Die Rekurswelle schwappt über
Das Südtiroler Modell scheint Schule zu machen. Dabei war der Skandal um die unangemessen hohen Summen, die Regionalpolitiker nach Ausscheiden aus der Politik kassieren und um die Rekurse, die von Kürzungen Betroffene einlegen, in der Lombardei losgetreten worden. Als dort im September im Regionalrat eine Kürzung der Renten um zehn Prozent beschlossen wurde – diese sollten als eine Art “Solidaritätsbeitrag” einbehalten werden –, dauerte es nicht lange, bis zahlreiche Altmandatare einen Rekurs beim regionalen Verwaltungsgericht (TAR) ankündigten.
Nun könnten die Regionalräte selbst, und somit die Steuerzahler, indirekt für die Kosten der Rekurse aufkommen müssen.
Die Welle schwappt über
Nach dem mehr als zur Genüge bekannten Vorgängen in Südtirol und dem Trentino hat die Rekurswelle nun auch die Region Latium erfasst. Vergangene Woche war dort im Regionalrat einstimmig das Alter jener Regionalratsabgeordneten, die Anspruch auf eine Leibrente haben, von 50 auf 60 Jahre angehoben worden. Zusätzlich wurden Solidaritätszahlungen beschlossen, die jene Altmandatare entrichten sollen, welche bereits eine Leibrente beziehen. Diese hatten bereits vor Öffentlichmachung der Verordnung angekündigt, gegen all jene Bestimmungen zu rekurrieren, die ihre erworbenen Rechte, ihre “diritti acquisiti” beschneiden.
“Diritti finora intangibili, ma parliamo di diritti che i titolari hanno garantito a se stessi con leggi votate da lor signori” (Sergio Rizzo)
Unterstützt in der Bestätigung dieser “erworbenen Rechte”, auf die die ehemaligen Regionalpolitiker beharren, werden sie vom Coordinamento nazionale delle associazioni di consiglieri ed ex consiglieri regionali e di ex deputati delle assemblee regionali und dessen regionalen Ablegern. Der Vorsitzende auf nationaler Ebene, Stefano Arturo Priolo, hat vor knapp zwei Wochen einen Brief an den Präsidenten der Conferenza delle Regioni e delle Province autonome sowie an die Präsidenten der Regionen und die Landeshauptleute geschickt, in denen er mit einer Flut an Protesten und Rekursen droht, “per resistere in giudizio ovunque contro l'attacco a giusti e legittimi diritti acquisiti”. Ein weiterer Brief der Ex-Mandatare ging an Staatspräsident Giorgio Napolitano. Darin drohten sie mit dem Gang vor den Verfassungsgerichtshof, um im Ernstfall ihre Rechte einzuklagen.
Zahlen wir die Rekurse der ex consiglieri?
Es ist der Schlachtruf “I diritti acquisiti non si toccano”, der die Altmandatare in Lombardei, Trentino-Südtirol und Latium eint. “Diritti finora intangibili, nonostante la loro particolarità: perché parliamo di diritti che i titolari hanno garantito a se stessi con leggi votate da lor signori”, schreibt Sergio Rizzo in der Onlineausgabe des Corriere della Sera vom Samstag.
Der erfolgreiche Wirtschaftsjournalist und Ko-Autor des Buches “La Casta” weist auf ein weitere Pekuliarität hin, die den ganzen Wirbel noch absurder und kostspieliger für die Steuerzahler gestalten könnte: Jene regionale Ableger des staatsweiten Zusammenschlusses der ehemaligen regionalen Abgeordneten, die den rekurrierenden Altmandataren beistehen – die Associazione degli ex cosiglieri – finanzieren sich neben der Einhebung von Mitgliedsbeiträgen auch über Zuschüsse der Regionalräte. Jener Regionalräte, gegen die die ex consiglieri nun klagen wollen.
Es offenbart sich ein
Es offenbart sich ein unglaubliches Ausmaß der Geldgier, welche zudem den Verstand der Rekurssteller eingenebelt zu haben scheint. Denn diese argumentieren mit professionell unschuldigem Augenaufschlag, es gehe ihnen eigentlich nur um die "erworbenen Rechte", ein Prinzip welches alle Rentner beträfe. Wir alle aber wissen, dass die Landtagsabgeordneten das ganze Politpensions- Pfründeverfahren selber genehmigt haben, also mit vorliegendem Text und eigenhändiger Unterschrift, mit welchem sie sich aber Vorteile holten, welche der Normalbürger niemals geltend machen dürfte und auch nicht möchte, weil er sie eh als parteiische Bevorteilungen für sich selber sehen muss. Wer das unterschrieben hat, muss gehofft haben dass das niemals öffentlich bekannt wird.
Nein, es muss volle Öffentlichkeit in der Sache hergestellt werden, altrocchè privacy!