Economia | Energie

Kleine Kreisläufe im Stromnetz

Die Zukunft der Energiewirtschaft ist heute Thema bei der Vollversammlung Südtiroler Energieverbandes. Für diese will die junge Interessensvertretung die bestehende Ordnung auf Südtirols Strommarkt gründlich umkrempeln.

Vier kleine Wasserkraftwerke, eine Photovoltaikanlage und zwei Fernwärmeheizwerke versorgen den Vinschger Ort Prad mit Strom und Wärme. Eigentümer der Anlagen ist das E-Werk Prad – oder besser die 1100 Mitglieder der Genossenschaft, der auch die Stromleitungen und das Fernwärmenetz gehören. Ein Modell, das den Pradern nicht nur Auszeichnungen als „comune rinnovabile“, sondern auch definitive Einsparungen bei den Strompreisen bringt: Der liegt in Prad um 23 Prozent unter dem staatlichen Richtpreis.

Was im Vinschgau Schule macht, ist am Mittwoch Vormittag auch Thema auf der zweiten Vollversammlung des Südtiroler Energieverbandes (SEV). Die Interessensvertretung von immerhin 301 heimischen Produzenten und Verteilern von Strom und Wärme, ist  2011 aus dem Zusammenschluss des Raiffeisen Energieverbandes und des Biomasse Verbandes Südtirol entstanden - und nun dabei, sich den gebührenden Platz in der heimischen Energielandschaft zu erobern.

Mit den Konzepten, die der Verband dafür mitbringt, steht er aber in vielerlei Hinsicht im Spannungsfeld zur Landesenergiepolitik. „Dort hat man bisher nach dem Vorbild Tiwag versucht alles zu zentralisieren, und die Gewinne aus der Produktion zur Finanzierung des Landeshaushaltes zu verwenden“, sagt der Obmann des E-Werk Prads und SEV-Vizepräsident Georg Wunderer.

Lokal statt zentral 

Laut der Vorstellung seines Verbandes soll der Spieß dagegen umgedreht werden. Denn die Schlagworte, mit denen der SEV die Energiewende begleiten will, heißen Dezentralisierung, Bürgerbeteiligung und lokale Wertschöpfung. Sprich: Stromverteilung und Produktion sollen so weit wie möglich von den lokalen Playern und auf der Ebene darüber über vier Kooperationsplattformen auf Bezirksebene abgewickelt werden. Vor allem aber sollen die Verbraucher auch außerhalb örtlicher Stromgenossenschaften die Möglichkeit erhalten, über Verbrauchergenossenschaften an günstigeren Strom als heute zu kommen – sei es über die direkte Beteiligung dieser Genossenschaften an Kraftwerken oder über den direkten Strombezug Bezug bei Erzeugern wie der SEL. „Wenn diese den Strom zum selben Preis an eine Genossenschaft abgeben würde, zu dem sie ihn heute an die Strombörse verkaufen, würde die Preise schon um einiges fallen“, sagt SEV-Geschäftsführer Rudi Rienzner.

Ein Modell, das europaweit immer mehr Anhänger findet, meinen die beiden Vertreter des Energieverbandes. Denn vor allem die explosionsartige Zunahme von Erzeugern im Zuge der Energiewende verlange nach kleinen Kreisläufen und einer engen Abstimmung von Produktion und Verteilung. Als Beleg dafür, verweist der Energieverband unter anderem nach Deutschland, wo es in den vergangenen Jahren zu einer breiten Rekommunalisierung von Stromnetzen gekommen sei. Ein aktuelles Beispiel dieses Trends: die Genossenschaft BürgerEnergieBerlin, die „das Stromnetz der Stadt übernehmen, die Millionengewinne daraus sinnvoll verwenden und die Energiewende selbst in die Hand nehmen will“, wie es auf ihrer Homepage heißt.

Umverteilung von öffentlichen Haushalten zu Bürgern

Auch in Südtirol spürt Rudi Rienzner langsam mehr Zuspruch für die Ideen des SEV. „Vor allem angesichts der akutellen fehlenden energiepolitischen Ausrichtung verspüren wir immer mehr Interesse“, meint er. Klar ist, dass das Zusammenspiel aus genossenschaftlicher Organisation und Dezentralisierung zu einer zumindest teilweisen Umverteilung der Gewinne aus der Energie führen würde: Statt indirekt über den Landeshaushalt bzw. Gemeindehaushalte sollten die Bürger direkt über einen vergünstigten Energiebezug davon profitieren.

Für wie realistisch hält E-Werk-Obmann Georg Wunderer die Umsetzung dieses „Zweiten Wegs“, wie der SEV seine energiepolitischen Visionen nennt: „Unter dem jetzigen Landeshauptmann haben wir wohl keine Chance“, antwortet er. „Und in Zukunft wird sich zeigen, ob die Politik die Zeichen der Energiewende erkennt.“