"Oft bin ich immer noch schockiert"
Ihr großes Steckenpferd war seit jeher die Geschichte, ihr Interesse gilt den großen Zusammenhängen. Was ist ausschlaggebend für menschliche Entscheidungen, was führte zu historischen Zäsuren wie der Teilung des Ost- und Weströmischen Reiches, die unsere Entwicklung über Jahrhunderte hinweg beeinflusst haben: das sind Fragen, für die Sonja Anna Plank brennt. Seit Herbst 2020 hat sie dafür allerdings nur mehr wenig Zeit. Die nehmen nun vor allem die politischen Geschicke der Burggräfler Gemeinde Hafling in Anspruch, die die 37-jährige Mittelschullehrerin als eine von 13 Südtiroler Bürgermeisterinnen lenkt.
Ein politisches Amt, in das sie mehr durch eine Reihe von Zufällen oder glücklichen Fügungen hineingewachsen ist. Allen voran den Vorschlag des 2010 scheidenden Bürgermeisters Josef Reiterer, für den Haflinger Gemeinderat zu kandidieren. Die damals 25-Jährige, die gerade ihr Geschichtsstudium abgeschlossen hatte, sagte ohne große Erwartungen zu – und wurde auf Anhieb gewählt. Auf die anfängliche Ernüchterung, dass sich Gemeindepolitik damals in Hafling vor allem um die Ausweisung von Tourismuszonen drehte, folgte schon bald eine Aufgabe, für die sie brannte: das Engagement für die Jugend. Plank unterstützte bei der Einrichtung eines Nightliners, sorgte für einen fixen Jugendtreff im Dorf und erhielt bei den nächsten Wahlen im Jahr 2015 so viele Stimmen, dass sie als Zweitgereihte ganz ohne Frauenquote in den Ausschuss berufen werden musste. Fünf Jahre später stieg sie zur ersten Frau im Dorf auf. Wie sieht der Arbeitsalltag in einem Südtiroler Rathaus aus, wie spannend oder frustrierend ist das Amt einer Bürgermeisterin? Eine ehrliche Zwischenbilanz einer SVP-Exponentin, die sich selbst bis heute nicht als typische Politikerin definiert.
Salto.bz: Frau Plank, Sie haben unlängst in einem Tweet geschrieben: “Werwolf-Spielen mit meinen Kids: Selten habe ich so gelacht. Seit ich Bürgermeisterin bin eigentlich nie mehr“. Kann man daraus schließen, dass einer Bürgermeisterin das Lachen vergeht?
Sonja Plank: In den Gemeinden gibt es zur Zeit wirklich nicht viel zu lachen. Aber ich muss schon sagen, dass ich bei diesem Spiel mit meinen Schüler:innen tatsächlich unheimlich Spaß hatte. Und es sicher umso mehr genossen habe, weil ich meinen Beruf als Mittelschullehrerin aufgrund meines politischen Amts sehr hinten anstellen muss.
Sie nehmen eine Freistellung aufgrund eines politischen Mandats in Anspruch…
Genau. Und damit bleiben mir nur noch 30 bis 40% meiner ursprünglichen Unterrichtszeit. So fällt leider vieles weg, das den Beruf für mich ausmacht. Ich hatte in den letzten eineinhalb Jahren einfach wenig Zeit, mich richtig auf die Schüler:innen einzulassen, in die Analyse zu gehen. Und wenn ich nach einer Unterrichtsstunde mein Handy einschalte, habe ich schon wieder drei versäumte Anrufe. Meine Schüler*innen, ihre Eltern, sie melden mir zwar alle zurück, dass alles passt. Aber ich fühle mich schon ein wenig zerrissen.
Warum tun Sie sich diese Doppelbelastung überhaupt an?
