Economia | SAD-Land

Codewort: Schlamassel?

Neues Ungemach im Nahverkehr: SAD-CEO Ingemar Gatterer rückt die Zugangscodes für die Datensoftware nicht heraus – und scheint am längeren Hebel als das Land zu sitzen.
Ingemar Gatterer & Mariano Vettori
Foto: Salto.bz

“Wir werden die Zugangscodes nicht irgendwelchen inkompetenten Landesbeamten abtreten.” Ein hämisches Grinsen huscht über die Lippen von Ingemar Gatterer. Er ist mehr als eine halbe Stunde zu spät zum vereinbarten Termin gekommen. Bei einer Pressekonferenz präsentieren die Zuständigen der SAD kurz vor Donnerstag Mittag jüngste Umfrage-Ergebnisse zur Kundenzufriedenheit. Von 3,99 auf 4,07 ist die Note, die die befragten Nutzer der SAD ausstellen, in einem Jahr geklettert. Der attraktive Dienst der SAD, freut sich SAD-Generaldirektor und -Präsident Mariano Vettori, verleite dazu, das Auto immer öfters in der Garage zu lassen. Seinen Chef aber offensichtlich nicht. Ingemar Gatterer, Mehrheitseigentümer und CEO der SAD, steht im Stau und versäumt die Präsentation der positiven Umfrage-Ergebnisse.

Doch vermutlich hätte ihn die ohnehin gelangweilt. Gatterer ist im Kampfmodus. Wieder einmal. Am Donnerstag ist bekannt geworden, dass sich das Land offenbar in ein neues Schlamassel geritten und Ingemar Gatterer an den längeren Hebel gesetzt hat.

 

Der Daten-Poker

Seit 1985 werden sämtliche Daten und Abrechnungen im öffentlichen Nahverkehr auf dem Informations- und Serviceprovider SII verwaltet – eine Datenplattform, die per Landesgesetz eingeführt und im Auftrag des Landes und mit öffentlichen Beiträgen entwickelt wurde. Geführt wird die SII aber von der SAD-Tochter ST Servizi.

2015 beschließt das Land, dass sämtliche Aufgaben der SII im Zuge der Neuvergabe der Linienkonzessionen Ende 2018 an die landeseigene Südtiroler Transportstrukturen AG STA übergeben sollen. Ingemar Gatterer, inzwischen Mehrheitseigentümer der SAD, spielt nicht mit, verlangt 15 Millionen Euro für das Gesamtpaket von Hard- und Software der SII. Die Landesregierung sagt Nein, denkt nicht daran, etwas zu kaufen, was mit ihrem Geld aufgebaut wurde.

Am Ende einigt man sich darauf, dass Gatterer die Daten des öffentlichen Nahverkehrs an das Land abtritt. Im November 2016 wird ein Übergangsvertrag unterzeichnet: ST Servizi soll die Dienstleistungen um das Tarifsystem samt Verrechnungen des Südtirol-Pass bis Ablauf der Konzessionen – deren Ausschreibung inzwischen annulliert wurde – Ende 2018 fortführen. Für knapp 12 Millionen Euro.

 

Lücke im Vertrag

Dann soll die STA das SII-Portal übernehmen. An einer eigenen Informatikabteilung wird gearbeitet, neue Mitarbeiter eingestellt, die sich darum kümmern sollen. “Das ist ein Riesenschritt”, freute sich STA-Präsident Martin Ausserdorfer Ende 2016, als der Deal mit der SAD in trockenen Tüchern schien. Nun aber scheint es ein grobes Versäumnis gegeben zu haben, das – sollte es sich bestätigen – das Land weitere Millionen kosten könnte: Offenbar hat man es 2016 verabsäumt, ST Servizi vertraglich zu verpflichten, die Zugangscodes zur SII-Software mit Vertragsablauf Ende 2018 an die STA zu übergeben. Weil aber die STA bei der Entwicklung eines eigenen Datenmanagementsystems hinterherhinkt – man werde “wohl erst in einem Jahr soweit” sein, gesteht STA-Präsident Ausserdorfer in der Donnerstagsausgabe der Dolomiten –, hat man die SAD aufgefordert, die Zugangscodes für die Software an die STA zu übergeben.

