Politica | Interview

Die Leiden der Gemeinden

Gemeindeverbandspräsident Andreas Schatzer über die vorherrschenden Probleme der Gemeinden Südtirols und wie es in Zukunft weiter gehen soll.
Andreas Schatzer
Foto: Gemeinde Vahrn
  • Während sich auf Südtirols Politbühne fast alles nur noch um die Koalitionsverhandlungen dreht und ein offener Brief nach dem anderen auf den Landeshauptmann und die SVP einhagelt, sind die Gemeinden unserer Provinz mit diversen anderen Dilemmas beschäftigt. Welche diese sind und was man sich diesbezüglich vom Staat und der neuen Landesregierung erhofft, erläutert Andreas Schatzer im SALTO-Interview.

     

    SALTO: Herr Schatzer, mit welchen Problematiken sehen sich die Gemeinden Südtirols derzeit konfrontiert?

    Andreas Schatzer: Am Anfang sowie am Ende des Jahres spielt immer das Geld die große Rolle. Im Dezember beschäftigen sich die Gemeinden mit den Haushaltsvoranschlägen und deren Genehmigung. Hierbei ist folgender Trend zu erkennen: Die Einnahmen der Gemeinden sind Jahr für Jahr mehr oder weniger dieselben, während die Ausgaben immer weiter steigen. Dienste kommen dazu und die PNRR-Projekte haben einige Löcher in den Gemeindekassen gerissen, da damit nur ein Teil der Ausgaben für die umzusetzenden Projekte finanziert werden können. Hier hoffen wir weiterhin auf das Verhandlungsgeschick des Landeshauptmannes, damit zusätzliche Gelder locker gemacht werden können. 

     

    „Die Einnahmen der Gemeinden sind Jahr für Jahr mehr oder weniger dieselben, während die Ausgaben immer weiter steigen.“

     

    In Südtirol sind derzeit viele Menschen unzufrieden mit der sich anbahnenden Koalition. Gibt es auch von Seiten der Gemeinden Bedenken oder Ängste?

    Diesbezüglich habe ich nicht viel gehört. Vor allem, weil derzeit auch keine wirkliche Alternative im Raum steht. Wenn man möchte, dass die Autonomiebestimmungen, die einst zum Teil schon in trockenen Tüchern waren, wieder zurückgewonnen werden, dann denke ich, dass man diese Chance jetzt ergreifen muss. Für die Gemeinden ist unter anderem das Vergabegesetz von großer Bedeutung. Hier hängen wir viel zu sehr an den Bestimmungen des Staates. Dies ist für die Gemeinden durch die massive Bürokratie und die Kontrollen teils einfach nicht mehr zu bewältigen. Es gibt noch viele weitere Bereiche wie zum Beispiel den Umweltschutz oder die Raumordnung, in denen es von Vorteil wäre, wenn sie in der Kompetenz des Landes wären bzw. man wieder an alte Zeiten anknöpfen könnte. Wenn uns die Regierung also die Möglichkeit gibt vieles wieder geradezubiegen, denke ich, dass unser Landeshauptmann und die SVP gut daran tun, wenn sie diese Gelegenheit jetzt nutzen.

  • Andreas Schatzer: „Wir erhoffen uns, dass wieder ein paar Kompetenzen nach Südtirol zurückkommen." Foto: web
  • Was erwarten sich die Gemeinden von der neuen Landesregierung für die nächsten 5 Jahre?

    Primär erwarten wir uns, dass wieder ein paar Kompetenzen zurückkommen, damit Südtirol wieder eigene Bestimmungen machen kann und die Landesregierung und der Landtag diese Spielräume dann auch entsprechend nutzt. Des Weiteren erhoffen wir uns, dass die Bürgermeister, die in den Landtag gewählt worden sind und von denen es einige mit großer Wahrscheinlichkeit auch in die Regierung schaffen werden, dort auch ihren Weg als Gemeindeverwalter fortsetzen, auf die Gemeinden schauen und ihnen in gewissen Dingen auch den notwendigen Spielraum zum Gestalten geben. Nicht zuletzt müssen sie auch darauf achten, dass die notwendige finanzielle Ausstattung der Gemeinden gegeben ist. Außerdem hoffen wir auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit, verbunden mit dem Wunsch, dass wir, auch als Rat der Gemeinden, nicht als kleiner Bruder gesehen werden, der nach der Pfeife des größeren tanzen soll, sondern als gleichwertiger Partner ernstgenommen werden. 

