Spielen in einer anderen Liga
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Das Bozner Gaming-Festival Game Ground, ausgerichtet von BeYoung, der Stiftung UPAD, das noch bis Sonntag kostenlose Events anbietet, setzt gerne spartenübergreifende Programmpunkte. So etwa zu Berufen rund ums Gaming in Südtirol „Il Gaming in Alto Adige - Con ProGaming, Bstaaard e BR-Digital“, oder zu Sport und seinem elektronischen Pendant „Sport e eSport: POW3R vs Debora Vivarelli“. Wenn das Spiel kein Spiel mehr ist, was wird es dann?
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Wer im Glashouse sitzt
Das „Glashouse“ des Parkhotels Laurin (hier passt der Anglizismus), beherbergte am Mittwochabend eine Diskussionsrunde zur Gaming-Industrie in und aus Südtirol. Mit dabei waren zwei Spieleentwickler (Roberto Benetta von BR-Gaming, sowie Davide, aka Distorted Production), Bstaard ein YouTuber/Content Creator und Daniel Schmidhofer, der CEO der multinationalen Firma ProGaming mit Sitz in Bozen.
Nach Grußworten von Antonio Lampis, der auf eigene Publikationen zum Thema Gaming verweisen kann und sich wünscht, dass „dignità al digitale“ zugestanden wird und der im interdisziplinären Sektor das Potential für neue Kreativarbeit sieht, folgte eine kurze Vorstellungsrunde. Diese begann beim CEO aus Innichen. ProGaming ist eine im Hintergrund aktive, 2003 gegründete Agentur, die Gaming Events wie große Turniere im Bereich eSports abwickelt und neben Bozen auch über Niederlassungen etwa in Asien oder Amerika abdeckt. Man organisiert dabei die größten Turniere in der Schweiz, Österreich und Italien.
Bstaaard, Streamer und YouTuber aus Bozen unterhält Menschen damit, dass sie ihm beim Zocken - vorwiegend GTA Online - zusehen können. Das machen auf YouTube immerhin 994.000 Abonnenten regelmäßig. Auch Bstaaards Arbeit ist dabei kein Zuckerschlecken: Seit 10 Jahren produziert und veröffentlicht er im Schnitt drei Videos am Tag.
Die beiden Spieleentwickler sind dagegen weniger Stars in der Szene, sie nehmen es gelassen. „Wir arbeiten, damit wir beide reich werden können“, meint Benetta scherzhaft, aber nicht ganz zu unrecht. BR-Gaming, bzw. BR-Digital für welches neben Roberto Benetta auch der Soloentwickler neben ihm auf der Couch gearbeitet hat, gehört zu den zahlreichen kleinen Unternehmen, die oft unsichtbar oder als Fußnote am Ende des Abspanns am vielköpfigen Prozess der Spielentwicklung mitwirken. Da die Arbeit an Videospielen häufig einer Verschwiegenheitsvereinbarung unterliegt, sind letzthin unter dem Label BR-Gaming zwei kleinere Spiele (ein Horror- und ein Handy-Spiel) entstanden, quasi als Visitenkarten. Diesen Sektor möchte Roberto Benetta in Zukunft (Mitte 2024) ausweiten. Sein Kollege, der es beim letzten Dung Game Jam an der Universität Bozen als Soloentwickler auf Platz 3 geschafft hat, arbeitet - aus Passion und nicht als Beruf - an seinem nächsten, ebenfalls Horror basierten Videospiel (Für Kenner: inspiriert von älteren Teilen der Silent Hill Reihe und PT).
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Allen gemein ist, dass sie für ihre Leidenschaft große Opfer bringen mussten und müssen: Bstaaard erinnert sich, in den Anfangszeiten, als er seine Onlinepräsenz aufgebaut hat, Arbeitstage zu 14 Stunden, ohne Wochenenden, Urlaub und Feiertage, in Kauf genommen zu haben. Das habe ihn damals von seinem Freundeskreis entfremdet. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie recht früh im Sektor Fuß gefasst haben (im nationalen Vergleich, von Südtirol mal abgesehen), als man für Kurse zu den notwendigen Kompetenzen im jeweiligen Sektor noch nach Mailand fahren und gutes Geld zahlen musste. Mittlerweile gebe es eine größere Menge an frei zugänglichem Wissen und Kompetenzen auch online.
