Wohin mit dem Tourismus?
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Wem nützt eigentlich der Tourismus und welchen Sinn verfolgt er? Über diese und ähnliche Fragen philosophierten in diesen Tagen Expertinnen und Experten aus aller Welt in Bozen. Wie der „Head of the Center for Advanced Studies“ an der Eurac, Harald Pechlaner erklärt, kam es zu dem zweitägigen Workshop vor allem aufgrund der internationalen Tourismussituation. Die Verdrossenheit der Gesellschaft gegenüber dem Fremdenverkehr nimmt spürbar zu und das obwohl, so Pechlaner, das quantitative Wachstum des Tourismus in Europa in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. „Wir werden auch in den nächsten Jahren noch mit dem Phänomen, das wir allgemein als Overtourismus bezeichnen, zu kämpfen haben“, so der Experte. In diesem Zusammenhang legte der Workshop deshalb großen Fokus auf den Aspekt Zukunft des Tourismus, denn darüber, dass der Tourismussektor ein Umdenken benötigt, waren sich alle der anwesenden Experten einig. Ziel müsse Pechlaner zufolge sein, das Welterbe (Natur und Kultur) mit der Zukunft zu verknüpfen. Das Zukunftsdenken sei essenziell, wenn es darum geht, etwas zu verändern. Es dürfe jedoch nicht nur beim Denken bleiben, es müsse auch gehandelt werden.
„Wir müssen aufpassen, dass uns das ganze Tourismussystem nicht aus den Händen gleitet.“
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Overtourismus
Laut Harald Pechlaner ist der Begriff „Overtourism“ in der Wissenschaft noch nicht eindeutig definiert. Er selbst bezeichnet die Thematik als ein gesellschaftliches Phänomen, das den Beginn von sozialen Konflikten markieren kann. Es handle sich dabei um ein weit diffuses Unzufriedenheitsgefühl der Bevölkerung mit der aktuellen Tourismussituation am jeweiligen Ort. Das Phänomen könne, müsse aber nicht zwingend von einem „overvisiting“ also dem Überbesuchen, ausgelöst werden. Wie der Experte der Eurac weiter erläutert, würde die Problematik erst dann verschwinden, wenn eine ganze Gesellschaft ihre Lebensstile ändert, hin zur Nachhaltigkeit.
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Der Grundgedanke, dass Tourismus sowohl die Fähigkeit besitzt, soziale Konflikte auszulösen, als sie auch zu verhindern, zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Kurt Luger, „UNESCO Chair Cultural Heritage and Tourism“, Universität Salzburg vertritt eine starke Meinung: „Wir müssen aufpassen, dass uns das ganze Tourismussystem nicht aus den Händen gleitet.“ Ihm zufolge sei der Fremdenverkehr weit mehr als nur ein Wirtschaftssektor, weshalb man die kulturellen, sozialen und ökologischen Dimensionen noch viel weiter erarbeiten müsse. Aufgrund dessen sollten sich Touristiker in seinen Augen von großen Tourismusberatern distanzieren, da diese immer nur wirtschaftliche Interessen vertreten würden. „Ein großes Problem ist, dass die Touristiker nicht auf die Wissenschaft hören“, bedauert Luger.
Auch Pechlaner stimmt zu und äußert provokant: „Auch die Soziallandesrätin könnte Tourismuslandesrätin sein, schließlich ist der Fremdenverkehr nicht rein wirtschaftlich zu betrachten.“
Wie Wolfgang Georg Arlt, „Head of China Outbound Tourism Research Institute“ weiter erklärt, könne sich der Tourismus nur nachhaltig weiterentwickeln und in Zukunft anders gestalten, wenn alle sechs wichtigen Stakeholder, nämlich Gäste, Bevölkerung, Mitarbeiter, Betriebe, Regierungen und die Umwelt, davon profitieren. Allein mit Kompromissen, die einige, aber nicht alle Interessensgruppen betreffen, komme man nicht voran, was man an aktuellen Lösungsansätzen bereits beobachten könne. Ein Problem sieht Arlt auch darin, dass keine relevante Institution Interesse daran habe, den Klimawandel abzubremsen, weder eine Regierung noch irgendein Konzern. -
Veränderung des Tourismus
Die Generationen wandeln sich und mit ihnen auch das Verhalten der Bevölkerung. Dies erkennt man auch am Reiseverhalten beispielsweise der Generation Z. Hier ist festzuhalten, dass diese Generation deutlich häufiger reist als andere Altersgruppen, bis zu neunmal so oft. Dabei geht der Trend weg von klassischen zweiwöchigen Sommerurlauben und hin zu vielen kleineren Reisen über das ganze Jahr verteilt. Weiters rücken auch Solo-Reisen immer mehr ins Rampenlicht. Einen großen Einfluss auf das Reisen von heute hat Social Media. Wolfgang Georg Arlt erläutert, dass hier vor allem asiatische Länder klar die Nase vorn haben. „Bewohner von chinesischen Dörfern nutzen die sozialen Netzwerke, um ihre traditionelle Lebensweise zu posten, den Stadtbewohnern aus Shanghai zum Beispiel gefällt das.“
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Dann fangt mal an, den Begriff klar zu definieren. Das darf ja ruhig mal auch in Südtirol passieren. Schließlich haben wir eine hundertjährige Erfahrung mit Tourismus.