Tanz das Kollektiv

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Das internationale Tanzfestival Bolzano Danza 2025 katapultierte sich zum Auftakt mit einem Reigen spannender Projekte in luftige Höhen und in die diesjährige Ausgabe. Sie geht erstmals unter der neuen künstlerischen Leitung von Anouk Aspisi und Olivier Dubois über die Tanzbühnen des Festivals und verspricht zahlreiche Höhepunkte. Tanz Bozen setzt nicht auf scheinbar heldenhafte Einzelgänger, sondern auf das gemeinsam erdachte und konzipierte. Ganz unkompliziert stellten sich die beiden Verantwortlichen zur Eröffnung vor das Publikum und dankten vor allem: dem Team.
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Im Dazwischen: Performance von Ginevra Panzetti und Enrico Ticconi zum Auftakt auf dem Platz vor dem Stadttheater in Bozen. Dahinter im Kapuzinergarten wurde dann ab 22 Uhr zum Ausklang geladen und gleichzeitig die Geburtsstunde des "BoDA" begangen, eines inklusiven und offenen Ortes jenseits traditioneller Veranstaltungsräume. Foto: Seehauserfoto
Als prominenten Appetizer gab es für Liebhaberinnen und Liebhaber des zeitgenössischen Tanzes vorab eine eindrucksvolle, rund 30-minütige Open-Air-Performance des Duos Ginevra Panzetti und Enrico Ticconi – den Shootingstars des europäischen Tanzes. Wie fahnenschwenkende Spinnen markierten sie ihr Bühnenfeld.
Offiziell eröffnet wurde das Festival schließlich (nach den knappen Begrüßungsworten der kollektiven Leitung) im Großen Saal des Stadttheaters mit dem französischen Ballet Preljocaj unter der Leitung seines Namensgebers und Großmeisters der zeitgenössischen Choreografie Angelin Preljocaj. Zur Darbietung kam die italienische Erstaufführung des Diptychons Helikopter/Licht – eine Doppelvorstellung, die nach ihrer Weltpremiere im April 2025 im Pariser Théâtre de la Ville sage und schreibe drei Wochen lang komplett ausverkauft war.
Das revolutionäre Meisterwerk Karlheinz Stockhausens (1928–2007) ist in der Tat ein spektakuläres Werk für Streichquartett und vier Helikopter, bei dem Musik und Rotorengeräusche zu einer neuen Klangwelt, einem kollektiven Klangfeld, verschmelzen. Fünf Jahre nach der ersten Aufführung durch das legendäre Arditti-Quartett im Jahr 1996, ließ sich Preljocaj von der Idee Stockhausens inspirieren und kreierte eine gleichnamige Choreografie für sechs Tänzerinnen und Tänzer.Stockhausen war für seine Risikofreude bekannt. Er wollte sich ständig neu erfinden und den Menschen eine Botschaft hinterlassen. Es hat den Anschein – so wird es auch im Filmeinspieler zwischen den beiden Stücken deutlich –, dass er sich nie zufriedengab und wie besessen nach immer neuen Ausdrucksformen suchte. Es bewegte ihn, seine Kompositionen, sowie die Interpreten und Interpretinnen und seine Fangemeinde.
„Stockhausen ist für mich der Großvater der elektronischen Musik“, meinte Angelin Preljocaj vor wenigen Wochen in einem Gespräch mit der Autorin Agnès Izrine. Auf der Suche nach Stockhausens gedanklichen „Enkeln“ sei er auf Laurent Garnier gestoßen, dessen Musik „eine Energie, eine Vision, ein Freiheitsversprechen“ versprühe und gepaart mit „Respekt, Inklusion und Toleranz. Werte, die ich mit einer neuen Generation verbinde.“In Bozen ins Licht tanzen: Tänzer und Tänzerinnen vom Ballet Preljocaj. In der Mitte Angelin Preljocaj. Foto: SALTOIn diesem Sinn verwickelte sich auch die Darbietung zu einem kollektiven Ganzen: ein klanglicher Sog aus Helikoptergeräuschen, mal intensiv, mal ruhiger – aber immer durchdringend. Und das Tanzaufgebot? Alles in allem eine Augenweide: grazile Figuren auf temporeichem Rhythmus, dazwischen folgten getaktete Zahlenfolgen.
Nach dem informativen und emotionalen Gespräch mit dem Großmeister als filmischen Übergang auf riesiger Leinwand, folgte mit Licht der zweite Teil. Während Stockhausens Stimme aus dem Film noch nachklang, hatten sich die Tänzerinnen und Tänzer inzwischen verdoppelt und bewegten sich – in moderner Kleidung – zunächst eher träge, dann immer bestimmter zueinander hin. Die neu adaptierte Musik von Laurent Garnier konnte sich zunehmend entfalten. Der gemeinsam vorgetragene Schlachtruf „change your heart ... need your loving, like the sunshine“ hämmerte sich angenehm in die Köpfe des Publikums – und wanderte von dort weiter in Hände und Beine.
Licht – Preljocajs neue Kreation – ist eine tänzerische Vision mit viel Energie, Wandel und Hoffnung.
Zum Finale hin bildeten sich tanzende Duos, die sich küssten und sich zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenfinden. Das Bild ist ergreifend – und zugleich unverzichtbar in unruhigen Zeiten.
Nach der Darbietung folgte lang anhaltender Applaus, und die Nimmermüden begaben sich zur Eröffnungsparty mit einem Techno-Analog-Live-Set des Mailänder Kollektivs Cult of Magic in den Kapuzinerpark. Dort haben die Festivalmacher*innen ihren Festival-Hub BoDA eingerichtet. Hier kann man über den Festivalzeitraum (bis 1. August) auch gerne ein kühles Getränk zu sich nehmen und auf die Vorteile kollektiver Formen anstoßen. Mit wem auch immer. Prost!Wie geht es weiter?Hier geht es zum Programm
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