Società | Salto Paper
Online in Bewegung
Foto: Othmar Seehauser
SALTO, damals salto.bz, hatte im Sommer 2012 seinen Anlauf genommen. Was genau daraus werden sollte, war der Gruppe, die sich zuvor als Genossenschaft Demos 2.0 zusammengeschlossen hatte, noch nicht klar. Fest stand immerhin: Es sollte eine partizipative Plattform für Begegnung und Austausch sein. Es sollte zweisprachig sein. Und das Ganze sollte im Internet stattfinden.
Rückblende: In den frühen 2010er Jahren standen so gut wie alle Medien vor der Frage, wie sie ihre Blattlinie online übersetzen könnten. Sollte das Internet vor allem der eigenen Präsentation dienen? Sollten Redaktionen auch eigens online produzieren oder könnte ein digitales Format wie ein E-Paper ausreichen? Auf dem lokalen Markt beantwortete das Wochenmagazin ff diese Fragen mit einem Internetauftritt mit Schaufensterfunktion, über den Abonnent*innen zum E-Paper gelangten. Die Neue Südtiroler Tageszeitung präsentierte damals noch ihre aktuelle Nummer, schaltete aber immerhin vier ausgewählte Artikel online frei. stol.it wurde als Ressort der Dolomiten geführt und brachte neben vereinzelten Artikel aus der Zeitung Agenturmeldungen und Pressemitteilungen.
Die SALTO-Redaktion erschloss gesellschaftlich engagiert neue Zielgruppen und Szenen.
Auch überregional wirkten die Online-Auftritte noch irgendwie unfertig. Der Spiegel hatte bereits 1994 mit SPON eine eigene Redaktion parallel zu jener des Nachrichtenmagazins gegründet, die er 2019 wieder zusammenlegte. Die Süddeutsche startete 1995 mit SzonNet online und baute erst im Laufe der Nuller Jahre ihre Onlineredaktion mit gleich mehreren Online-Produkten auf. La Repubblica nahm das Wahljahr 1996 zum Anlass für einen Online-Versuch und richtete 1997 ihre Online-Redaktion ein. Der Corriere della Sera ging 1998 zögerlich online, auf einem Unterordner der Webseite des Eigentümers, der Mediengroup RCS. Alle suchten damals – und tun es letztendlich bis heute, wie die ständige Bewegung am Online-News-Markt zeigt.
SALTO sollte ausschließlich online stattfinden. Nachdem es auch anderswo kaum lokale Online-Vorbilder gab, war Kreativität gefragt. Zugleich stand noch nicht fest, ob es ein journalistisches Portal werden soll. Die Entscheidung dafür fällten die SALTO-Gründer zwischen den Jahren 2012 und 2013. Eine Rolle mag dabei gespielt haben, dass zeitgleich eine parallele Südtiroler Initiative in Planung war: barfuss.it. Im Umfeld des Raetia-Verlages wurde ein Online-Angebot für ein jugendliches Publikum aufgebaut. SALTO hingegen schwebte eine politisch interessierte Zielgruppe vor, die online noch keinen Platz hatte, sich in öffentlichen Debatten einzubringen.
Um Citizen Journalism, auch Graswurzeljournalismus genannt, drehten sich die internen Diskussionen.
Um Citizen Journalism, auch Graswurzeljournalismus genannt, drehten sich die internen Diskussionen, Peter Grünfelder hatte dafür die SALTO-Idee überhaupt geboren. Die Vision des kreativen IT-Entwicklers von Endo7 (heute Koordinator des Cannabis Competence Center) war eine Plattform, auf der Menschen Meinungen und Ideen frei und unerschrocken debattieren konnten, die mit interaktiven Formaten im Stile eines Pro und Contra zu tagesaktuellen Themen moderiert werden sollten.
Mit diesem partizipativen Zuschnitt hatte Grünfelder die Gruppe um sich herum in Schwingung gebracht. Mit der Entscheidung, doch den journalistischen Weg einzuschlagen, war es daher unverhandelbar, dass es beides geben wird: eine Redaktion und Angebote des Citizen Journalism – und zwar nicht nur mit einer Kommentarfunktion unter den Artikeln. Mit zwei Säulen ging SALTO im März 2013 an den Start: Die Redaktion und auf Augenhöhe die SALTO-Community als zweite Säule. Fakten und Meinungen stellte das Nachrichten- und Communityportal von Anfang an in Aussicht. Was Community jedoch eigentlich sein sollte, wurde in den Monaten und Jahren danach gewissermaßen am offenen Herzen operiert.
