...e tutto che comincia sempre di Marzo
-
Der Poetry Slam im Waag-Haus-Keller, der seinen Rhythmus in etwa nach den Jahreszeiten richtet, lud zur 6. Auflage und forderte als Pfand an der Tür etwas Österliches. Reich beschenkt wurde das Publikum auch durch die entschieden überqualifizierte Jingle-Musikerin Helga Plankensteiner am Bariton-Saxophon, die mit MC Lene Morgenstern für Stimmung sorgte. Den Anfang machte diesmal, außer Konkurrenz, der nach gut einem Jahr mit Bühnennamen zurückgekehrte Nathan „der Nice“ Laimer. Seit Herbst letzten Jahres darf er sich amtierender U20 Meister Österreichs nennen. Seine Reise über die Slam-Bühnen begann er vor rund einem Jahr ebendort. Auch Morgenstern war es wichtig zu unterstreichen, dass diese Bretter auch Trainingschule und Sprungbrett sein können.
„Der Nice“ begann den Abend jedenfalls mit einem Plädoyer für den Müßiggang. Er hatte wegen sozialer Verpflichtungen dann mal eben keine Zeit für Freizeit, reflektierte dabei auch die Privilegiertheit der eigenen Lage und mögliche Funktionen des „Nichtstuns“. Seinem selbst aus dem Text gezogenen „Succus“ ist eigentlich nichts hinzuzufügen: „Es gibt mehr, als Leistung kaufen kann.“ 25,9 von 30 möglichen Punkten seitens der Publikumsjury.
Manuel Hilber, der als erster regulärer Starter die Bühne betrat, zeigte dass die Bühne auch ein Save Space sein kann, wo man vor einem hoffentlich mehrheitlich aufgeschlossenem Publikum über die eigene Realität sprechen kann. Dass es auch für einen Text über Beziehung und Mut weiteren Mut braucht, wenn sie nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Das Publikum zeigte sich bei anfänglicher Startnervosität unbeeindruckt und wurde mit einem ausgesprochen offenen, mit starken Bildern und Metaphern ein Gefühl vermittelnden Text belohnt.
Ohne direkt zu werten ging es weiter mit Emely Graf Mair (über deren Text im Konvolut mit Hilbers abgestimmt werden sollte. Die Oberschülerin dachte in ihrem Text laut darüber nach, was nach der Matura zu tun sei. Statt dass es gleich um den Berufswunsch (Journalistin) gehen sollte, konzentrierte sich ihr Slambeitrag auf kleine, bescheidene Wünsche im Wechsel mit Dankbarkeit und Achtsamkeit für das, was sie bereits hat.
-
Das erste Ticket fürs Dreierstechen am Ende des Abends löste Filomena Hunglinger, die über rund ein Jahr an Erfahrungen im Pflegesektor, über die Erfahrung sprach. Sie machte dem Ärger eines Berufsstandes eindrücklich und leidenschaftlich Luft, beklagte einen allgemeinen Mangel an Zeit und Personal und wünschte sich „mehr als Tulpen und Dahlien“ eine „fucking Geldspritze“. Ein Text muss nicht lustig oder gefällig sein, auch Wut ist eine starke - oft berechtigte – Reaktion, die auf der Bühne Platz findet und 26,0 Punkte bekommt.
Katharina Weiss fand zu ihrem Text beim Frühjahrsputz. Aus einem alten Mandala wird ein Text zwischen dem was vielleicht noch kommt, dem was war und dem was hätte sein können. Beim gemeinsamen Mandala-Malen malten sich die Autorin und ein mittlerweile abwesendes „Du“ eine gemeinsame Zukunft aus. Ein kleiner, lieber Text über Hoffnungen und Realität.
Als einzige italienischsprachige Starterin ging Silva Manzardo mit Startnummer Vier ins Rennen. Es sollte um Sex gehen. In ihrer gewohnt unverkrampften Art vermittelte Manzardo, bis es an den Vortrag ihres verhältnismäßig kurzen Textes gehen sollte, dass auch Frauen nach der Menopause über Libido verfügten. Die Geschichte einer Trennung erzählt Manzardo ohne Bitterkeit und stellt fest „es fängt alles immer im März an“ („e tutto che comincia sempre di marzo“). 26,2 Punkte sind jedenfalls mehr als nur ein Anfang.
Sophie Körner sprach auch vollkommen offen über Erfahrungen, die sie in der noch früheren Jugend in der Psychiatrie gemacht hat, samt Diagnose. Mehr als diese war es jedoch die vermittelnde Metapher eines Marionettenspielers, der Fremdgesteuertheit und der Verletzlichkeit, mit denen Körner ihr Publikum abholte. Dieses folgte der jungen Autorin gerne auf ihrem Weg, sich von den Strippen des Marionettenspielers zu befreien und die eigene Autonomie zu entdecken. Punktgleich mit Silva Manzardo (26,2 Punkte) sicherte sie sich den letzten Platz unter den besten drei Teilnehmerinnen.