     

    In der Gemeinde Abtei wird ein Teil der Ortstaxe für ein öffentliches Schwimmbad investiert. 
    Kann dieses Projekt auch anderen Gemeinden als Vorbild dienen?

    Grundsätzlich ist es durch das Gesetz der Aufenthaltsabgabe jeder Gemeinde möglich, einen Teil der Ortstaxe sowohl für die zu verrichtende Arbeit einzubehalten, als auch Teile davon in die Finanzierung oder die Führung von tourismusreleventen Infrastrukturen zu investieren. In diesem Zusammenhang sprechen wir nicht von der Basisortstaxe, sondern von eventuellen Erhöhungen, die vom Gemeinderat nach einem Gutachten des Tourismusvereins beschlossen werden. Nachdem die entsprechende Durchführungsverordnung die Bestimmungen des Gesetzes nicht ganz widerspiegelt, bin ich der Meinung, dass hier dringend Klarheit geschaffen werden muss, wobei für die Gemeinden das Prinzip der Mitfinanzierung von tourismusrelevanten Dienstleistungen und Infrastrukturen wichtig und daher unerlässlich ist. 

     

    „Ich bin der Meinung, dass hier dringend Klarheit geschaffen werden muss.“

     

    Vor knapp einem Jahr wurde die „Super-GIS“ Steuer für Zweitwohnungen eingeführt. Wie ist das Ergebnis und wie haben die Gemeinden die Steuer aufgenommen?

    Die Reaktionen waren durchwachsen. Einige Gemeinden haben Rekurs beim Verwaltungsgericht eingereicht. Nachdem sie dabei nicht recht bekommen haben, sind einige von ihnen, so habe ich gehört, jetzt auch vor den Staatsrat gegangen. Ich denke grundsätzlich aber schon, dass die Super-GIS ein Schritt in Richtung Vermietung von leerstehenden Wohnungen ist. Da die Ergebnisse der Steuer zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht bekannt sind, muss man mit der Bewertung zunächst noch abwarten. Es geht aber primär nicht darum, ob sie den Gemeinden einen finanziellen Nutzen gebracht hat, sondern vor allem darum, ob sie ihren eigentlichen Zweck erfüllt hat und leerstehende Wohnungen vermietet werden. Dringend warten wir jedoch darauf, dass auch die Steuer der Mieteinnahmen gesenkt wird, um einen weiteren Vorteil für die Vermietung zu haben. 

     

    Aus einer Eurac-Studie geht hervor, dass es in knapp zwei Dritteln der befragten Gemeinden Südtirols kein Integrationsleitbild für Migranten gibt. Viele Integrationsbeauftragte bezeichnen sich selbst als Einzelkämpfer. Sind die Gemeinden mit der Integration überfordert? Braucht es diesbezüglich mehr Unterstützung vom Land?

    Ich glaube, dass die Integration in den Gemeinden schon halbwegs funktioniert. Das große Problem ist aber auf jeden Fall die Wohnungssuche für Migranten. Wenn die betroffenen Personen aber eine Wohnung und eine Arbeit gefunden haben, bemühen sich die Gemeinden grundsätzlich sehr wohl um die Einbindung dieser Menschen in die Gesellschaft. Mit der dafür zuständigen Landesstelle braucht es in bestimmten Punkten aber vielleicht noch eine bessere Koordination.

  • Markus Dejori, Bürgermeister von Welschnofen: "Unsere Ressourcen sind erschöpft." Foto: Gemeinde Welschnofen

    Der Bürgermeister der Gemeinde Welschnofen, Markus Dejori, fordert die Schließung des dortigen Flüchtlingsheimes, weil man sich mit den Problematiken wie zum Beispiel Wohnungssuche allein gelassen fühlt. Werden solche Phänomene künftig häufiger auftreten?