Weil ich das Unterrichten liebe, weil es mich unglaublich erdet, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Dieser Beruf fordert dich so, dass er dich auf den Boden der Tatsachen zurückbringt. Außerdem hätte ich Angst, den Anschluss zu verlieren. Ich bin jetzt 37, wenn ich drei Amtszeiten machen würde und komplett aussteigen würde, wäre das einfach viel zu lang. Jugendliche verändern sich, da muss man schon dranbleiben. Und außerdem gibt ein Amt als Bürgermeisterin finanziell nicht viel her.
Weniger als das einer Mittelschullehrerin?
Ja, in einer kleinen Gemeinde mit 800 Einwohner*innen wie Hafling verdient man als Mittelschullehrerin mehr als die Bürgermeisterin. Dabei habe ich als Bürgermeisterin die Verantwortung für 800 Menschen, als Lehrerin derzeit für eine Klasse mit rund 20 Jugendlichen. Das steht echt in keinem Verhältnis.
Wieviel verdient die Bürgermeisterin von Hafling also in Zahlen?
Netto in etwa 1900 Euro im Monat. Damit würde sich kein Manager abspeisen lassen. Klar, in größeren Gemeinden steigt die Summe dann etwas. Doch viele meiner Kolleg:innen sind auch Freiberufler:innen, die müssen sich selber versichern und Renten einzahlen, und dann bleibt am Ende doch ein recht bescheidender Lohn für einen solchen Job.
Der in Ihrem Fall weit mehr als ein Dutzend Zuständigkeiten umfasst – von der öffentlichen Sicherheit, Zivilschutz, Raumordnung oder Finanzen bis hin zu Gesundheitswesen und Sozialem, Kinderspielplätzen oder dem Friedhof.
Ja, das ist aber auch gerade das Schöne am Bürgermeisterdasein. Ich empfinde es immer wieder als eine Bereicherung, für alles verantwortlich zu sein. Aber man ist es halt auch immer und ständig, 24 Stunden lang.
Und hat dabei nicht viel zu lachen, wie Sie eingangs meinten. Was verdirbt also die Laune?
Für die größte Frustration in der Gemeindepolitik sorgen die vielen gesetzlichen Unsicherheiten, allen voran im Zusammenhang mit dem Landesraumordnungsgesetz. Ohne auf Details einzugehen, kann ich nur sagen, dass es eine extreme Unsicherheit auf allen Seiten geschaffen hat. Einerseits bei den Antragsteller:innen, denen wir viel zu oft sagen müssen: das geht derzeit leider nicht. Denn einmal fehlt eine Richtlinie, einmal die Durchführungsbestimmung, kurzum: vieles ist einfach nicht ausgereift. Andererseits ist diese Verunsicherung auch bei den Beamt:innen spürbar. Mittlerweile hat es sich ein wenig beruhigt, doch zu Beginn habe ich oft gedacht, unsere Mitarbeiter:innen sind am Limit, die können das nicht mehr stemmen, denn sie werden von allen Seiten bombardiert und sollten Antworten liefern, die sie einfach nicht haben. Dasselbe gilt für die Techniker*innen … Wir haben das Ganze teilweise eine große Selbsthilfegruppe genannt, wenn wir alle nur mehr kopfschüttelnd um einem Tisch gesessen sind.
Geht es da vielleicht nicht einfach darum, eine Umstellungsphase zu meistern?
Nein, das Ganze steht rechtlich einfach nicht auf sicheren Beinen, wir haben hier Rechtsunsicherheit und das frustriert. Auch wenn wir uns alle langsam an den Frust gewöhnen, aber das ist noch erschreckender. Es kommen dann schon wieder Klarstellungen, aber eben nur tröpfchenweise. Und so ist alles ein ewiges Warten, ein ewiges Nicht-Wissen. Und das in einer Zeit, in der die Verunsicherung ohnehin schon groß ist.
Warum?
