Società | Arbeitskräfte

Gesucht: Fachkräfte und Vielfalt

Der Arbeitsmarkt in Südtirol hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Arbeitskräfte aus dem Ausland angezogen. Ein Blick auf die Chancen und Herausforderungen.
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Foto: Adobe Stock Images

Die Südtiroler Wirtschaft steht bereits seit vielen Jahrzehnten vor einer ganz besonderen Herausforderung: Der Bedarf an Arbeitskräften kann nicht allein durch Einheimische gedeckt werden, und die Frage des ethnischen Proporzes stößt bei vielen Kritiker:innen auf Ablehnung. Die Gründe für den gegenwärtigen Fachkräftemangel sind vielfältig. Zum einen findet in ganz Europa ein demografischer Wandel statt. So wird auch in Südtirol die Bevölkerung älter, während die Geburtenrate seit Jahrzehnten abnimmt. Das bedeutet, dass es in Zukunft schwieriger werden wird, in den Ruhestand rückende Menschen mit jungen Arbeitskräften nachzubesetzen, weshalb viele Stellen potentiell unbesetzt bleiben könnten. Ein weiteres Problem ist der sogenannte Brain-Drain, also die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte ins Ausland. Diese Abwanderung steht insbesondere im Zusammenhang mit besseren Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten für Fachkräfte in Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der Vergangenheit konnte Südtirol noch erfolgreich Arbeitskräfte aus den ehemaligen Ostblockstaaten rekrutieren, doch auch diese “Lösung” erweist sich angesichts des zunehmenden Wohlstands in diesen Ländern nicht mehr als Allheilmittel. Heute steht der Arbeitsmarkt in Südtirol vor neuen Herausforderungen, die innovative Ideen und Wege erfordern, um den Bedarf an Humankapital zu decken.

In der Vergangenheit konnte Südtirol noch erfolgreich Arbeitskräfte aus den ehemaligen Ostblockstaaten rekrutieren, doch auch diese “Lösung” erweist sich angesichts des zunehmenden Wohlstands in diesen Ländern nicht mehr als Allheilmittel.

Ein Überblick über die vergangenen Jahrzehnte

In den Jahren von 2000 bis 2004 erlebte Südtirol eine deutliche Zunahme von Arbeitskräften aus dem Ausland. Die Zuwanderung spielte eine maßgebliche Rolle für den Zuwachs an Beschäftigten -  drei von vier neuen Arbeitskräften auf dem lokalen Arbeitsmarkt stammten aus dem Ausland. In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 wuchs die Zahl der Arbeitskräfte in Südtirol weiterhin stark, dieses Mal aber hauptsächlich durch die Zuwanderung von Menschen aus anderen Teilen Italiens. Es waren vor allem die Bereiche Handel, Gastgewerbe und der öffentliche Sektor, die vom Zustrom italienischer Staatsbürger:innen profitieren konnten. Selbst nach der Finanzkrise waren die Beschäftigungszuwächse noch immer größtenteils auf Arbeitnehmende auf anderen italienischen Provinzen zurückzuführen. In den Jahren 2018 und 2019 wuchs der Anteil ausländischer Arbeitskräfte auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt wieder. Ein großer Kontrast dazu ist das Jahr 2020. Dieses brachte aufgrund der Einschränkungen bei der Einwanderung, der Unterbrechung der Ausbildung und der erhöhten Belastung in bestimmten Sektoren wie dem Gesundheitswesen und der Gastronomie eine deutliche Verlangsamung der Zuwanderung. Die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte bleibt dennoch ein wichtiges Thema für die Zukunftsfähigkeit der Südtiroler Wirtschaft.

Konkurrenz mit dem DACH-Raum

Der Wettbewerb mit anderen Ländern ist ein entscheidender Faktor bei der Suche nach Fachkräften. Länder wie Großbritannien, Deutschland, die Schweiz und Österreich sind beliebte Ziele für gut ausgebildete Arbeitskräfte aus aller Welt – auch für Südtiroler:innen. Um in diesem Wettbewerb bestehen zu können, muss Südtirol attraktive Arbeitsbedingungen bieten, darunter angemessene Gehälter und zeitgemäße Arbeitsmodelle. Es geht jedoch nicht nur um materielle Anreize, sondern auch um die Schaffung eines Mehrwerts für die Arbeitskräfte, indem man eine positive Arbeitsumgebung, Entwicklungsmöglichkeiten und soziale Sicherheit bietet.

