alpitronic, Hoppe, WATTS oder Loacker. Wir arbeiten darauf hin, in Zukunft mit mehr Firmen eine Partnerschaft einzugehen, in der Hoffnung, dass diese die positive Zusammenarbeit mit uns teilen und wir somit bekannter werden.

    Inwiefern ist es Ihrer Meinung nach wichtig, Menschen mit Beeinträchtigungen solche Gelegenheiten zu bieten?

    Das ist meiner Meinung nach extrem wichtig. Wenn man gewisse Schicksale sieht, gewisse Lebensumstände, dann beginnt man erst richtig, darüber nachzudenken. Diese Leute sind oft so positiv– und so auch ihre Arbeitsmoral. Natürlich gibt es Menschen mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung, bei denen die Begleiter entsprechend agieren und helfen müssen, aber deswegen sind diese Leute ja auch bei uns. Hier arbeiten sie betreut, begleitet. Der Job, den wir ihnen bieten, hat einen großen Wert für sie. Viele finden sonst keine Arbeit, haben keine Beschäftigung, teilweise nicht mal ein eigenes Netzwerk, das sie bei ihrer Beeinträchtigung unterstützt. Dafür sind wir da, ihnen eine Chance zu bieten, als vollwertiger Mitarbeiter einen Anteil zu leisten. 

    Ein Beitrag von Nathanael Peterlini