Weil wir auf der einen Seite Landesgesetze haben, die nicht ausgereift oder auch veraltet und nicht mehr anwendbar sind wie beispielsweise das Wohnbaugesetz. Und auf der anderen Seite haben wir ein Klima, in dem es immer öfter heißt: Wenn ich nicht bekomme, was ich will, verklage ich Euch gleich einmal alle. Und das spielt sich nicht nur zwischen Bürger:innen und Gemeinde ab, sondern immer öfter auch unter den Bürger:innen selbst. In der Nachbarschaft wird viel mehr geschaut, was der andere macht und dann entstehen Konflikte. Wir haben eine sehr starke Neidgesellschaft mittlerweile. Mir fällt wirklich auf, dass das vehement zugenommen hat.
Die Freiheit im Denken und im Äußern der eigenen Meinung sollten wir uns nicht nehmen lassen. Es geht ja auch nicht darum, jemanden zu beleidigen, sondern Umstände anzuprangern, die man ändern möchte.
Die Folge: auch Bürgermeister:innen landen häufiger vor dem Kadi?
Ich muss sagen, ich kannte als Privatperson Rechtsanwält:innen oder Gerichte nur aus der Ferne, doch nun sind sie fixer Bestandteil meines Amtsalltags. Ich bin zwar nicht so betroffen wie einige Kolleg:innen, die dann ins Ermittlungsregister eingetragen werden, weil irgendeine Baustelle nicht abgesichert war oder was auch immer. Aber trotzdem belasten die diversen Verfahren, die auch eine Gemeinde wie Hafling laufen hat. Genauso wie die Tatsache, immer das Damoklesschwert des Rechnungshofs über sich zu spüren. Ich habe in meiner kleinen Gemeinde zwar keine großen Befürchtungen diesbezüglich. Und dennoch geistert halt bei jeder Entscheidung der Zweifel mit.
Was bringen solche Zweifel mit sich?
Ich würde die Frage gerne umformulieren: Was bringt diese extrem starke und strikte Reglementierung mit sich, die wir in allen Lebensbereichen haben? Was bringt eine Gesetzgebung mit sich, die auf Misstrauen aufbaut, die davon ausgeht, dass mein Gegenüber ein Bösewicht ist und nichts Gutes im Sinn hat?
Und, was bringt all das mit sich?
Dass beispielsweise so gut wie keine Innovation zugelassen wird. Denn mit so einer Haltung ist man natürlich auch misstrauisch gegenüber allem, das neu, das anders gemacht wird. Ich habe mir zum Beispiel gerade ein partizipativ erarbeitetes Projekt in Österreich angeschaut, mit dem eine sogenannte Begegnungszone geschaffen wurde. Das sieht man dort immer häufiger in Ortskernen, das sind Zonen, in denen jeder Verkehrsteilnehmer gleichberechtig ist – ganz nach der Grundregel: wir achten aufeinander. So etwas lässt unser Straßenkodex nicht zu! Wenn ich mit meinen Schüler:innen den Schulhof umgestalte, dürfen die nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen. Oder: Jemand hat ein Konzept, seinen gesamten Haushalt energieautark zu gestalten und dann heißt es: das darfst du nicht. Es gibt immer nur ein bestimmtes Maß, das erlaubt ist. Obwohl wir gleichzeitig immer die Nachhaltigkeit predigen.
Was also brauchen Gemeindepolitiker:innen, damit sie mehr Freude an ihrer Aufgabe haben?
Sie brauchen mehr Spielräume. Sie brauchen Rahmenbedingungen, die ihnen erlauben, auch einmal selber zu entscheiden, innovativ zu sein und vielleicht auch einmal über eine Grenze hinauszugehen. Diese berühmte Autonomie der Gemeinden, über die immer gesprochen wird, war für mich zumindest in diesen eineinhalb Jahren nicht spürbar. Denn ich muss bei 99% meiner Entscheidungen nachfragen: darf ich das überhaupt machen?
Ist daran immer nur das „böse Rom“ schuld oder trägt die Landespolitik auch ihr Scherflein dazu bei?
