Cultura | Rezension

Oscar auf Abwegen

Die Academy Awards stecken in Schwierigkeiten. Es häufen sich die Kontroversen, sodass der Ruf nach Veränderung lauter wird.
Eine Frau ist zu sehen
Foto: Wild Bunch
  • Wenn am 3. März 2025 die alljährlichen Academy Awards der US-amerikanischen Filmbranche vergeben werden, wurden vor den Toren des Veranstaltungsortes in Hollywood die Feuer gezähmt. Wochenlang tobten sie in den Hängen der Hollywood Hills und darum herum. Sie zerstörten unzählige Häuser, Infrastruktur und legte auch die Film- und Fernsehindustrie eine Zeit lang lahm. Die hat sich mittlerweile vom Schock erholt, nur um in den Wochen vor der Oscar-Verleihung von neuen Stromschlägen gebeutelt Mühe zu haben, die Fassung zu bewahren. Denn es brennt in Hollywood, nicht nur sprichwörtlich, sondern auch metaphorisch gesprochen. Die Oscars sind ein gutes Spiegelbild einer Industrie, die sich im Zwist miteinander, mehr aber noch, mit dem Publikum befindet. Es werden Filme nominiert, und vielleicht auch prämiert, die im Laufe des vergangenen Jahres viel gelobt wurden, nun aber in Ungnade fallen. Darunter Emilia Pérez, der nach einem regelrechten Preisregen, ausgehend von den Filmfestspielen in Cannes, nun schon seit Wochen mit herber Kritik zu kämpfen hat. Dabei geht es um den Umstand, dass ein französischer Regisseur einen Film über Mexiko in Frankreich drehte, ohne nennenswerte mexikanische Beteiligung, dass das Thema Geschlechtsumwandlung stümperhaft behandelt worden sei, dass die nun ausgegrabenen islamophoben und rassistischen Tweets der Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón schlicht untragbar sind. Natürlich gefiel den Oscars die Vorstellung, eine Transfrau als Beste Hauptdarstellerin zu nominieren – es sollte ein Zeichen senden im gespaltenen Trump-Land. Der Sieg schien nicht unwahrscheinlich, aktuell kann aber davon ausgegangen werden, dass die Academy den Preis an eine andere Darstellerin vergibt. Das verwundert kaum, dennoch ist es bemerkenswert, wie hoch der viel gelobte, weil erfrischend andersartige Film flog, nur um in kurzer Zeit sehr tief zu fallen. Sprach man vor einer Weile noch von einem heißen Kandidaten für zahlreiche Oscars, dürfte der Film bei der Verleihung mit dem Auslands-Oscar abgespeist werden – viel mehr wird sich die Academy nicht erlauben. Denn ihre Mitglieder hören die Kritik und nehmen selbstverständlich wahr, wie allein die vielen Nominierungen für den Film öffentlich bewertet werden. Emilia Pérez ist dabei ein interessanter Fall: Selten sind die Meinungen der Presse/Branche und des Publikums so weit auseinandergedriftet. Am Ende des Tages sind die Oscars aber auf ihre Zuschauer*innen angewiesen. Zunächst weil die Veranstaltung selbst die Einschaltquoten benötigt, aber auch weil die Oscars einen Ruf zu verlieren haben. Sie gelten trotz alljährlichem Gemecker von Seiten cineastischer Kreise (bemängelt wird eine gewisse Oberflächlichkeit) als populärster Filmpreis der Welt. Damit einher geht ein wirtschaftlicher Effekt, den eine Auszeichnung mit sich bringt. Vertraut das Publikum einer Oscar-Prämierung nicht mehr, verliert der Preis an Prestige. Darunter leiden auch die Filme, die dadurch weniger Menschen ins Kino locken. Es ist also im Interesse der Oscars, Filme, die von lauter Kritik begleitet werden, auf Abstand zu halten. 

    2025 ist ein besonders prekärer Jahrgang, wie es scheint. Nicht nur sorgt Emilia Pérez für Ärger, auch der vielfach nominierte The Brutalist musste sich Kritik aufgrund der Nutzung von Künstlicher Intelligenz gefallen lassen. Einige Passagen der auf Ungarisch gesprochenen Dialoge durch die amerikanischen Schauspielenden sollen durch KI verbessert worden sein. Darf ein Hauptdarsteller wie Adrien Brody dann noch für den entsprechenden Preis nominiert werden? Fragen wie diese zeigen, dass die Oscars eine Reform benötigen. Neue Regeln müssen definiert werden, wobei das Thema KI an erster Stelle steht. Es ist nun mal im Mainstream angekommen und wird nicht mehr weichen. Zwar erzeugt The Brutalist bei weitem nicht so einen Wirbelsturm wie Emilia Pérez, doch falls Brody mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wird, sendet das ein deutliches Signal an die Branche. Ob sich das Publikum an der Verwendung von KI stört, steht auf einem anderen Blatt.

    Die Oscars werden auf die Kritik von außen reagieren, anderenfalls folgt der nächste Shitstorm und der Ruf sinkt weiter. Ob sich an der grundlegenden Ausrichtung etwas ändert, wird sich zeigen. Auch, ob das Publikum den Weg weiter mitgehen wird. Oder ob der Preis bald schon in der Bedeutungslosigkeit verschwindet und sich Hollywood nur noch um sich selbst dreht. Vielleicht ist das aber auch schon längst geschehen.