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Politica | Verkehrspolitik

Lueg-Brückenbau: Chance für Schubumkehr

Super-GAU für den LKW-Transport, sagen die Handelskammern Bozen und Kärnten zum Neubau der Lueg-Brücke ab 2025. Doch das Projekt bietet geradezu einzigartige Chancen.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: ASFINAG
  • Die Lueg-Brücke gleich hinterm Brenner wird ab 2025 für drei Jahre nur mehr einspurig befahrbar sein. Der Neubau beider Brücken, einer pro Fahrspur, ist unaufschiebbar. Außer man baut einen Tunnel bis zum Brenner, wie von den Anrainergemeinden in einer speziellen Studie vorgeschlagen. Während der Bauzeit wird es Einschränkungen für den PKW- und LKW-Verkehr geben.

    Doch zu Einschränkungen muss es im Brennertransit ohnehin kommen. 2023 haben fast 11,7 Mio. PKW und 2,4 Mio. LKW den Brenner auf der Straße passiert, eine Steigerung von einer halben Million Fahrzeugen gegenüber 2022. Die Brennerroute (Bahn und Straße) nimmt 54% des gesamten alpenquerenden Güterverkehrs auf, mehr als alle Transitrouten der Schweiz zusammen. 2023 passierten geschätzt 940.000 LKW die Schweiz, 2,4 Mio. den Brenner. Die Gotthard-Basistunnel war nur zu 55% ausgelastet. Entsprechend stark ist die Abnutzung der Infrastruktur, die jetzt neu gebaut werden muss. Totalsanierungen dieser Art kommen wohl auch auf die A22 in den nächsten Jahren zu.

    Schon die Bestwegstrategie würde wesentlich helfen. Laut der von der Tiroler Landesregierung in Auftrag gegebenen CAFT-Studie (Dezember 2021) fahren 29,7% der LKW am Brenner einen mindestens 60 km langen Umweg im Vergleich zu ihrem Bestweg, nur um einige Euro zu sparen. Die Gotthard-Route ist für LKW zwischen der Lombardei und Süddeutschland 110 km kürzer als der Brenner. Wenn 800.000 LKW jährlich 100 km länger als nötig fahren, sind das 80 Mio. umsonst gefahrene Kilometer: das Gegenteil von Kostenwahrheit und Klimaschutz.

    Als „katastrophal für die Wirtschaft“ sehen die Handelskammer Bozen und die Wirtschaftskammer Kärnten die geplanten Fahrverbote während der Bauzeit sowohl an der A13 (Lueg-Brücke) als auch an der Tauernautobahn (Dolomiten, 24.1.2024). Längere Sperren für den LKW-Verkehr wären der Super-GAU für die heimische Wirtschaft, heißt es. Für die Frächter vielleicht, nicht aber für die Bevölkerung, die Umwelt, das Klima. Im Gegenteil: der temporäre Flaschenhals auf der Lueg-Brücke ab 2025 könnte zur echten Chance in mehrfacher Hinsicht werden.

    Zum ersten, weil das heutige Übermaß an Transit-Schwerverkehr zumindest für drei Jahre etwas zurückgefahren werden muss, denn 2,4 Mio. LKW kommen auf einer einspurigen Teilstrecke einfach nicht mehr durch. Der Großteil des heutigen Umwegverkehrs könnte entfallen, wenn 7-800.000 LKW „notgedrungen“ den Bestweg, also deie kürzeste Route nehmen müssen.

    Zum zweiten würden sich die Luftschadstoffwerte längs der A13 und A22 bessern. Die von der EU 2023 beschlossenen deutlich niedrigeren Grenzwerte bei den Stickstoffdioxid- und Feinstaubemissionen können wohl nur mit einer echten Verminderung des Verkehrs eingehalten werden. Das gilt dann für PKW genauso wie für LKW.

    Zum dritten könnten endlich brach liegende Transportkapazitäten der Brennerbahn genutzt werden. In Vorbereitung auf die Verlagerung eines Teils des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene mit der Eröffnung des BBT 2032, könnte der Gütertransport auf der Bahn potenziert werden. Die Politik hätte noch ein Jahr Zeit, um die nötigen logistischen Voraussetzungen dafür zu schaffen.

    Zum vierten muss der Transit-Schwerverkehr über den Brenner ohnehin gesenkt werden, wenn man in Nordtirol wie in Südtirol die Klimaneutralität 2040 erreichen will. Heute produziert allein der Verkehr auf der A22 37% der gesamten verkehrsbedingten CO2-Emissionen in Südtirol. Laut Mobilitätsplan soll der Gütertransitverkehr auf der Straße bis 2040 um nur 10% abnehmen, also viel zu wenig, um Klimaneutralität zu erlauben. Die Teilsperre der Lueg-Brücke wird aber nur 2025-2028 eine Verkehrsreduzierung herbeiführen.

    Fünftens: mit dem Neubau der Lueg-Brücke ab 2025 bietet sich die Chance, endlich Ernst zu machen mit der längst ins Auge gefassten Alpen-Transitbörse. Wann, wenn nicht in dieser Situation einer mehrjährigen Einschränkung der Autobahnkapazität soll der alpenquerende Güterverkehr endlich systematisch nach Umwelt- und Klimavorgaben gelenkt werden? 2025 könnte ein echtes gesamtalpines digitales Management des Güterverkehrs eingerichtet werden: nicht mehr bloße täglich buchbare „Slots“, sondern Maximalkontingente pro Monat und Jahr mit Verpflichtung zur Wahl des Bestwegs. Alle vier Staaten der Zentralalpen müssten für diese gemeinsame Steuerungsaufgabe zusammenfinden. Das Gegenteil von Salvinis Kampf für noch mehr LKW-Verkehr über die Alpen.

    Schließlich noch eine Chance vor allem mit Blick auf die 11,7 Mio. PKW, die jährlich den Brenner queren. Diese Masse an Autos kann nicht nur den temporären Trichter auf der Lueg-Brücke nicht mehr passieren, auch ihre Emissionen sind mit Klimaschutz nicht vereinbar. Sofort machbar wäre da ein Geschwindigkeitslimit von 100 km/h für PKW, weil dies nachweislich zu erheblichen Einsparungen beim CO2-Ausstoß führt und weil schneller fahren gar nichts bringt, wenn man vor der Lueg-Brücke im Stau steckt. Für die neue Südtiroler Landesregierung bietet sich die Chance, ihr neues Versprechen rasch wahrzumachen: „Unterstützung der Einführung einer Umweltkorridormaut auf allen Ebenen (staatlich und EU), nach dem Modell der Eurovignette.“ (Regierungsprogramm, S. 99).

    Der Neubau der Lueg-Brücke – oder wird es doch ein Tunnel? – bietet die Chance auf eine echte Schubumkehr beim transalpinen Gütertransport im Zeichen des Klimawandels und der Energiewende: die Politik kann sich rechtzeitig auf eine intelligentere Steuerung der Mobilität über die Alpen besinnen und kann das heutige Übermaß an Verkehr auf Dauer schrumpfen.