Ethnischer Proporz – das zweischneidige Schwert

Ein weiterer Aspekt, der bei der Suche nach Fachkräften in Südtirol ins Gewicht fällt, ist die Notwendigkeit, die beiden Hauptlandessprachen zu sprechen – im öffentlichen Sektor kommt noch der ethnische Proporz als Schranke dazu. Ziel des ethnischen Proporzes ist es, eine ausgewogene Repräsentation aller ethnischen Gruppen im öffentlichen Dienst sicherzustellen. Im Prinzip sollten dabei ausländische Fachkräfte nicht benachteiligt werden, sondern gleichberechtigte Chancen erhalten. Dieser Ansatz fördert die soziale Integration und stärkt das Zusammenleben der verschiedenen Sprachgruppen in Südtirol. Durch die Anerkennung und Vertretung aller ethnischen Gruppen kann Inklusion gelingen – Diversität kann das Arbeitsumfeld und die Gesellschaft insgesamt bereichern. Dennoch gibt es immer mehr Bedenken im Zusammenhang mit dem ethnischen Proporz. Einige befürchten, dass der Zugang zum Südtiroler Arbeitsmarkt für ausländische Fachkräfte zusätzlich erschwert wird. Um eine gerechte Beschäftigung zu gewährleisten, ist eine umfassende Diskussion über Chancengleichheit fairen Arbeitsmöglichkeiten erforderlich.

Durch die Anerkennung und Vertretung aller ethnischen Gruppen kann Inklusion gelingen – Diversität kann das Arbeitsumfeld und die Gesellschaft insgesamt bereichern. 

Es bedarf einer ausgewogenen und differenzierten Herangehensweise, um die Herausforderungen bei der Rekrutierung von Fachkräften in Südtirol zu bewältigen. Dabei sollten Qualifikationen, Erfahrungen und Fähigkeiten angemessen berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollte die Suche nach gerechten Beschäftigungsmöglichkeiten für alle Arbeitskräfte im Vordergrund stehen. Die Förderung von Vielfalt und Integration kann dabei helfen, die Potenziale aller Beschäftigten zu nutzen und eine harmonische Gesellschaft aufzubauen. Die Benachteiligung ausländischer Fachkräfte in Folge des ethnischen Proporzes in Südtirol ist ein ernstes Problem, das angegangen werden muss, um eine gerechte und inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen. Die Überprüfung und Überwindung des Proporzsystems, transparente Auswahlverfahren, Förderung von Vielfalt und Integration, Zusammenarbeit und ein neuer rechtlicher Rahmen sind entscheidende Maßnahmen, um diesem Problem entgegenzuwirken. Es ist ein fortlaufender Prozess, der Engagement und Zusammenarbeit erfordert, um eine inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Fachkräfte unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit eine Chance bekommen.

 

Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama

 

 

 

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Josef Fulterer Lun, 07/03/2023 - 06:57

Beim GESCHREI nach FACH-KRÄFTEN aus dem AUSLAND, macht es sich die SÜD-TIROLER-WIRTSCHAFT mit ihrer GIER nach noch MEHR + ALLES noch SCHNELLER zu einfach.
Nicht nur, dass man dem AUSLAND die Kosten bis zur fertigen Ausbildung der FACH-KRÄFTE zumutet, sie sollten sich auch mit ...? über-teuerten Unterkünften begnügen + schnell wieder verschwinden, sobald sie ihre LEISTUNG (spezial-Arbeiten, putzen, aufräumen, betreuen, pflücken usw.) erbracht haben.
Daß die FACH-KRÄFTE als Menschen kommen, die in der Nähe des Arbeits-Platzes zu vernünftigen Bedingungen "als Familie wohnen wollen," ist von der WIRTSCAFT noch nicht erkannt worden.

Lun, 07/03/2023 - 06:57 Collegamento permanente
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Am Pere Lun, 07/03/2023 - 09:22

Ich glaube kaum, dass der Proporz das Problem ist.
Vielmehr ist es die Kaufkraft, die für Arbeitnehmer andere Gebiete im deutschsprachigen Raum attraktiver macht. Südtirol ist mit seinen Wohnungspreise ohnehin auf dem falschen Weg, jetzt zeigt es sich erstmal über die Lage am Arbeitsmarkt.
Erst wenn die letzte Wohnung vom reichen Ausländer für 2 Wochen im Jahr besetzt ist, werden einige aufwachen.

Lun, 07/03/2023 - 09:22 Collegamento permanente