Die Partizipation verlangte zunächst Begriffsschärfungen. Die Bezeichnung Blogger*in wurde damals häufig und unscharf für alle verwendet, die im Internet schreiben. Doch User*innen nehmen unterschiedliche Rollen einen, wenn sie einen Artikel kommentieren, einen Blog schreiben oder einen eigenen Kommentar veröffentlichen. Jede Rolle bedurfte einer eigenen Handhabe und Struktur. Mit der Einrichtung von grafisch voneinander unterscheidbaren Accounts sollte etwa die Leserschaft klar unterscheiden können, ob sie einen Artikel, einen Blog oder eine Kolumne externer Journalist*innen zu lesen bekamen.
Die partizipative Idee von SALTO begeisterte sofort. Viele machten sich mit wehenden Fahnen ans Schreiben – so manche fetzten ungestüm darauf los. Neben der Redaktion, die tagtäglich die Seite füllte, ordnete und pflegte, brauchte es auch ein Community-Management, eine Art Feuerwehrdienst: 24h auf 24h ist zu beobachten, was im Eifer der Debattengefechte geschrieben wird, Media-Watching am eigenen Portal. Nur so schützt sich jede Online-Seite, die Betreiber müssen ihr schnelles Eingreifen im Härtefall auch belegen können, um bei Klagen unbeschadet zu bleiben. Süddeutsche.de stellte 2014 ihre Kommentarfunktion unter den Artikeln ein, weil dieser Feuerwehrdienst unglaublich viele Ressourcen bindet.
SALTO richtete interne Kommunikationsketten ein, die Verletzungen von Persönlichkeitsrechten umgehend an die Zuständigen meldete. Auch heute gilt: Je unbedarfter und je ungestümer geschrieben wird, desto größer ist der Aufwand für SALTO. Das Community-Management ist eine durch und durch journalistische und harte Arbeit und verursacht Kosten. User*innen sollen sich bewusst sein, dass ihre Schreibwut anderen Arbeit verursacht. In der lokalen Medienbranche wurde das zweisäulige SALTO-Konzept zunächst belächelt, insbesondere der partizipative Ansatz. Als einzige Journalistin in der Planungsgruppe, die sich Kerngruppe nannte, war ich dagegen völlig überzeugt davon, dass das Portal gerade mit diesem Zuschnitt frischen Wind bringt. Die hohen Zugriffszahlen am 22. März 2013 gaben dieser intuitiven Überzeugung recht. Aber noch mehr wurde uns allen an diesem schicksalhaften Tag klar, dass die viele Arbeit, die in den Wochen und Monaten zuvor geleistet worden war, nicht abgeschlossen war.
Jetzt ging es erst richtig los.
Jetzt ging es erst richtig los.
Die stetig wachsenden Zugriffszahlen und die vielen Reaktionen zeigten, dass auch die politische Szene Feuer gefangen hatte.
Parallel galt es, die journalistische Blattlinie zu skizzieren. Das Südtiroler Medienangebot deckte in seiner Vielfalt vieles ab, die Medien hatten sich in diesen frühen 2010er Jahre nebeneinander eingerichtet. Athesia hatte sich nach langjährigen Abwehrmanövern damit abgefunden, dass es neben ihrer Dolomiten die Neue Südtiroler Tageszeitung, das Wochenmagazin ff und die Südtiroler Wirtschaftszeitung gab. Der Alto Adige darbte, in der Redaktion wurde jede Todesanzeige mit „è morto un altro abbonato“ kommentiert. Der Corriere dell‘ Alto Adige hatte sich im Mantel des Corriere della Sera seine Nische geschaffen.
