Società | Prävention

Obstplatz by night

Seit einem Jahr läuft das Projekt "Amici della Notte/Freunde der Nacht". Die Situation am Bozner Obstplatz hat sich verbessert. Anlass zum Ausruhen?

Sie sind es, die nahe am, nein, eher mittendrin im Geschehen sind. Und daher am besten davon erzählen können, was sich nachts im Herzen Bozens abspielt. Die Mitarbeiter des Forum Prävention. Wochenende für Wochenende finden sich eigens ausgebildete Experten und Expertinnen am Bozner Obstplatz ein, um mit dem Volk der Nacht zu sprechen, zu diskutieren, ihm zuzuhören. Und Aufklärungsarbeit im Bereich Alkohol- und Suchtmittelkonsum zu leisten. Vorrangig junge Menschen sollen angesprochen werden, aber auch Anwohner, Ordnungskräfte und Geschäftsleute. Im August 2013 wurde das Projekt "Amici della Notte/Freunde der Nacht" ins Leben gerufen, seit einigen Wochen sind auch die Carabinieri dabei. salto.bz hat mit Silvana Martuscelli vom Forum Prävention, und für das Projekt zuständig, gesprochen

Frau Martuscelli, welchen Zweck soll die Zusammenarbeit zwischen den Streetworkern vom Forum Prävention und den Ordnungskräften am Obstplatz in Bozen erfüllen?
Silvana Martuscelli: Vorweg möchte ich zwei Sachen, beziehungsweise Begriffe, klar stellen. Einerseits handelt es sich bei den Mitarbeitern des Forum Prävention nicht um Streetworker im eigentlichen Sinn. Sondern sie sind als Ansprechpartner für alle in der Bevölkerung am Obstmarkt da.

Und andererseits?
Andererseits ist es nicht wirklich eine Zusammenarbeit zwischen Ordnungskräften und dem Forum Prävention. In dem Sinn, dass wir zur Unterstützung der Ordungskräfte da sind. Wir stehen zwar gemeinsam am Obstplatz, aber jeder geht seiner Arbeit nach - jedoch mit einer gemeinsamen Zielsetzung: Prävention zu leisten. Außerdem sind es nur die Carabinieri, die sich seit einigen Wochen zu uns gesellt haben. Wir sind also nicht zur Unterstützung der Repressionsarbeit der Carabinieri anwesend, sondern gehen unserer Präventionsarbeit nach. Mit den Menschen sprechen, diskutieren, sie informieren und aufklären.

"Dass sich die Situation am Obstplatz zum Besseren gewendet hat, bedeutet noch lange nicht, dass sich gewisse Problematiken einfach 'entmaterialisieren'. Sie verlagern sich an andere Orte."

Wer sind die Mitarbeiter vom Forum Prävention, die an dem Projekt beteiligt sind?
Zur Zeit ist es ein Team von 10 Leuten. Männer und Frauen. Zweisprachig. Und kompetente ExpertInnen im Bereich Präventionsarbeit. Zwei aus dem Team sind übrigens nicht italienischer Nationalität. Sie sind für uns und unsere Arbeit ein riesiges Plus. Auf der einen Seite ist es für sie einfacher, gewisse Mentalitäten zu verstehen. Und auf der anderen wird in gewissen Situationen der Nicht-Autochtone als vertrauenswürdiger empfunden, als jemand, der einem näher steht. Und daher ist es einfacher, Konflikte zu lösen.

Wie ist die gemeinsame Präsenz bisher bei den Nachtschwärmern angekommen?
Unsere Mitarbeiter haben von einer großen Akzeptanz vonseiten des "popolo della notte" berichtet. Die Anwesenheit der Carabinieri wird ja häufig als einschüchternd empfunden. In diesem Fall soll aber genau dieser Eindruck beiseite gelegt werden. Es soll keine "Militarisierung" der Situation vermittelt werden, sondern auch die Carabinieri können sehr wertvolle Präventionsarbeit leisten.

"Wir stehen zwar gemeinsam am Obstplatz, aber jeder geht seiner Arbeit nach - jedoch mit einer gemeinsamen Zielsetzung: Prävention zu leisten."

Wie geschieht das?
Indem gewisse Dienste angeboten werden. Zum Beispiel kostenlose Alko-Tests. Oder die Verteilung von Info-Flyern. Auch die Anwesenheit von weiblichem Carabinieri-Personal soll dazu beitragen, den Argwohn, der den Carabinieri häufig entgegen gebracht wird, abzubauen.

Welches Ziel verfolgt die Initiative nun?
Unsere erklärte Absicht ist es, nachts für ein besseres Klima am Obstplatz zu sorgen. Und ein gemeinsames Konzept von der Arbeit am und mit dem Platz und seinen Besuchern zu schaffen. Dabei setzen wir wie gesagt in erster Linie auf Prävention. Repression soll erst als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Und effektiv ist es seit Anlaufen des Projekts im August 2013 erst zwei Mal notwendig gewesen, dass unsere Mitarbeiter die Carabinieri informieren mussten. Weil Probleme aufgetreten sind, in denen wir es nicht geschafft haben, erfolgreich zu intervenieren.

Man kann also insgesamt von einer erfolgreichen Initiative sprechen?
Im diesem konkreten Fall sicherlich. Und das insofern, als dass sich die Situation am Obstplatz mittlerweile beruhigt hat. In der Wahrnehmung der Bevölkerung ist eine Verbesserung der Lage eingetreten. Und doch müssen wir Vorsicht walten lassen.

"Unsere Mitarbeiter haben von einer großen Akzeptanz vonseiten des 'popolo della notte' berichtet."

Wie ist das zu verstehen?
Dass sich die Situation am Obstplatz zum Besseren gewendet hat, bedeutet noch lange nicht, dass sich gewisse Problematiken einfach "entmaterialisieren". Sie verlagern sich an andere Orte. "Den Fall Obstplatz lösen" kann also nicht die endgültige Lösung sein. Wir arbeiten dahingehend, ein stabiles, kreatives Netzwerk aufzubauen, das sich an verschiedene Situationen an verschiedenen Orten anpassen kann.

"Die zwei Mitarbeiter nicht italienischer Nationalität sind für uns und unsere Arbeit ein riesiges Plus. Für sie ist es einfacher, gewisse Mentalitäten zu verstehen. Und werden in manchen Situationen als vertrauenswürdiger empfunden."

Gibt es noch weitere "Baustellen"?
Im nächsten Jahr möchten wir die Dauer und Häufigkeit unserer Präsenzen ausweiten. Derzeit sind wir freitags und samstags jeweils von 20 bis 2 Uhr früh mit einem Team am Obstplatz anwesend. Dabei haben wir festgestellt, dass die Häufigkeit der Problematiken mit fortschreitender Stunde zunimmt. Also dann, wenn "die normalen Bürger" nach Hause gegangen sind. Etwa nach 1 Uhr. Und genau dann gilt es, präsent zu sein.