Also zum bösen Rom, wenn wir es so nennen wollen, kommt schon die deutsche Mentalität in Bozen dazu. Denn die Auslegung der römischen Gesetze erfolgt bei uns in Südtirol schon ganz strikt. Und es ist generell nicht immer nur Rom, auch wir in Südtirol setzen gerade im Hinblick auf das Ehrenamt häufig noch eigene Regelungen, die das Ganze dann richtig kompliziert machen. Ich würde mir einfach einen Paradigmenwechsel in der Gesetzgebung wünschen: Warum gehen wir nicht einfach einmal davon aus, dass die meisten Menschen schlicht und einfach nur ihr Leben leben wollen, ihre Grundbedürfnisse wie Wohnen, Arbeiten oder Essen befriedigen wollen? Dass sie nichts Böses im Schild führen oder gleich korrupt werden, weil ein Gesetz einmal ein wenig mehr Spielraum lässt? Ich wünsche mir einfach ein bisschen mehr Vertrauen in die Menschen. Wir ersticken jegliche Kreativität, wenn wir versuchen, sie in Bahnen zu lenken.
Es gibt immer Gruppen oder Menschen, die aktiv die Nähe zur Politik suchen, während andere sich kein Gehör verschaffen. Und dann kann ich als Politikerin auch eine ganz verzerrte Wahrnehmung bekommen, was da draußen eigentlich Thema ist.
Was hat all das mit der Sonja Anna Plank gemacht, die im Herbst 2020 voller Elan ihr Bürgermeisterinnenamt angetreten ist?
Sagen wir so: Ich bin die öffentliche Verwaltung als Lehrerin ja schon gewohnt gewesen. Gerade der Schulbetrieb ist sowieso das Paradeexemplar für ein System, das sich in keinerlei Richtung bzw. nur in ganz kleinen Schritten bewegen lässt. Aber dennoch bin ich nach wie vor schockiert über gewisse Abläufe. Wenn ich beginne, darüber nachzudenken, denke ich mir: das kann es doch nicht sein! Das kann doch nicht sein, dass man Dinge so gestaltet, dass man Menschen nicht arbeiten, denken, planen lässt. Und dann nehme ich auch einen Stillstand in unserer Gesellschaft wahr. Ich meine das nicht im wirtschaftlichen Sinne, von höher, weiter, schneller. Doch ich sehe eine gewisse Perspektivenlosigkeit. Die Pandemie hat uns sowieso den Rest jeglicher Leichtigkeit genommen, aber das war auch vorher schon so spürbar: die Menschen sind so unter Druck, jeder will irgendwohin, etwas erreichen und doch ist dann keiner zufrieden damit. Es fehlt die Perspektive, wie wir aus dem ausbrechen, wie wir Dinge anders machen können. Ich nehme wirklich eine sehr negative und sehr belastende gesellschaftliche Stimmung wahr.
Was würden Sie als Bürgermeister machen, wenn Sie weniger Regeln und mehr Autonomie hätten?
Als erstes fällt mir dazu das Thema Energieeffizienz ein, weil das gerade sehr aktuell ist. Wir überlegen ständig, was wir in diese Richtung machen könnten, von Wasserkraft bis Photovoltaik. Also: Wenn ich eine Handhabe über meinen Haushalt und volle Zuständigkeit für manche Dinge wie eben auch die Finanzen hätte und nicht all diese Reglements und langwierigen Planungsschritte hätte, würde ich sicher den Ausbau einer Kreislaufwirtschaft im Bereich Energieeffizienz forcieren. Angefangen bei Energiegemeinschaften bis hin zum Ziel energieautarke Gemeinde.
Und was hindert sie konkret daran, das auch umzusetzen?
