Cultura | Salto Afternoon

Visionen einer weiblicheren Welt

Daria Akimenko widmet sich in „Otherworldly Women“ Frauenbildern, in Natur, reduzierter Nacktheit und auch in Beziehung zur Macht. Sie sind schlafende Riesinnen.
Otherworldly Women
Foto: Davide Stani
Das Gros der Leiferer Ausstellungen machen Überzeichnungen von Landschaftsfotografien, Naturgewalten, Postkarten und Kaffeeflecken aus. Kuratiert hat die Schau übrigens eine beim Trägerverein „lasecondaluna“ noch nicht in Erscheinung getretene, neue Akteurin, Margherita Cestari. Die Überzeichnungen mit Filzstift sind Fortführung eines Moments der Pareidolie, dem Erkennen menschlicher Formen oder Gesichter in leblosen Objekten, vielleicht auch ein wenig im Sinne der theologischen Verwendung des Begriffs als „Götzenbild“: Die Frauen mit sanftem Lächeln und verschlossenen Augen haben etwas von einer Mythologie, die eher einer ladinischen Künstlerin zugeschriebenen, als einer aus einem internationalen Kontext stammenden. Vorzeitlich betrachtet haben sie jedoch etwas Universelles und weisen auf global aufzuspürende Verehrungen des Weiblichen, Mütterlichen hin. In der Gegenwart fällt es schwer sie nicht als Aufruf zur Rückbesinnung auf vorpatriarchale Zeiten zu lesen, da das Patriarchat in Worten Eingang findet.
Die vielsprachige Künstlerin, Designerin und Kuratorin Daria Akimenko, seit 2014 in Südtirol aktiv und gebürtig aus Sverdlovsk (ehemalige Sowjetunion), fügt in ihre Werke und den sie umgebenden Raum englischsprachige Satzfragmente ein, welche sich zu poetischen Collagen zusammenfügen. Diese sind mehr oder weniger nebulös, bedingen aber in der Regel eine größere Annäherung zu den vielen, kleinformatigen Werken, etwa zu einem postkartengroßen Fingerzeig auf Ex-Kanzlerin Merkel, sie ist von der Augenpartie aufwärts zu sehen, der Blick unter Schlupflidern gesenkt oder verschlossen. Einmal eine andere Reduktion auf Wesentliche, statt der vielzitierten Merkel-Raute. Über dem angeschnittenen Haupt schwebt der Satz „I wear my skirt on my head and you come in wearing nothing“ im Blau.
 
 
Politisch auch die starke Frau, welche wir im Nebenraum sehen. Sie wäre es auch ohne dass das Wort „Politics“ unter dem Bilderrahmen steht, wir sehen sie, mit halbem Blick über die Schulter ihre Muskeln spielen lassen, mit schwarzen Konturen auf Weiß angedeutet, bis auf ihr Blau-Gelbes Haar. Dazwischen wird nicht etwa nur das Schlankheitsideal aus Werbung und (Sozial-)Medien mit Körpern kontrastiert, welche durch ihre Größe und Haltung sowohl Macht als auch Selbstbewusstsein ausstrahlen, aber gerade diese Darstellung bietet uns Bilder, die trotz ihrer Fiktionalität näher am Leben sind. Zu sehen ist das auch bei einer einige Minuten andauernden Projektion, für welche auf Nachfrage der Ausstellungsraum kurz verdunkelt wird. Der Beamer gibt anbei ausgestellte Dias, sowie kurze Videos wieder, inklusive sanfter Pianomusik und Bildwechselgeräusch eines analogen Projektors.
Auch öffnen sich immer wieder Perspektiven der Verletzlichkeit, nicht nur in der Nacktheit, sondern auch durch das Setzen roter Farbakzente die mal Menstruation als natürlichen Teil der weiblichen Wirklichkeit sichtbar machen, mal an Wunden erinnern. Diese Offenheit ist allerdings wieder Stärke.
 
 
Auch werden wir uns, aufgerufen durch die Collagen ein- oder angefügten Sätze als männlicher oder weibliche Betrachter:in der Ausstellung unserer eigenen Position im System bewusst und reflektieren diese. Es stellt sich einem etwa die Frage „how are you, when you wake up?“ Ich möchte sie weiterdenken und mich fragen, wie es diesen Riesinnen geht, wenn sie in dieser unserer Welt erwachen.
 

Kleiner Ausblick

 
Vor Ort traf ich Michele Fucich an, den Kurator der kommenden Ausstellung, welcher mir vorab einen kleinen Ausblick gab, welchen ich hier in seinen Grundzügen wiedergeben möchte.
Die nächste Ausstellung, derzeit in Ausarbeitung, wird unter dem Titel „Archituctral Fragments“ Positionen zur Architekturfotografie im weitesten Sinne von vier Künstler:innen zeigen. Fucich sah in den letzten 10 Jahren einen Trend weg von großem, globalem Arbeiten, hin zu Fragmentarischem.
Valentina Casalini (’87, Trient) lebt zwischen Mailand und Trient, hat aber auch etwa nach London geblickt und sich bereits in ihren Werken mit Kindheitsorten befasst, welche sie verzerrt: „Die urbanen Räume lichtet sie ab wie Innenräume, die Innenräume, als wären sie urbane Räume“, berichtete der Kurator.
Unveröffentlichte Arbeiten zeigt Davide Grotta (’83, Palermo), in  welchen er über das Medium Plasma-Bildschirm Ausschnitte von historischen Fußballspielen wählt.“Gefiltert durch den Bildschirm und die Kamera sind diese auf einer Ebene der Abstraktion zu sehen, die das Geschehen verzerrt. Es ist wieder eine Reflexion über das Erinnern, aber auch über gemeinschaftliche Vorurteile.“
Novella Oliana (’78, Trani), befasst sich, auf nicht naturalistische Weise, mit dem Mittelmeer, durch Druck, Nachbearbeitung und künstlerische Interventionen verzerrt. „Es wird natürlich auch eine Reflexion über das Mittelmeer als Symbol und politischen Ort geben.“
Die Beiträge von Davide Perbellini (’90, Meran), beschäftigen sich voraussichtlich mit Berg-Fragmenten, Wegkreuzen und Madonnen-Darstellungen aus Neapel. „Das sind Fragmente, die natürlich auf soziale und physische Kontexte hinweisen, die größer sind“.