Società | Gewalt

Mutige Frauen

Immer mehr Fälle von Gewalt an Frauen werden in Bozen zur Anzeige gebracht. Häufig keine Aussicht auf Entkommen. Schutz und Sicherheit oberste Priorität.

In der aktuellen Debatte um Jugend-, Ausländer- oder öffentlich zur Schau gestellter Gewalt, wird häufig übersehen, dass ein Großteil der Gewaltdelikte dort passieren, wo sie niemand sieht. Auch zu Hause – dort, wo sich frau und man eigentlich sicher fühlen sollte. In Bozen werden immer mehr Fälle von Gewalt an Frauen zur Anzeige gebracht. Das geht aus den Daten der Beobachtungsstelle gegen Gewalt an Frauen hervor, die von der Stadt Bozen kürzlich veröffentlicht worden sind. Um die 150 Frauen haben sich demnach 2014 an einen der Dienste des Netzwerks für Frauen in Gewaltsituationen gewendet.


Was die Daten belegen

Die Zahlen zeigen, dass es sich in den meisten Fällen um Frauen handelt, die in Bozen wohnhaft sind, zwischen 30 und 45 alt, sowie in Besitz eines mittleren Bildungsabschlusses. Häufig sind es Frauen aus Osteuropa, die sich bei den Behörden melden. Bei 76 Prozent der zur Anzeige gebrachten Fälle handelt es sich um häusliche Gewalt, 11 Prozent sind Stalking-Fälle, 7 Prozent gelegentliche Übergriffe beziehungsweise sexuelle Ausbeutung oder Ausbeutung am Arbeitsplatz. Die Täter sind in den meisten Fällen Ehe- (52 Prozent) oder Ex-Partner (21 Prozent). 17 Prozent der Täter kommen aus dem Verwandtenkreis. Immer häufiger handelt es sich bei den Tätern um jüngere, zwischen 30 und 40 Jahre alte Männer. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die meisten Aggressoren (49 Prozent) haben keine auffälligen Probleme. Ein Fünftel der Täter hat Alkoholprobleme, jeweils ein Zehntel Drogen- oder soziale Probleme und ein Prozent schließlich ist psychiatrisch belastet.


Schutz und Sicherheit hat oberste Priorität

Maura Misiti ist Forscherin beim Istituto di ricerche sulla popolazione e le politiche sociali in Rom. Sie hat die Studie betreut und berichtet im Gespräch mit dem Corriere dell’Alto Adige: “Dass in Bozen und in Südtirol insgesamt überdurschnittlich oft Anzeige erstattet wird, zeigt, dass die Frauen hier ein größeres Vertrauen in die Justiz und die Aussicht auf ein Entkommen aus der Gewalt haben.”  Die wahre Herausforderung sei es, die Frauen nach der Anzeige in Schutz zu nehmen. Denn allzu häufig würden sich die Täter nicht von ihren Opfern entfernen, sondern zu noch aggressiveren Mitteln greifen. Dass eine Anzeige in gewissen Fällen gleichbedeutend mit dem Todesurteil für die Frau sein kann, zeigt der Fall von Carmela Morlino. Sie war am 12. März von ihrem Ehemann Marco Quarta erstochen worden, nach dem dieser ein gegen ihn erwirktes Annäherungsverbot gebrochen hat. Auch wenn Quarta wie berichtet am Donnerstag verhaftet worden ist, die Frage bleibt doch: Hätte Carmela besser geschützt werden und ihr Tod verhindert werden können?

In Südtirol finden Frauen Hilfe bei rund dreißig Institutionen und Organisationen im Rahmen des Netzwerks gegen Gewalt an Frauen. Am Freitag Vormittag wurde im Bozner Rathaus das Einvernehmensprotokoll für das Projekt ERIKA unterzeichnet, welches genau festlegt, wer was unternimmt, wenn Frauen in Gewaltsituationen vorstellig werden. Auch in der Notaufnahme des Krankenhauses soll den Frauen rasch und kompetent geholfen werden. "In Bozen genügt es, wenn Frauen das Codewort Erika benutzen, und sie werden sofort aufgenommen", erklärt Mario La Guardia, der Primar der Ersten Hilfe, "um zu vermeiden, dass sie in der Notaufnahme warten müssen und eventuell vom Gewalttäterem erreicht werden können."

Den vollständigen Bericht der Beobachtungsstelle finden Sie hier.

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Michael Bockhorni Dom, 03/22/2015 - 11:20

die sensibilisierung für das thema häusliche gewalt ist wichtig, ebenso wie die hilfe für die opfer. allerdings bitte ohne statistische vermischungen. die meiste gewalt wird außerhäuslich verübt (sie z.b. polizeistatistik schweiz http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/19/04/06.html#parsys…) und die opfer sind männlich. ich weiß auch nicht wie aussagekräftig veränderungen unter 10% bei einer stichprobe von 150 sind. ich denke hinter jeder gewalttat stehen (soziale, persönliche) probleme, welche unadäquat "gelöst" werden. um zu verhindern, dass opfer nach einer anzeige mit stärkerer aggression konfrontiert werden ist neben des angebotes von schutz für die opfer auch ein angebot für täter notwendig sowie die klärung von möglicherweise ungerechtfertigten anschuldigungen. das beispiel des frauenhauses in brixen ist hier vorbildlich, männer finden hier beim sozialsprengel einen entsprechend geschulten ansprechpartner. so ein dienst bzw. kooperation sollte es bei allen frauenhäusern und geschützten wohunungen in südtirol geben. ebenso wie einen dienst für männliche opfer wie z.b. in stuttgart (http://www.sozialberatung-stuttgart.de/gewaltschutz-maenner.php)

Dom, 03/22/2015 - 11:20 Collegamento permanente