Kurzum: Die mediale Konkurrenz und Zwietracht ruhte in einem Patt. Über Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner kolportierte seine Redaktion damals, er sei öfter in seinen Reben als in der Redaktion zu finden. In der Redaktion der Neuen Südtiroler Tageszeitung, die eine Maxi-Klage gut überstanden hatte, trugen die Nachwehen des Schreckens und interne Dynamiken dazu bei, dass Redakteure damals schon lieber im Homeoffice arbeiteten. Im Aktuellen Dienst der Rai fand der Wechsel der Chefredaktion von Robert Asam auf Wolfgang Mayr statt. Der Südtiroler Wirtschaftszeitung sollte Christian Pfeifer erst 2015 als Chefredakteur Esprit bringen. Südtirols Medien hatten also ihre Zielgruppe, ihren Modus, vielleicht auch ihren Trott. DAS Thema war der SEL-Skandal, den die ff, flankiert von der Tageszeitung, schrittweise ans Tageslicht brachte.
SALTO startete zweisprachig, ein in Südtirol langgehegter medialer Wunsch, mit einer Blattlinie zu aktuellen Themen. Fokus waren Hintergrundberichte, die das Tagesgeschäft etwas entschleunigten. Die SALTO-Redaktion erschloss gesellschaftlich engagiert neue Zielgruppen und neue Szenen, die dankbar für ein mediales Angebot waren. Überzeugen konnte die Redaktion von Anfang an. Schon bald fand sie unter ihren Artikeln auch Kommentare von Kolleg*innen anderer Medien, die zuvor die Nase gerümpft hatten. Junge Menschen waren von Beginn an an einem Praktikum bei SALTO interessiert. Die stetig wachsenden Zugriffszahlen und die vielen Reaktionen zeigten, dass auch die politische Szene Feuer gefangen hatte.
Athesia versuchte in der Redaktion von Rai Südtirol zu verhindern, dass SALTO-Artikel im morgendlichen Pressespiegel erwähnt werden.
Ein Jahr nach dem Start brachte Christoph Franceschini den investigativen Journalismus auf das Portal, und Blattlinie wie Redaktion entwickelten sich wieder weiter.
Onlinejournalismus ist bewegt. Auch Jahrgangskollegen barfuss.it entwickelte sich zum journalistischen Portal. Die Tageszeitung brachte immer mehr Inhalte von Print auf ihre Webseite und auch die ff hat ihren Onlineauftritt längst ausdifferenziert, genauso wie Rai Südtirol und die SWZ. Es gibt und es braucht keine Konkurrenz zu geben, dafür ist das Netz zu worldwide.
Das sahen nicht alle so, verstanden wir, als uns kolportiert wurde, dass Athesia in der Redaktion von Rai Südtirol versuchte zu verhindern, dass SALTO-Artikel im morgendlichen Pressespiegel erwähnt werden. Spätestens da war klar: das Nachrichten- und Communityportal salto.bz hatte seinen Platz in Südtirols Medienwelt gefunden. Wie unklug, in jeder Initiative einen Konkurrenten zu sehen – und das schon in den ersten Monaten von salto.bz.
Jutta Kußtatscher begleitete SALTO als erste Chefredakteurin und langjähriges Verwaltungsratsmitglied von Demos 2.0.
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Ein redaktionelles Medium,
Ein redaktionelles Medium, das sich als Blogportal auch die Erzeugnisse anderer abgreift ist zwar für Südtirol ein Hybrid mit Alleinstellungsmerkmal, aber von Community zu sprechen würde ich davon absehen.
Denn Partizipativ ist das kaum. Ein partizipatives Element würde eine Form von Interaktion zwischen Redaktion und der herbeigwünschten Community sein.
Eine Feedbackschleife in irgendeiner Form, wo sich beider sichtbar beeinflusst. Und mit viel mehr Transparenz von Seiten der Redaktion.
Als innovatives Konzept hat sich salto schon bald nach der Gründung nicht mehr weiter entwickelt. Dafür hat die Boomermentalität als interne Leitkultur zu stark als Bremsklotz gewirkt.
In risposta a Ein redaktionelles Medium, di gorgias
Wie so oft liegt Vieles im
Wie so oft liegt Vieles im Auge des Betrachters, so möchte ich meinen;
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ich mag Salto...
Dem entgegengesetzt mag ich
Dem entgegengesetzt mag ich besonders die Community - und setze diese gleichbedeutend und gleichgut - trotz gelegentlicher Differenzen, so ist es halt im Leben - mit der Information und der Investigation.
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Wer sich exponiert, muss Kritik zulassen und sich selbst hinterfragen können, so meine Sichtweise dazu.