In Südtirol hakt es bei der Wissensvermittlung und dem Tutoring in der Spieleentwicklung an der Zweisprachigkeit, da es schwer genug sei, kompetente Expert:innen aufzutreiben, geschweige denn solche, welche ihr Wissen in beiden Landessprachen vermitteln könnten. Zumindest zeigten sich alle vier Bozner mit dem Ausbau des Glasfasernetzes in der Landeshauptstadt erfreut und erinnern sich schaudernd an die Datenübertragungsraten von vor 10, 20 Jahren. Herausforderungen durch den Standort sieht auch Daniel Schmidhofer, gegeben, der über den Globus verteilt rund 300 Beschäftigten eine Arbeit bietet. Er moniert die Streichung des Direktfluges von Bozen nach Rom, gesteht aber augenzwinkernd auch zu, dass sich internationale Partner oft mit dem Versprechen eines „Törggelen“ nach Bozen locken lassen würden.
Vorteile werden hingegen in der Zweisprachigkeit, sowie in der Einfachheit eines „Blicks über den Brenner“ in einen anderen Spielemarkt gesehen. Für einen Vertrieb von Spielen in Südtirol sei für ProGaming wenig Raum, da dieser durch Importe aus dem deutschsprachigen Raum hauptsächlich von Athesia und Pfiff Toys abgedeckt werde. Weiters sei der Import von Talenten nach Südtirol schwierig. „Der eine oder andere hat hier geheiratet…“, gesteht Schmidhofer zu, ansonsten wandert das geangelte Talent aus bereits aus anderen Sparten bekannten Gründen wieder ab: Hohe Mietpreise, teure Lebenshaltungskosten, Sprachbarrieren und ein zu ruhiges Nachtleben. Bstaard moniert zudem, dass sein Berufsstand, der des Streamers und YouTubers, seit er mit dieser Arbeit begonnen hat, in Italien über keine eindeutige Steuerkategorie verfüge und keine Reglementierung bestehe.
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Bei allem Sprechen über Geschäftliches stellt sich einem vielleicht die Frage: „Zockt hier noch jemand zum Spaß?“ Bstaaard verneint und verweist auf sein zweites Standbein und Hobby, welches sich um alles (motorisiert und pedalbetrieben) mit Rädern dreht. Seine Freizeit spielt sich eher nicht vor einem Bildschirm ab. Die beiden Entwickler gestehen zu, Spiele oft zuerst als Inspiration für ihre eigenen Produkte zu sehen und sich darüber hinaus eher für einfachere denn für komplexere Titel zu interessieren, die einen stärkeren Fokus fordern. „Man wird weniger kompetitiv.“, merkt Benetta an. Für Schmidhofer, der zugesteht ebenfalls weniger Zeit als zu seinen Age of Empires Glanzzeiten zu haben, ist das Gaming eine Möglichkeit mit einer Familienangehörigen in Wien in Kontakt zu bleiben.
Auch diesen Trend erkennt die Mehrheit des Gästepanels: Man entwickelt sich fort vom Stereotyp des einsamen Gamers - tragbare Konsolen und der Kontakt zu anderen Menschen stehen hoch im Kurs.
Zwischen Fortnite und TischtennisplatteGestern Abend wurde im Teatro Rainerum ein seichterer Zuschnitt gewählt. Die Fragen der Moderatoren an den Römer Giorgio Calandrelli (Gamertag: POW3R) und die Bozner Tischtennis-Olympionikin Debora Vivarelli wurden mit recht allgemeinen Fragen hin zu Gemeinsamkeiten gelenkt. Dazwischen „maßen“ sich der professionelle E-Sportler, der durch im Alter nachlassende Reflexe mit 31 auf sein Karriereende zuschlendern dürfte, und die Boznerin in ungleichem Setup.