Man plant, man versucht Kooperationen zu finden, technische Büros zu engagieren. Doch alles geht nur in ganz kleinen Schritten, es fehlen die Gelder, es fehlt vielleicht teils auch an der Expertise, wie man das alles technisch stemmen könnte. Im Bereich der Nachhaltigkeit stehen wir generell vor dem Problem, dass es nicht viel bringt, immer davon zu reden, was wir alles tun könnten, wenn die Förderungen dafür viel zu gering sind. Da fehlen einfach die Anreize, um es wirklich durchzuziehen.
Das klingt recht demotivierend – und nach viel langem Atem …
Das ist ja auch einer der Gründe, warum Politik so schwer vermittelbar ist. Alles dauert einfach ewig. Darum engagieren sich junge Leute auch kaum mehr in der Politik, weil man hier wirklich unheimlich viel langen Atem braucht.
Und wie sehen das Ihre Kolleg:innen in der Gemeindepolitik? Gibt es ein gemeinsames Leiden oder ist das eher Ihr persönliches Thema?
Ich denke schon, dass es vielen meiner Kolleg:innen ähnlich geht. Was aber unglaublich gefährlich ist: man gewöhnt sich offenbar daran. Also, ich bin nach eineinhalb Jahren immer noch schockiert, doch sehen wir mal, ob das in 5 Jahren auch noch so ist. Doch ich hoffe es nicht, weil das ist effektiv ein Umstand, der ganz viele negative Folgen mit sich zieht. Und das ist schade, denn ich bin davon überzeugt, dass Politik an und für sich etwas Schönes ist.
Bereuen Sie es heute, das Bürgermeisterinnenamt übernommen zu haben?
Nein, absolut nicht. Es gibt auch viele wunderbare Seiten meines Jobs. Allem voran, dass ich so nahe bei den Menschen bin, auch Stimmungen so gut mitbekomme. In der Gemeinde begleiten wir die Menschen tatsächlich durch viele Lebenssituationen hindurch, von der Geburtsurkunde bis zur Sterbeurkunde, von der Heirat und Scheidung bis zum Hausbau oder Umzug ins Ausland. Was ich auch als sehr beglückend empfinde, ist die Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt, mit Vereinen, die gerade bei uns in Südtirol so viele gesellschaftliche Aufgaben übernehmen und wo immer noch so viel Begeisterung zu erleben ist. Also, wenn man Menschen mag und gerne mit Menschen zusammen ist, kann man als Bürgermeisterin auch viel für sich herausholen.
Sie haben ja auf Twitter einmal scherzhaft angekündigt, wie Ihr nächstes Buch heißen soll: „Weil i di grot siech… Aus dem Alltag einer Bürgermeisterin“.
Ja, das ist eine zugleich gute wie schlechte Seite des Bürgermeisterinnendaseins. Um von meiner Wohnung in die Gemeinde zu kommen, braucht es rund 5 Minuten Gehzeit. Oft brauche ich für diesen Weg eine Stunde, weil mich so viele Menschen aufhalten. Und da sind dann die tollsten Anfragen dabei, von Bauanliegen oder Besetzung öffentlichen Grundes bis hin zu: „Wir wollen im Juli heiraten, wann hast Zeit?“. Das kommt alles auf der Straße daher und eben meistens mit der Einleitung: „Weil i di grot siech…“
Apropos Twitter: Dort sind Sie sind unter dem Kürzel „sap“ immer wieder recht persönlich und ehrlich unterwegs. Und haben in einem Ihrer letzten Tweets gemeint: Ich muss das Twittern lassen… Warum?
Ich muss da immer wieder in die Selbstreflexion gehen, weil ich merke, dass ich nicht einfach als Private twittern kann, ich werde immer auch als Bürgermeisterin, als Parteiexponentin wahrgenommen. Das ging mir erst kürzlich so, mit einem privaten Tweet zum Thema Vertrauensverlust, in dem dann viele gleich eine Anspielung auf die SVP gesehen haben.