Auf Manzardo und Körner folgte Hannah Franceschini, die zu den insgesamt vier neuen Teilnehmer:innen am Abend zählte. Kein einfacher Startplatz - der jungen Slammerin gelang dennoch ein starker Auftritt in dem es um Erfahrungen der Einsamkeit ging. Nach dem Schema „verkopft, verkloppt, verkackt“ erkennt Franceschini bei sich selbst Denkmuster, die sie durchbrechen will und versteht, dass Alleinsein oft im Kopf beginnt.
Mit Alan Hofer kam der letzte Slam-Neuling auf die Bühne. In seinem Text ging es um eine Reihe von Begegnungen, die verschiedener Natur waren. Die Botschaft des noch etwas holprigen Bühnendebüts war dabei klar: Nicht nur romantische Beziehungen verschönern und bereichern das Leben, auch auf anderen Ebenen entsteht Sinnstiftendes.
Helga Stockreiter, eine alte Häsin der Südtiroler Slamszene wagte vor der Pause als letzte den Sprung auf die Bühne. In ihrer Performance ließ sie sich über die Krisen des Klimas und am Wohnungsmarkt aus. Erfrischend ist es dabei, wenn „unser Planet“ am Ende dann wohl verlassen wird und sich Stockreiter fragt, schelmisch grinsend, was wir Außerirdischen beibringen könnten. Vielleicht das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen, scherzt sie.
Nach der PauseDen Anfang machte, gelost, Silva Manzardo, die sich über Einigkeit im (Mitte-)Rechts Lager, sogar über die Sprachgrenze hinaus, erfreut zeigte. Ein gemeinsames Thema habe man, auch wenn die Slammerin das Gefühl in einer Bronx zu leben nicht teilte, in Sachen „Sicherheit“ gefunden. Italiener und Deutsche endlich einmal einig, alle Konflikte seien gelöst und alle beste Freunde, meinte sie ohne mit der Wimper zu zucken und erzählte von mutmaßlicher SVP-Wahlaufsicht. In ihrem Text spielte sie auf verschiedene Poltikerinnen und Politiker an und suchte dabei nach einem F-Wort, das ihr auf der Zunge lag. Welches, das könnte man sich denken: „la parola che inizia con la f che della memoria storica si fa beffe è fascista“. Dafür gab es viel Zustimmung aus dem Publikum.
Sophie Körner fragte sich anschließend, was für einen Unterschied der Einzelne angesichts globaler und gesellschaftlicher Krisen machen könne. Der Fragestellung näherte sich die Slammerin über das ansonsten ohnehin nutzlose Mittel der Neujahrsvorsätze an. Klimakleber kriegen den Kleber schwer von den Händen und Veganismus ist kein einfacher Verzicht, versteht sie selbst. Sie fasste sich selbst am Kragen und legte Doppelmoral offen. Die Krux dabei ist, dass sie sich als Vertreterin der Generation Z nie „genug“ fühle: Nie genug Klimakleber und nie genug Secondhand-Käuferin. Trotz Schwerpunkt auf das Klima, brach Körner auch für das soziale Klima eine Lanze, unabhängig von Ethnie und sexueller Identität müsse jeder die Möglichkeit haben glücklich zu sein, auch wenn „irgendein russischer Boomer“ Kriege anzettelt.
Den Abend beschloss Filomena Hunglinger. Sie sprach von familiären Veranlagungen, zur Brille und zum „ohne Pillen nicht mehr können“. Der Vater, in der zweiten Reihe um dessen Abhängigkeit es ging, nahm es gelassen, wohl weil er die Pointe des Textes schon kannte: Auch eine Katzenhaarallergie kann medikamentös behandelt werden und aus einer Vaterfigur, die wenige Minuten in der Schwebe steht wird eine, die bereit ist für die Wünsche der Kinder Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Da soll einer noch sagen, dass die Generation Z keine Dankbarkeit kennt.
Am Ende entschied den Abend mit den Themen Sex und Politik Silva Manzardo für sich. Punktgleich in Runde zwei mit Hunglinger wurde der erste Auftritt nachträglich entscheidend. Silva Manzardo, die eine eigene Art mit auf die Bühne bringt, die stark die Nähe zum Publikum sucht und findet, ist dem Slam nun schon eine Weile treu und so war es zum ersten Sieg nur eine Frage der Zeit.
Articoli correlati
Stage | Poetry | Ep 11Nathan Laimer „(Fast) perfekte Welt“
Stage | Poetry | Ep 9Silva Manzardo “ La differenza”
Stage | Poetry SlamIm Himmel wattet man immer zu viert