Politica | SVP
Der abgehörte Bezirksobmann
Es war der letzte Punkt auf der Sitzung der SVP-Parteileitung. „Klärung verschiedener interner Angelegenheiten“, lautet der unschuldige Titel des Tagesordnungspunktes. Spätestens seit einer Woche ist klar, dass es bei dieser Klärung zum großen Donnerwetter unter dem Edelweiß kommen wird. Eigentlich sollte bereits am vergangenen Montag ein Art Vorlauf stattfinden. Doch bei der Sitzung des SVP-Parteipräsidiums vor einer Woche glänzte der Mann, der im Mittelpunkt stehen sollte, noch mit Abwesenheit. Christoph Perathoner, amtierender Obmann des SVP-Bezirkes Bozen Stadt und Land und lange Zeit auch Vorsitzender der SVP-Bezirksobmänner.
Perathoner, der informiert war, zog es vor sieben Tagen vor, der Sitzung fern zu bleiben. So konnte man am vergangenen Montag lange über den Konflikt zwischen Jasmin Ladurner und Thomas Widmann reden.
Gestern auf der virtuellen Sitzung der Parteileitung war der Bozner Anwalt dann wieder mit dabei. Und es sollte kein Honigschlecken für Christoph Perathoner werden.
Verständlich wird das, wenn man die brisanten politischen und persönlichen Hintergründe kennt.
Die Vorgeschichte
Christoph Perathoner war lange Zeit einer der aufsteigenden Politsterne unterm Edelweiß. Der smarte junge Grödner Anwalt, anfänglich in der Kanzlei des damaligen SVP-Obmannes Siegfried Brugger tätig, wurde als große ladinische Polithoffnung gehandelt. Jahrelang schien es nur noch eine Frage der Zeit, wann der SVP-Politiker in den Landtag, nach Rom oder nach Europa gehen würde. Selbst seine ärgsten Feinde können dem Verfassungsjuristen und Universitätsassistenten nicht absprechen, dass es das Zeug dazu habe.
Perathoners Pech: Immer war ihm im entscheidenden Moment ein anderer im Weg. Vor allem innerhalb der SVP Ladina. So wurde er zuerst beim geplanten Sprung ins Europaparlament von Herbert Dorfmann ausgebremst. Als es dann so ausschaute als könne Christoph Perathoner 2013 nach Rom wechseln, wurde er von Daniel Alfreider ins Abseits gestellt. Fünf Jahre später wiederholte sich das bei den Landtagswahlen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Feindschaft zwischen dem Gadertaler Alfreider und dem Grödner Perathoner längst eine Konstante unterm Edelweiß.
Von Anfang an hat Christoph Perathoner aber nicht nur politische Ambitionen. Noch unter dem legendären SAD-Macher Piero Maccioni wird der Anwalt Präsident der SAD Ag. Es ist finanziell ein sehr lukratives Amt. Perathoner bleibt auch SAD-Präsident als Ingomar Gatterer das Südtiroler Nahverkehrsunternehmen übernimmt.
Schon bald führt das aber zu einem Interessenskonflikt. Denn Gatterer und die SAD gehen immer härter mit dem Land öffentlich ins Gericht und überhäufen die Landesregierung und die Landesverwaltung mit Klagen. Dabei ist Christoph Perathoner einer der höchsten SVP-Funktionäre.
2018 wird diese Doppelgleisigkeit innerhalb der SVP offen diskutiert. Schon damals spricht man die Weitergabe von Insider-Informationen an. Perathoner muss das Amt des Vorsitzenden der Bezirksobmänner an Meinhard Durnwalder abgeben. Zudem drängt man SVP-Obmann Philipp Achammer zu einem Ultimatum: Perathoner muss sich entscheiden. Entweder SVP oder SAD. Im Juli 2018 tritt Christoph Perathoner deshalb als SAD-Präsident zurück. „Es ist eine Entscheidung zugunsten der Partei“, wurde der Schritt öffentlich kommuniziert. Der Bozner Anwalt hat durch diese Entscheidung sicherlich auf viel Geld verzichtet.
Die Abhörungen
Dass dieses Thema jetzt fast drei Jahre später aber innerhalb der SVP wieder hochkocht, liegt an einem Gerichtsfall. In der sogenannten Bus-Affäre hat die Staatsanwaltschaft Bozen zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 monatelang die Telefone von Ingomar Gatterer und SAD-Direktor Mariano Vettori abgehören lassen. Dabei wurden auch Dutzende Anrufe mit oder von Christoph Perathoner mitgeschnitten.
Weil sowohl Arno Kompatscher als auch Daniel Alfreider in das Verfahren verwickelt sind und die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft inzwischen abgeschlossen sind, haben sie und ihre Anwälte Einblick in diese Unterlagen erhalten. Einer dieser Anwälte ist Karl Zeller, Vizeobmann der SVP.