Ist Twitter für eine Gemeindepolitikerin also eher hilfreich oder schädlich?
Twitter spielt hier weniger eine Rolle, weil es in Südtirol nicht von der breiten Masse genutzt wird. Aber ich bin auch auf anderen Sozialen Netzwerken unterwegs, und generell sind sie sicher ein tolles Vehikel, um Infos an Menschen zu bringen. Aber es liest halt auch jeder das heraus, was er gerne hören möchte oder was sie oder ihn gerade beschäftigt. Und immer wieder gibt es natürlich auch Reaktionen, die unter die Gürtellinie gehen, allem voran, wenn es um feministische Themen geht. Da reicht es oft eine einfache Meinung zu äußern, um die Gemüter extrem zu erregen. Da steige ich dann irgendwann auch aus, wenn es mir zu niveaulos wird.
Haben Sie ein Beispiel?
Ach, schon die Feststellung, dass Sprache Wirklichkeit konstruiert in Bezug auf eine geschlechtergerechte Sprache kann da schon einiges auslösen. Doch ich kann mich nicht beklagen, persönlich bin ich noch kaum attackiert worden, da haben andere schon weit mehr abgekommen.
Frauen werden ja generell häufiger zur Zielscheibe von Hasskommentaren. Wenn wir in der Landespolitik beispielsweise nur daran denken, wie Grünen-Politikerin Brigitte Foppa im Netz immer wieder angefeindet wurde. Warum werden gerade starke und intelligente Frauen derart angegriffen?
Das ist eben genau das Problem. Dieser Typ von Frauen, die zu ihrer Meinung stehen, vielleicht auch manchmal eine Minderheitenmeinung vertreten, die werden total bombardiert. Die Anonymität des Internets verstärkt das Ganze noch. Doch im Prinzip ist das Ausdruck von Angst, denn solche gefestigte Persönlichkeiten, die nicht mit dem Mainstream mitschwimmen, die machen vielen Angst.
Sind die Sozialen Netzwerke eine Möglichkeit mehr, um als Politikerin mit den Menschen in Kontakt zu bleiben? Oder sehen Sie darin erst recht die Gefahr, in einer Blase zu landen?
In einer Blase bewegen wir uns ohnehin alle. Diese Filterblasen gibt es nicht erst seit den Sozialen Netzwerken. Viele von uns umgeben sich immer mit bestimmten Menschen, bewegen sich nur in bestimmten Gruppierungen. Natürlich muss einem das in der Politik noch mehr klar sein. Ob Lobbys oder bestimmte Bürger:innen bei mir in der Gemeinde: Es gibt immer Gruppen oder Menschen, die aktiv die Nähe zur Politik suchen, während andere sich kein Gehör verschaffen. Und dann kann ich als Politikerin auch eine ganz verzerrte Wahrnehmung bekommen, was da draußen eigentlich Thema ist. Da ist die Landespolitik sicher noch viel gefährdeter.
Wenn man Politik machen würde, würde man Entscheidungen treffen und sie nicht ständig hinauszögern.
Denn viele von ihnen haben nicht ihren täglichen 5-Minuten-Weg, auf dem sie mit der Realität konfrontiert werden?
Eben, da ist die Gefahr der Blase noch weit größer. Und man hat natürlich als Politiker:in, das geht mir als Bürgermeisterin nicht anders, auch viele Menschen um sich, die einem schmeicheln, die dir Honig ums Maul schmieren und dich ganz toll finden. Am Tag meiner Wahl zur Bürgermeisterin hat ein Kollege zu mir gesagt: Merk dir gut, wer bis jetzt nett zu dir war, weil ab morgen sind alle nett zu dir. Also, man kann da schon einen verstellten Blick auf die Realität bekommen - je nachdem, wer einen umgibt, und ob man etwas hat, dass einen dann wieder erdet.