“Wir haben dem Land 2016 zwar einige Tausend wertlose Adressen von Südtirol-Pass-Abonnenten abgetreten. Die Software-Codes für das Verrechnungssystem im Nahverkehr gehören aber uns”, lässt sich Ingemar Gatterer am Donnerstag in den Dolomiten zitieren. “Und die geben wir nicht so einfach her”, unterstreicht er auf der Pressekonferenz am Mittag. “Wir werden den Leuten vermitteln, dass sie uns die Zugangscodes so einfach nicht abnehmen können. Und kaufen können sie die nie”, meint er, “denn dann kommen die alten Fehler zum Vorschein, nämlich, dass sie Dinge aufgebaut haben, die letztlich uns gehören – und der Rechnungshof würde dann sagen, das sind Ausgaben, die doppelt getätigt wurden”.

 

Nicht gut Knödel kochen

Glaubt man Gatterer, bleibt dem Land wohl kaum eine Alternative, als den Vertrag mit ST Servizi zu verlängern. Das würde wiederum Millionen an Steuergeldern kosten – unterm Strich mehr als die 15 Millionen Euro, die man sich ursprünglich geweigert hatte, für das SII-Gesamtpaket zu bezahlen.
Man sei “offen für Verhandlungen”, sagt Gatterer.
Seine Schadenfreude verbirgt er nicht, nutzt die Gelegenheit, um nicht zum ersten Mal gegen die STA zu schießen. Präsident Ausserdorfer und Generaldirektor Joachim Dejaco seien zwar “zwei STA-Verwalter, die schön aus den Medien heraus strahlen”, aber “von diesen Dingen gleich wenig verstehen wie ich vom Knödelkochen”, meint er abschätzig. “Wenn sie Verträge mit uns abschließen, merke ich immer wieder, dass die wichtigen Dinge fehlen. Sie verlangen von uns zwar viele Adressen und viel Datenmaterial, aber die Zugangscodes zur Software haben halt immer noch wir – und solange sie die nicht haben, haben sie nicht die Plattform, um diese Dinge, wie sie immer gern möchten, auch selbst zu machen. Und die Codes werden wir ihnen natürlich nicht geben.”

Indes kommt bereits Kritik aus den Oppositionsreihen. “Die Entwicklung rund um die Verrechnung des Südtirol-Passes ist die neueste Misere, die dem Steuerzahler aller Wahrscheinlichkeit teuer zu stehen kommt. Sollte das Land den Forderungen der SAD nachkommen müssen, damit die Verrechnung der Südtirol-Pass-Fahrkarten auch nach 2018 gewährleistet werden kann, bis möglicherweise eine Alternative gefunden wird, so muss dies auf vertragliche Unzulänglichkeiten zurückgeführt werden –  die SVP hinterlässt einen Scherbenhaufen beim Nahverkehr, der noch über viele Jahre die Politik beschäftigten wird”, zeigt sich Walter Blaas von den Freiheitlichen entsetzt.

Am späten Donnerstag Nachmittag reagiert auch Martin Ausserdorfer mit einem kurzen Facebook-Post:

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Marcus A. Gio, 09/20/2018 - 21:02

@STA Präsident: ehrlich gesagt ist das Posten eines Teiles des Vertrages so gut wie sinnlos, wenn man als Otto Nichtswisser die im "Art. 2 des gegenständlichen Vertrages genannten Dienstleistungen" nicht kennt. Was genau fällt darunter?
Kann es sein, dass man in genannten Artikel x Dienste aufzählt, vor lauter Bäume aber den Wald vergessen hat?

Herr Gatterer ist mir persönlich ehrlich gesagt alles andere als sympathisch.... da es beim Verteilen von öffentlichen Geldern bekanntlich aber nicht um Sympathie geht, wäre hier maximale Transparenz im Interesse aller Beteiligten und vor allem im Interesse des Steuerzahlers wünschenswert.

Schuldzuweisungen und ähnliches sollten erst nach klarer Faktenlage erfolgen.

Gio, 09/20/2018 - 21:02 Collegamento permanente