Nach Informationen von Salto.bz geht aus den Abhörprotokollen hervor, dass Christoph Perathoner:
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versucht habe innerhalb der SVP an konkrete Informationen über die von der Landesregierung geplante Inhouse-Lösung im Nahverkehr zu kommen, um diese dann an Gatterer weiterzugeben;
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aktiv den persönlichen Kreuzzug Gatterers gegen Daniel Alfreider und gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher unterstützt habe. So beglückwünscht er in einem Gespräch Ingomar Gatterer, dass dieser den Landeshauptmann über die Tageszeitung Dolomiten angreife, weil die Ebners die einzigen seriösen Gegner Kompatschers seien;
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nach der Abstimmung in der SVP-Parteileitung über die neue Landesregierung im Jänner 2019 detailliert darüber berichtete, wer sich für Alfreider ausgesprochen habe. Worauf Gatterer, dann einige dieser SVP-Exponenten kontaktiert hat;
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mehrmals behauptet, dass hinter allen Entscheidungen im Südtiroler Nahverkehr die „Clique um Martin Ausserdorfer und Heinz Peter Hager stecke“ und selbst der Landeshauptmann nur eine Marionette sei;
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Gatterer vorab darüber informierte, welche Dienste die STA in Zukunft von der SAD übernehmen wolle;
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vor den Landtagswahlen 2018 alles getan habe, um den Gadertaler SVP-Kandidaten Manfred Vallazza zu unterstützen, obwohl Daniel Alfreider der Kandidat aus seinem Bezirk war;
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nach Bekanntwerden der sogenannten Hütten-Affäre Druck machte, dass man Alfreider nicht zum Landesrat ernenne.
Vor diesem Hintergrund sollte es jetzt in der SVP-Parteileitung zu einem klärenden Gewitter kommen. „Da redet man groß über ein Like von Jasmin Ladurner und das will man einfach unter den Tisch kehren“, ärgert sich ein Parteileitungsmitglied vor der Sitzung.
Die Sitzung
Am Montagnachmittag wurde dann auf der Sitzung der Parteileitung eines schnell klar: Sowohl der Angriff als auch die Verteidigung hatten genügend Zeit gehabt, ihre Spielzüge vorzubereiten. Das eigentliche Problem war aber, dass der Großteil der SVP-Funktionäre, die online waren, den Inhalt der Abhörungen nicht kennen. Deshalb war es für viele der Anwesenden schwierig, den Impetus der Diskussion und den Vorwürfen überhaupt zu folgen.
Es war Daniel Alfreider, der das Eis brach. Der Mobilitätslandesrat illustrierte die Problematik, griff Perathoner an und verlangte, dass die Partei Konsequenzen ziehen müssen.
SVP-Obmann Philipp Achammer direkt angesprochen, übergab das Wort unmittelbar an Christoph Perathoner persönlich. Der Bozner Bezirksobmann versuchte daraufhin bewusst, die gesamte Affäre kleinzureden. Wobei er dabei durchaus gescheit und geschickt vorging. So zeigte er sich reumütig und sagte mehrmals offen, dass ihm heute viele der von ihm gemachten Aussagen leidtäten. Perathoner verwies auf die schwierige Persönlichkeit von Ingomar Gatterer und die Tatsache, dass er als SAD-Präsident damals einfach zwischen zwei Fronten geraten sei. „Ich habe den Konflikt inzwischen mit Daniel Alfreider längst geklärt“, erklärte Christoph Perathoner vor der Parteileitung.
Dann aber holte Karl Zeller zum Gegenschlag aus. Der SVP-Vizeobmann und Alfreider Anwalt wies nach, dass Perathoner zum Zeitpunkt der Abhörungen das Amt des SAD-Präsidenten bereits seit über einem Jahr zurückgelegt hatte und in Wirklichkeit als Gatterers politischer Berater fungierte. Zudem legte Zeller mehrere aus den Abhörungen gemachte Aussagen vor. Der SVP-Vizeobmann warf Perathoner offen parteischädigendes Verhalten vor. „Er hat Perathoner richtig zu Sau gemacht“, beschreibt es eine SVP-Funktionärin salopp.
Es war Franz Locher der daraufhin das Wort ergriff. Der Sarner Landtagsabgeordnete meinte sinngemäß, dass die Menschen derzeit andere Sorgen hätten und dass man diese alten Geschichten ruhen lassen solle. Locher drehte den Spieß einfach um. „Was du hier tust ist parteischädigend“, raunzte er Zeller an.
Andere SVP-Funktionäre, die ebenfalls in Abhörprotokollen vorkommen, zogen es am Montag in der Parteileitung vor, sich an der Diskussion nicht zu beteiligen.
Damit übernahm Philipp Achammer wieder die Regie. Der SVP-Obmann erklärte, dass er über die Abhörungen nichts wisse und deshalb auch nichts dazu sagen könne. Er hätte aber mehrere SMS erhalten mit dem Einwand, dass die SVP-Parteileitung nicht der richtige Ort sei, um diese Dinge zu besprechen. „Man sollte diese Sache in einem kleineren Kreis unter den Betroffenen klären“, meinte der SVP-Obmann. Mit diesem Vorschlag einer Aussprache war die Luft in der SVP-Parteileitung vorerst draußen.
Man hat damit Zeit gewonnen. Beendet ist diese SVP interne Affäre aber noch lange nicht.
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