Diese berühmte Autonomie der Gemeinden, über die immer gesprochen wird, war für mich zumindest in diesen eineinhalb Jahren nicht spürbar. Denn ich muss bei 99% meiner Entscheidungen nachfragen: darf ich das überhaupt machen?
Warum wenden sich immer mehr Menschen von der Politik ab?
Ich glaube, ein wesentlicher Grund dafür ist - neben all den Skandalen und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust - dass insgesamt wenig Politik gemacht wird. Wir befinden uns eigentlich im Dauerwahlkampf, doch Wahlkampf ist nicht Politik. Das sollten die Wähler:nnen, aber auch die Kandidat:innen wissen.
Was müsste derzeit passieren, wenn tatsächlich Politik gemacht würde?
Wenn man Politik machen würde, würde man Entscheidungen treffen und sie nicht ständig hinauszögern. Denken wir nur an den Bereich Wohnbau: wie lange reden wir schon von einem Wohnbauförderungsgesetz? Jetzt kommt es wieder nicht in den Landtag. Bereich Familienförderung, die Sommerbetreuung: da wäre vieles zu entscheiden.
Überreglementierung, Rechtsunsicherheit, Entscheidungsschwäche – was braucht es, um dieses System zu verändern? Die Revolution?
Revolutionen sind immer gewaltsam, da bin ich zu sehr Historikerin, um das als Option zu sehen. Doch gerade in Bezug auf die Jugendarbeit hatten wir auch schon mal angedacht, einfach nicht mehr mitzuspielen. Ich bin ja auch Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Jugenddienste. Und der Jugenddienst Meran hat beispielsweise immer schon mit der Gemeinde Meran zu kämpfen, egal, wer gerade die Regierung stellt, das ist ein Problem des Beamtentums dort. Da waren wir mehrmals auf dem Punkt zu sagen: Wisst ihr was, wir stellen einfach die Tätigkeit ein. Und dann schaue ich mir an, was passiert, wenn Jungenddienste, die nicht zuletzt ein Drittel der Sommerbetreuung stemmen, sagen: Wir machen das nicht mehr, weil wir dafür Tausende von Euro an Kredit aufnehmen müssen, und die teilweise erst zwei Jahre später rückerstattet bekommen, wie es in den vergangenen beiden Jahren passiert ist.
Also eher ziviler Ungehorsam als Revolution?
Noch besser wäre einfach ein Paradigmenwechsel. Mehr Freiheiten, mehr Mut zum Risiko. In 99 Prozent der Fälle gehen Dinge gut aus, hören wir auf, immer von dem einen Fall auszugehen, der schief geht. Und geben wir den Menschen, die etwas verändern und voranbringen wollen, auch die Möglichkeit das zu tun statt ihnen ständig Steine in den Weg zu legen. Warum machen wir als Politik – und da geht es wie gesagt nicht nur um Rom, sondern auch um Bozen – Vereinen das Leben schwer, die uns helfen unseren politischen Auftrag zu erfüllen? Wie etwa die Welt von Kindern und Jugendlichen so zu gestalten, dass sie sich wohl fühlen und gut entwickeln können oder Gesundheitsprävention zu betreiben, die Menschen zu sportlicher Aktivität zu bewegen. Wir haben tolle Vereine, die das ehrenamtlich für uns übernehmen und dann machen wir ihnen so viele bürokratische Vorgaben, dass sie irgendwann ohne einen hauptamtlichen Mitarbeiter zumachen können? Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar.
In der Psychologie sagt man oft: Veränderung wird dann möglich, wenn der Leidensdruck groß genug ist. Denken Sie, er ist langsam groß genug?