Erst sollte POW3R Vivarelli in den Grundzügen des Multiplayer-Spiels Fortnite unterweisen - was auf einer Bühne und vor Publikum nicht besonders unterhaltsam und für die Sportlerin sicherlich stressig war, wenngleich Vivarelli sich nicht ungeschickt anstellte. Dann ging es an einen digitalen Reflextest, den Vivarelli für sich entschied, weiter an den Tischtennistisch (mit klarem Ausgang) und schließlich, mit Virtual Reality Brille an einen digitalen Tischtennistisch. Hier wurde die Partie noch einmal verhältnismäßig spannend, da anfänglich beide gewisse Orientierungsschwierigkeiten zwischen virtueller Realität und Bewegungssteuerung hatten. Debora Vivarelli siegte am Ende souverän mit 10 zu 6, nachdem sie sich ans neue Umfeld gewöhnt hatte, wenngleich sie am Ende (versehentlich) einen ihrer beiden Controller nach Calandrelli warf.
Dazwischen tat sich im Talk eine Welt an gesuchten und gefundenen Gemeinsamkeiten auf und, ja, auch ein eSportler betreibt Sport, sogar ganz und gar analogen. Für POW3R ist dieser Ausgleich und Vorbeugung zugleich (gegen Karpaltunnelsyndrom, Rückenprobleme oder Sitzzysten etwa) . Zu seinem Team gehören, wie bei den allermeisten Spitzen-Sportlern und professionellen eSportlern unter anderem auch, ein Sportmediziner und ein Sportpsychologe. „Ich denke hinter uns beiden stehen etwa 10 Personen, die keiner sieht und von denen nur wir die Namen kennen“, sinniert der Römer, der aber auch große Unterschiede erkennt. Bis auf einige gängige Klassiker fluktuiert die Welt des elektronischen Sports stark darin, welche Titel gerade große Aufmerksamkeit und damit verbundene Preisgelder erhalten. Man müsse daher formbar bleiben und in mehreren Spielen trainieren, so der Römer, der sich in diesem Sommer vom Spiel Fortnite getrennt hat. „Weil es mir keinen Spaß mehr gemacht hat, man fängt immer wieder von Null an.“
Auf visueller Ebene hatte auch Debora Vivarelli bereits digitales Training absolviert, da ihr ihr Trainer während der Pandemie eine Software für das Augentraining zur Verfügung gestellt hatte, um den schnellen Ballwechseln folgen zu können. Eine „Off-Season“ gibt es bei beiden Indoor-Sportarten nicht, es gilt am Ball zu bleiben. Natürlich gibt es damit, wenn man möglichst lückenlos die begrenzten Jahre der eigenen Leistungsspitze ausnutzen will, immer wieder auch persönliche Tiefs, aus denen dann ein gutes Ergebnis heraushelfen kann. Vivarelli: „Man hat diese Zweifel: Kann ich das überhaupt noch? Dann kommt diese eine Partie, die einem zeigt, vielleicht kann ich es noch… Und man beginnt alles positiver zu sehen.“
Ist der Körper das eigene Kapital, dann geht man auch außerhalb des eigenen Sports achtsamer und vorsichtiger mit ihm um, wissen beide, Giorgio Calandrelli gesteht allerdings auch, über die Stränge zu schlagen. Debora Vivarelli ist dagegen beim „Bier Pong" zu erfolgreich, um im Rausch zu enden. Abschließend finden beide Sportler:innen in Anekdoten noch einen gemeinsamen Gegenspieler, den der eine verkatert und die andere übermüdet ausgespielt haben: Der eigene Kopf. Ist für Debora Vivarelli Tischtennis auch „ein 100 Meterlauf während man Schach spielt“, so hilft es manchmal doch einfach, an nichts zu denken.