Wenn die Minderheit entscheidet
Bringt das Pfingstwochenende Sonne und Wolken oder ähnlich regnerische Tage wie den heutigen Mittwoch? Wie immer vor Feiertagen ist die Frage nach dem Wetter von allgemeinem Interesse. Besonders interessiert sie aber in den drei Gemeinden Bozen, Meran und Leifers. Denn der Wettergott wird wohl auch über das Schicksal der dort zur Wahl stehenden Bürgermeisterkandidaten mitbestimmen. „Schauen wir mal, wie die Wetterlage ist“, antwortet demnach auch der bereits ausgeschiedene Leiferer Bürgermeisterkandidat und bisherige Assessor Giovanni Seppi, wenn er danach gefragt wird, ob seine WählerInnen am Pfingstsonntag überhaupt zur Wahlurne gehen werden. Die Angst vor dem astensionismo, der Stimmenthaltung, ist allgegenwärtig vor diesem Stichwahl-Wochenende. Besonders groß ist sie aber für die deutschsprachigen WählerInnen in Leifers.
28,5 Prozent der 17.555 Einwohner in der Unterlandler Großgemeinde haben sich bei der letzten Volkszählung als deutschsprachig erklärt. 1533 von ihnen, das sind knapp 21 Prozent der Wahlberechtigten, haben am 10. Mai ihre Stimme der Südtiroler Volkspartei geschenkt. Doch was passiert mit diesen Stimmen? Vor allem nachdem sich ihre Empfängerin von der erbitterten Wahlschlacht zwischen der bisherigen Bürgermeisterin Liliana di Fede und ihrem Herausforderer Christian Bianchi distanziert hat und keine Wahlempfehlung abgibt? Gerade einmal vier Prozentpunkte trennen die beiden politischen Kontrahenten – und ihr Verhalten der vergangenen Tage lässt darauf schließen, dass beim knappen Rennen gerade die deutschsprachigen Stimmen ausschlaggebend werden können. Während die Bürgermeisterin die Sozialen Netzwerke mit Fotos speist, die sie gemeinsam mit dem alten und dem neuen Landeshauptmann, der mächtigsten SVP-Landesrätin Martha Stocker oder mit Dirndl-Trägerinnen zeigen, bohrt Christian Bianchi kräftig in den Wunden, die die Blockfreiheit ihres bisherigen Regierungspartners hinterlassen hat. „Das ist noch nie passiert“, freute sich der Mitte-rechts-Kandidat angesichts des Laufpasses, den die Volkspartei ausgerechnet der Landessekretärin des PD versetzte. „Das heißt, dass die Bürgermeisterin in den vergangenen fünf Jahren die Erwartungen der deutschsprachigen Bevölkerung enttäuscht hat.“
Keine Angst vor der Lega?
So etwas würde man aus dem Munde von Liliana di Fedes bisherigem Regierungskollegen nie hören. Denn Giovanni Seppi hält die selbst deklarierte Blockfreiheit so hoch, dass ihm nur schwerlich mehr als neutrale Aussagen zu beiden Kandidaten zu entlocken sind. Fest steht aber auch für ihn, dass die Befürchtung eines Wählerschwunds auf deutscher Seite auch über die Feiertagsproblematik hinaus berechtigt ist. „Ich vermute, dass einige SVP-Wähler sich mit keinem der beiden Kandidaten identifizieren können und auch deshalb nicht zur Wahl gehen“, sagt er. In welche Richtung die verbleibenden WählerInnen tendieren, kann aber auch er schwer einschätzen. „Beide Kandidaten haben eine grundverschiedene Auffassung, wie eine öffentliche Verwaltung arbeiten soll“, sagt Seppi. „Die aktuelle Bürgermeisterin tendiert stärker in Richtung Soziales und Vereinswesen, Christian Bianchi kommt dagegen aus der Wirtschaft und will die Gemeinde wie einen Betrieb führen.“ In der SVP-Wählerschaft würden sich deshalb sicher Anhänger beider Richtungen finden.
Wer auch immer – nicht zuletzt dank ihrer Stimmen - das Rennen machen wird, wird danach ohnehin gleich wieder bei der Volkspartei anklopfen müssen. Denn sowohl Mitte-Links wie auch Mitte-Rechts brauchen die Mandate der zweitstärksten Partei, um eine Mehrheit zusammenzubringen. Da hilft auch in Christina Bianchis Lager nicht, dass Bündnispartner Lega Nord gegenüber 2010 seinen Stimmanteil fast verdreifacht hat. Doch wie blickt eine Volkspartei der möglichen Aussicht entgegen, künftig gemeinsam mit der Lega zu regieren – noch dazu aufgrund des schlechten Wahlergebnisses mit nur mehr einem statt wie bisher zwei Sitzen im Ausschuss? „Sicher sind so einige Slogans von Lega-Vertretern von der SVP schwer anzunehmen“, sagt Giovanni Seppi. „Doch die Vertretung der Lega Nord gehört zu den Themen, die nach dem Sonntag Abend zu besprechen sein werden.“
72,7 Prozent der Leiferer WählerInnen gaben 2010 im ersten Wahlgang ihre Stimme ab – 55,4% waren es im zweiten Wahlgang. Diesmal ist die Wahlbeteiligung schon beim ersten Anlauf auf 64,8 Prozent zurückgegangen. Um wie viel wird sie am Pfingstsonntag einbrechen? Verlässliche Antworten kommen dazu derzeit noch nicht einmal vom Wetterdienst des Landes: „Am Pfingstsonntag gibt es voraussichtlich eine Mischung aus Sonne und Wolken, dazu bleibt es meist trocken. Recht sonniges Wetter dürfte sich am Pfingstmontag einstellen, die Prognose ist aber noch unsicher.“ Und das nicht nur beim Wetter.