Società | Ausschreibungen

Alternativen zum Preisdumping

Die Ausschreibung öffentlicher Dienstleistungen führt zu immer mehr sozialen Reibungen. Dabei gäbe es neue Modelle, sagt der Präsident der Agentur für öffentliche Aufträge Thomas Mathà.
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Foto: Club Alpbach

Am heutigen Mittwoch Abend wird es um 17.30 Uhr vor dem Arbeitsassessorat am Bozner Universitätsplatz zu einer ungewöhnlichen Kundgebung kommen: eine Mahnwache der Reinigungskräfte der Bozner Altersheime, die gegen die Reduzierung ihrer Arbeitsstunden – und damit ihrer Löhne – um 40 Prozent protestieren. Eine direkte Folge des hohen Konkurrenzdrucks bei Ausschreibungen von öffentlichen Dienstleistungen. Dieser Konkurrenzkampf führt zu Preisdumping und zunehmender Gefährdung von Arbeitsplätzen und sorgt vor allem im Genossenschaftssektor für Alarmstimmung.

Bereits heute wird das spezielle Bozner Problem Thema eines Treffens der Gewerkschaften mit Arbeitslandesrat Roberto Bizzo und Bozens Stadtrat für Sozialpolitik Mauro Randi sein. Soziallandesrat Richard Theiner will in zwei Wochen bei einem Treffen mit Genossenschaftsvertretern nach Auswegen aus der derzeitigen Spirale suchen. Impulse dafür gibt auch die im vergangenen Herbst gegründete Agentur für öffentliche Aufträge. „Wir brauchen in Südtirol neue Modelle für die Vergabe von Dienstleistungen für den Bürger, denn in diesem Bereich sind wir heute im internationalen Vergleich Schlusslicht“, sagt ihr Präsident Thomas Mathà im Interview mit salto.bz.

 

Herr Mathà, Sozialgenossenschaften leiden derzeit darunter, dass öffentliche Körperschaften Dienstleistungen selbst bei niedrigen Summen ausschreiben, anstatt sie wie früher direkt zu vergeben. Ist dies wirklich nötig?
Thomas Mathà: Im Fall von Sozialgenossenschaften des Typs B (Genossenschaften, die zumindest zu 30 Prozent sozial benachteiligte Personen beschäftigen, Anm. d. Red.) nicht. Das italienische Vergaberecht erlaubt bei solchen Genossenschaften Direktvergaben bis zu einem Schwellenwert von 200.000 Euro.

Dennoch wird auch in diesem Bereich der Großteil ausgeschrieben. Genossenschaftsvertreter vermuten den Grund darin, dass die zuständigen Funktionäre nicht ausreichend über diese Möglichkeit informiert sind oder einfach sparen wollen.
Also, diese Regel sollte eigentlich schon jeder Verantwortliche kennen, auch wenn sie erst rund ein Jahr alt ist. Und wenn ich als öffentliche Verwaltung meine Hausaufgaben gut mache und genau überlege, was ich einkaufen will und wie mein Leistungsbringer aussehen soll, bin ich auch auf dem Weg der Direktvergabe imstande, ein gutes Angebot für die Verwaltung zu erzielen.

Das heißt, die Direktvergabe sollte Ihrer Meinung nach wieder stärker genutzt werden?
Wenn das Gesetz schon diese Möglichkeit für Sozialgenossenschaften vorsieht, die schließlich andere Aufgaben haben als gewinnorientierte Unternehmen, sollte sie auch genutzt werden. Doch ich denke, wir sollten auch darüber hinaus andere Regeln finden, wie Leistungen für den Bürger erbracht werden können, also vom System der Ausschreibungen weggehen und neue Formen finden.

Wie zum Beispiel?
Zum Beispiel über Modelle der Akkreditierung und Voucher. Das heißt, die öffentliche Hand akkreditiert interessierte Anbieter, indem sie überprüft, ob diese organisatorisch, finanziell und technisch in der Lage sind, eine Dienstleistung zu erbringen. Dann kann der Bürger selbst einen der akkreditierten Anbieter auswählen, für die Bezahlung erhält er Gutscheine. Damit wäre das Problem der Ausschreibung vom Tisch. Und letztendlich würde ich die Leistung näher zum Bürger bringen, weil nicht die öffentliche Verwaltung, sondern er selbst auswählen soll, beim welchem Anbieter er Dienste wie Hauspflege, Essen auf Rädern oder Nachmittagsbetreuung in Anspruch nehmen will.

Eignet sich ein solches Modell aber beispielsweise auch für Reinigungsdienste von Gebäuden?
Hier gäbe es den Weg, dass man in Zukunft für öffentliche Dienstleistungen Rahmenverträge macht. Als Agentur für öffentliche Aufträge arbeiten wir an zahlreichen solcher Ausschreibungen. In diesem Fall werden nur mehr standardisierte Leistungen ausgeschrieben, für die es dann fixe Preise, zum Beispiel pro Quadratmeter Reinigung, gibt. Auch dieses System kann mit einer Akkreditierung von Anbietern verbunden werden, das heißt, die öffentliche Verwaltung überprüft, wer die Voraussetzungen hat, und die einzelnen Stellen suchen selber die Anbieter aus.

All diese Modelle gibt es aber in Südtirol noch nicht?
Aber es ist höchste Zeit, dass sie auch bei uns angewandt werden. Denn in vielen europäischen Ländern wird all das schon längst praktiziert, hier ist Südtirol wirklich Schlusslicht.

Welche Rolle kann hier die Agentur für öffentliche Verträge übernehmen?
Die Agentur wurde auch dafür ins Leben gerufen, in diesem Bereich Know-how zu entwickeln. Operativ sind wir allerdings vor allem für Ausschreibungen zuständig, also primär für Ausschreibungen des Landes, seiner Gesellschaften und Körperschaften und darüber hinaus für Gemeinden mit unter 5000 Einwohnern. Bei Bedarf können wir auch große und technisch aufwändige Ausschreibungen größerer Gemeinden oder Bezirksgemeinschaften übernehmen. Doch solche Modelle der Akkreditierung, die ja Alternativen zu Ausschreibungen sind, müssten von den öffentlichen Verwaltungen selbst eingeführt werden. Und das wäre auch heute schon möglich.