Ich sehe schon einige Voraussetzungen für Veränderung. Vieles kommt von unten, die nicht öffentliche Gesellschaft organisiert sich immer stärker, Fridays for Future ist ein Beispiel dafür, aber es gibt auch viele andere Initiativen. Und ich glaube, dass auch der zunehmende Arbeitskräftemangel einiges dazu betragen wird, zumindest diesen Regulierungswahn zu bremsen. Denn je mehr Regeln wir einführen, desto mehr Leute brauchen wir auch zur ihrer Kontrolle. Und wir haben jetzt schon nicht mehr ausreichend Arbeitskräfte in der öffentlichen Verwaltung, um das zu stemmen; auch hier ist die Raumordnung wieder das beste Beispiel. Sprich: Wenn mir die Arbeitskräfte fehlen, werde ich die Abläufe eben wieder vereinfachen müssen. Also, ich denke, irgendwann wird sich das System wieder selbst regulieren.
Werden Sie eigentlich von ihrer Partei abgestraft, wenn Sie die Dinge so ungeschminkt beim Namen nennen?
Ich wüsste nicht wie! Ich werde ja auch nicht belohnt, wenn ich brav folge (lacht). Die Freiheit im Denken und im Äußern der eigenen Meinung sollten wir uns nicht nehmen lassen. Es geht ja auch nicht darum, jemanden zu beleidigen, sondern Umstände anzuprangern, die man ändern möchte. Und da habe ich kein Problem damit, auch mal die Böse zu sein und zu sagen: So nicht, so unterstützt man zum Beispiel das Ehrenamt nicht. Das muss Platz haben in einer Demokratie.
Die Twitter-Bürgermeisterin ;
Die Twitter-Bürgermeisterin ;-))
Die Verantwortung eines
Die Verantwortung eines Bürgermeisters möchte ich nicht übernehmen. Ich bin froh, wenn sich noch Leute dafür finden. Was, wenn dem nicht mehr so ist?
In risposta a Die Verantwortung eines di Dietmar Nußbaumer
In Hafling war Plank auch die
In Hafling war Plank auch die einzige Kandidatin wenn ich mich richtig erinnere.
Ich habe selten so
Ich habe selten so reflektierte, ehrliche und kluge Antworten gelesen! Das hat unendlich gut getan und gibt einen Funken Hoffnung. Danke Frau Bürgermeisterin!
In risposta a Ich habe selten so di Evi Keifl
Schließe mich voll Frau Evis
Schließe mich voll Frau Evis Meinung an.
Recht hat sie. Nur ändern
Recht hat sie. Nur ändern wird sich noch lange nix ...
Über solche Bürgermeister
Über solche Bürgermeister/innen freue ich mich von Herzen! Alles Gute weiterhin für die täglichen Herausforderungen und viel langen Atem...
Frau Plank ich bewundere ihre
Frau Plank ich bewundere ihre profunde Ehrlichkeit ihrer Aussagen,haben sie sich mal Gedanken gemacht,ob sie in der falschen "PARTEI" gelandet sind??Alles Gute für ihre zukünftigen Kämpfe innerhalb der SVP!
Herr Raffeiner,die Arbeit und
Herr Raffeiner,die Arbeit und die Verantwortung der Bürgermeisterin bleibt immer dieselbe, das hat mit der Partei nichts zu tun!
In risposta a Herr Raffeiner,die Arbeit und di Paul Tasser
Der Einfluss ist aber kaum zu
Der Einfluss ist aber kaum zu leugnen.
In risposta a Herr Raffeiner,die Arbeit und di Paul Tasser
OH doch Herr Tasser, lesen
OH doch Herr Tasser, lesen sie das Buch Freunde im Edelweiss, Josef Gatterer der Vater von Ingmar Gasserer ist auch Bürgermeister in der SVP.
Sowohl der Generaldirektor
Sowohl der Generaldirektor Steiner als auch die Vizegeneralsekäterin Markart sprechen in den Medien von der öffentlichen Verwaltung als Dienstleister für die Bürger*innen und deren Vereine. Scheint aber noch nicht bis zu jenen vorgedrungen zu sein, die ihnen zu tun haben (und ihnen immer wieder das Leben schwer machen).