    Es ist ja ganz einfach: Wir benötigen Arbeitskräfte aus anderen Ländern, tun uns jedoch schwer, Unterkünfte oder Wohnungen für diese Personen zu finden. Es kann aber nicht sein, dass zum Beispiel ein Migrant tagsüber arbeitet, aber abends dann obdachlos ist. Der Staat macht es uns in diesem Hinblick aber auch nicht leicht, da die Bewohner der CAS-Unterkünfte nach Bearbeitung ihres Asylantrags, egal ob mit positivem oder negativem Ergebnis, die Einrichtung verlassen müssen und somit auf der Straße landen. Für die Personen mit positivem Asylantrag gilt es dann, in kürzester Zeit eine Arbeit und vor allem auch eine Wohnung zu finden. Ein Unterfangen, das sich in den meisten Fällen als nicht einfach erweist.

  • Erwarten Sie sich in diesem Zusammenhang also mehr Unterstützung vom Staat?

    Auf alle Fälle. Man kann doch nicht Gesetze erlassen, die bewirken, dass die Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte von einem Tag auf den anderen ihr Dach über dem Kopf verlieren. Wo sollen diese Menschen hin? Vor allem, wenn ihr Verfahren positiv angeschlossen wurde. Wenn es negativ bewertet wurde, müssten die Betroffenen das Land verlassen. Wenn sie dies nicht tun, sollten sie eigentlich abgeschoben werden, was aber wiederum nicht möglich ist, da auch hierfür die nötigen Einrichtungen und Voraussetzungen fehlen. Es kann aber genausowenig sein, dass dann die Gemeinden Aufgaben übernehmen müssen, weil diese Personen dann eben obdachlos sind. 

Bild
Profile picture for user Am Pere
Am Pere Ven, 12/22/2023 - 14:11

Südtirol ist in einem erschreckenden Zustand. Nicht nur, dass gewisse von den Wählern abgestrafte Politiker glauben sie könnten Kompetenzen gewinnen indem sie Koalitionen mit rechtsnationalisitischen, homophoben und zentralistischen Parteien eingehen, nein, man kann sich auch einen Mittelschulabsolventen leisten, der mit Anzug und Krawatte versucht ein System schönzureden, das desaströs organisiert ist.
Im Zeitalter der Digitalisierung glaubt Südtirol, dass jedes Dorf noch sein eigenes Steuer- und Bauamt haben muss und dass man mit dem Hungergeld, das man den öffentlichen Bediensteten gibt, diese auch noch Top-Qualität bei ihrer Arbeit abliefern. Dass ein Land mit 550.000 Einwohner sich 116 Gemeinden, Bezirksgemeinschaften und andere öffentliche Institutionen en masse leisten kann, ist vollkommen absurd. Hier bräuchte es tiefgreifende Verwaltungsreformen, die weder der Rhetoriker vom Schlern noch der Mittelschulabgänger aus Vahrn zu leisten imstande sind.

Ven, 12/22/2023 - 14:11 Collegamento permanente
Bild
Profile picture for user Josef Fulterer
Josef Fulterer Ven, 12/22/2023 - 19:34

Geld könnte -m a n- auch sorgfältiger ausgeben.
Das leidige Gejammer um noch mehr Beiträge ist nicht sehr produktiv. Von 3 über die Steuer eingesammelten EUROs, kommt besten Falls 1 müder Euro für die wirklichen Ausgaben der Investitionen + Netto-Gehälter an.
Die 2 Euro verbratet man für das Einkassieren der Steuer,
für den Rattenschwanz von technische Spesen,
der Überprüfung der Projekte,
den feudalen Politiker-Ehrenamts-Vergütungen,
allerhand angeblich notwendige Gutachten + Überprüfungen + Kollaudierungen,
übertriebene Sozial-Abgaben,
die saftige MWST +
hoffentlich ohne hinter dem Hintern aufgehaltener Hände.

Ven, 12/22/2023 - 19:34 Collegamento permanente