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Kanton Nichtmehrübrig

Ob ein kleiner, politischer Furz zu einer Grenzverschiebung zwischen EU und Schweiz führen könnte?
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Foto: bk (nach d-maps.com)

Pünktlich zu 100 Jahre St. Germain und noch pünktlicher zu den anstehenden Nationalratswahlen in Österreich und den Parlamentswahlen in der Schweiz hat der St. Galler Kantonsrat Martin Sailer eine nicht ganz unemotionale Debatte ins Rollen gebracht: In einer Interpellation, wie es dortzulande so schön heißt, will er von der Kantonsregierung wissen, wie sie denn zu einem Anschluss Vorarlbergs an die Schweiz stünde.

Niemand wolle jemanden annektieren, sondern nur eine Diskussion anregen, wie er empört das zu erwartende, prompte Echo manch strammer Österreichischer Medien zurückwies. Nichtdestotrotz konnte er sich nicht verkneifen, anstatt Vorarlberg mit dem Rang des 27. Kantons zu würdigen, gleich über den Anschluss des Ländles an seinen Kanton nachzudenken. Nun muss man sich vor Augen halten, dass es zwar weniger Gsiberger als Sankt Galler gibt, flächenmäßig Vorarlberg aber größer ist, da dem fast Donat-förmigen Kanton bekanntlich im Mittelstück die Quadratkilometer der beiden Appenzell fehlen. Freilich könnte sich bei einem Zusammenschluss auf Augenhöhe Bregenz einwohnerzahlbedingt kaum gegen St. Gallen Stadt als Hauptort durchsetzen.

„Wir haben dieselbe Sprache und eine sehr ähnliche Kultur“, heißt es in Sailers Anfrage. Unerwähnt bleibt, dass die Vorarlberger im Unterschied zu den Schweizern großteils gegenreformiert wurden und als Billiglohnland auch eine gewisse Rolle im Wirtschaftsverhältnis der beiden Länder einnimmt. Argumente übrigens, die im Eidgenössischen Bundesrat zwei gewichtige waren, als man sich 1919 gegen den Anschluss Vorarlbergs entschied, obwohl bei einer Volksbefragung im Ländle sich 81 Prozent eben dafür ausgesprochen hatten. Es kam den Schweizern nicht ungelegen, dass St. Germain den Betondeckel über derartige Grenzverschiebungen gelegt hatte. Und so reiht sich das etwas hämische „Kanton Übrig“ seit damals zu den Spitznamen des Landes.

Ein Jahr vorher, als die Habsburgermonarchie implodierte, hatten es die Vorarlberger recht eilig, sich aus dem Verwaltungsapparat Tirols zu lösen, um die jahrelange, stiefmütterliche Beziehung zu beenden. Diese gewählte Distanz bestätigten sie, als sie 1993 beim zweiten Viererlandtag in Innsbruck verkündeten, sich lieber progressiv an der Europaregion Bodensee orientieren zu wollen, anstatt historisch angehaucht mit dem Bundesland Tirol, mit Südtirol und dem Trentino einen EVTZ zu kultivieren.

Mögen Bodensee, Pfänder oder eben der Rhein als verbindende Elemente einen besseren Job machen, als Arlberg samt Tunnel es taten. Mögen die Vorarlberger mit ihren Zugehörigkeitsbedürfnissen zu verdienter Ruhe kommen. Vielleicht würde es auch schon reichen, wenn gewisse, vorherrschende Lokalmedien das Thema nicht wiederholt pushen und mit Umfragen am brodeln halten.

Aber auch im Südtiroler Bewusstsein könnten wir wenigstens im gemeinsamen, 100-jährigen Schicksalsjahr von der bestrafenden Nichtbeachtung Vorarlbergs etwas mehr Abstand nehmen.

 

 

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gorgias Dom, 09/22/2019 - 16:39

>Aber auch im Südtiroler Bewusstsein könnten wir wenigstens im gemeinsamen, 100-jährigen Schicksalsjahr von der bestrafenden Nichtbeachtung Vorarlbergs etwas mehr Abstand nehmen.<

Oder auch. Wenn die Wollen dürfen warum dürfen wir dann auch nicht wollen?

Dom, 09/22/2019 - 16:39 Collegamento permanente