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Wie besteigt man einen Affogato?

Der Südtiroler Bergführer Simon Gietl im Gespräch über seine neue Eisklettertour „Affogato“ und die Vorzüge des Eiskletterns.
Eisklettern Gietl
Foto: Daniel Hug
  • Am 11. Dezember eröffneten der Südtiroler Bergführer Simon Gietl und der Deutsche Alpinist Martin Feistl eine neue Eiskletterroute in Südtirol, den „Affogato“ im Reintal im Tauferer Tal. Touren des Eiskletterns führen durch Eisrinnen, gefrorene Wasserfälle (sog. Eisfälle) und ähnlichem. „Es ist eine Hommage an alle, die mit Wasser kochen“ schreibt der 39-Jährige Simon Gietl auf Facebook über die Tour. Im Gespräch mit SALTO erzählt er uns von der neuen Tour, ihrem Namen und den „Problemen“ einer Tourenerschließung.

  • v.l: Martin Feistl & Simon Gietl: Gietl: „Du machst dir ja selbst das Leben schwer oder leicht.“ Foto: Daniel Hug

    SALTO: Wie kam die Idee, diese Route zu eröffnen und wie funktioniert das eigentlich konkret?

    Wir haben heuer schon fünf Erstbegehungen gemacht: Es ist nicht gerade selbstverständlich so viele neue Touren innerhalb von eineinhalb Monaten zu begehen, aber das Wetter war heuer fürs Eisklettern herausragend. Soviel Eis habe ich noch nie zuvor gesehen.

    Die Idee zum „Affogato” kam so: Ich habe zusammen mit Bergführer Konrad Auer links von einer unserer Neutouren einen klassischen Eisfall gemacht. Beim Abstieg sah ich eine neue Linie, die mir vorher nie auffiel. Ein Innsbrucker Freund rief mich zwei Tage später an und sagte, er hätte Lust, ein Abenteuer zu erleben. (lacht) Da fiel mir diese Linie wieder ein. Die Vorbereitung umfasst dann immer eine Recherche dazu, ob dieser Wasserfall schon einmal stand, ob es schon Beschreibungen gibt, ob diese Route schon einmal erschlossen wurde. Besonders beim Eisklettern, wo du die Absicherungen in das Eis setzt, kann es sein, dass du später keine Spuren mehr finden kannst, obwohl der Wasserfall schon begangen wurde. Nicht wie beim Felsklettern, wo man immer noch den einen oder anderen Haken finden kann.

    Wenn es die Möglichkeit gibt, dass dir die Natur eine Linie „schenkt“, dann versuchen wir es auch bestmöglich, so zu belassen ohne allzu vieler Spuren. Das hat etwas Spezielles. Die Natur so zu hinterlassen, wie wir sie antrafen. Unsere Fußabdrücke sind dann für die Nächsten, die kommen, nicht mehr zu sehen. Wir wollen da so wenig wie möglich eingreifen. Das motiviert mich, das gehört zur Leidenschaft des Alpinismus auch dazu.

  • In Aktion: Bei der Tour „Eywa“ in Pordoi Foto: Daniel Hug

    Welches sind die größten Probleme, die sich bei der Tourenerschließung stellen?

    (lacht) Gute Frage. Die Linie an sich macht dir keinerlei Probleme. Du machst dir ja selbst das Leben schwer oder leicht. Du steigst die Route ein. Es ist viel mehr ein Geschenk so etwas einsteigen zu dürfen. Es ist ein anderes Gefühl, wenn du weißt, du kletterst irgendwo, wo vor dir noch nie jemand kletterte. Da spielt der Abenteuergedanke eine Rolle. Du weißt nicht, ob du raufkommst, du weißt nicht auf was du dich einlässt. Du musst dich gut vorbereiten, aber je mehr du investierst, desto mehr nimmst du wieder mit. Probleme gibt es wirklich keine, es gibt nur Herausforderungen. Das Ziel ist, im schwierigsten Wandbereich die einfachste Linie zu klettern. Du kannst immerhin etwas klettern, was noch „jungfräulich“ ist. Rein in Taufers ist ein bekanntes Gebiet zum Eisklettern, da ist es noch spezieller, eine neue Linie zu finden.

  • Der „Affogato“: Die neue Tour aus den Federn von Gietl & Feistl Foto: Facebook: Simon Gietl

    „Das hat etwas Spezielles. Die Natur so zu hinterlassen, wie wir sie antrafen.“

    Und was meinen Sie in ihrem Facebook-Post mit einer Hommage für jeden, der mit Wasser kocht?

    Martin Feistl hatte mich vor fast 10 Jahren mal als Kursteilnehmer. Da wurde ich eingestellt, den Kollegen die Epik der Dolomiten beizubringen. Da war ich für ihn Ausbilder. Als wir uns dann einmal zu einer neuen Tour trafen, vergaß er die Steigeisen vor lauter Aufregung mit mir zu klettern, wie er sagte. Ich antwortete ihm mit einem Augenzwinkern, dass ich vor Aufregung heute mit ihm zu klettern, nicht schlafen konnte. Das war das Zeichen, dass auch jemand, der schon einige Kletterprojekte hinter sich hat, auch nur mit Wasser kocht, also auch nur ein Mensch ist.

    Beschreiben Sie uns ihre neue Route kurz und bündig.

    (lacht) Wie der Nachtisch: „süß, nicht zu viel davon essen und genießen.“ Es ist eine wunderschöne, aber auch anspruchsvolle und teilweise auch gefährliche Tour. Wir hatten auch ein wenig Glück, dass uns alles gut aufging. Deshalb entstand das mit dem Nachtisch.

    Der Name „affogato“ kommt von einem Eisfall in der Nähe, der wegen seines braunen Eises Eiskaffee heißt. Ein geiler Name. Wie so oft hat der Name etwas mit der Realität und mit der Erstbesteigung zu tun. Eine recht schwierige Tour in der Nähe benannten wir im Nachhinein „Cafè Corretto”. Da mussten wir nochmal was mit Kaffee machen.