Economia | Fair Trade

"Ich hab keine Angst vor Problemen"

Rudi Dalvai hat die Weltläden und den Fair Trade mitbegründet, mittlerweile gibt es den solidarischen Handel seit 30 Jahren.

Der Mann kann was erzählen: Vom kleinen Dritte-Welt-Ladele in Bozen bis zum weltumspannenden Dachverband des Fairen Handels haben ihn sein Engagement und  sein Beruf geführt. Seit 2011 ist Rudi Dalvai Vorsitzender der „World Fair Trade Organization“, in Mombasa, Kenia wurde er zum Präsidenten gewählt und ist seither viel unterwegs in der Welt. Das war er aber vorher auch, bereits als Student ist er viel gereist, vor allem in die südlichen Länder. „Ich hab damals bei einem Lebensmittelhersteller gearbeitet, der unter anderem Strudel herstellt; in dessen Auftrag bin ich nach Bangladesch gefahren und hab die Produktionsbedingungen von den Frauen gesehen, die 40.000 Strudel am Tag herstellen und da hab ich mir gedacht, also das kann es wirklich nicht sein!“

Das sei einer der Auslösermomente gewesen für die Gründung des Dritte-Welt-Ladens in Bozen, erzählt Rudi Dalvai. Niemand käme auf die Idee ihn Rudolf zu heißen, dafür lacht es zu stark aus seinen Augen und auch die verwegene Haartolle sieht eher nach „Rudi“ aus. Der 57-Jährige gibt nicht allzuviel auf ideologischen Überbau, wenn er von der Geschichte des Fairen Handels erzählt, oder von den Anfängen, die nun bereits 30 Jahre zurückliegen. „Die Dritte-Welt-Läden waren anfangs etwas für die absoluten Insider, das waren so kleine Bazarläden mit einem etwas schmuddeligen Touch, und nur Leute, die politisch oder sozial engagiert waren, gingen dorthin.“ Alternative eben. Heute ist das anders, die Läden gibt es zwar immer noch, doch kann man die Produkte des Fairen Handels mittlerweile in 120.000 europäischen Supermärkten erstehen, erzählt Dalvai mit ein wenig Stolz in der Stimme. Und gibt gleichzeitig zu bedenken, dass das nicht nur Vorteile für mit sich bringt: „Die Supermärkte stellen nämlich ganz andere Anforderungen an uns, zum Beispiel bei den Bestellzeiten; das bewirkt nicht wenig Druck auf unsere Strukturen und Produzenten, aber wenn wir im konventionellen Handel mitmischen wollen, müssen wir uns dem beugen.“ Auch die Konsumenten wünschen sich nicht mehr nur Kaffee aus Nicaragua und Räucherstäbchen. Wer in die Weltladen geht, findet dort feine Gesichtscreme, Campinggeschirr und auch die Alpakamützen sind nicht mehr so kratzig wie vor Jahren. „Wir müssen auch bei der Kleidung mit der Zeit gehen, wenn es vorher egal war, ob ein Ärmel länger war als der andere, gibt es nun jede Saison neue Modelle und Schnitte.“

Den Weltladen in Bozen hat Rudi Dalvai gemeinsam mit seinem Bruder Hansi Dalvai und Martin Mair gegründet. „Der kam gerade aus Peru zurück und ich war bei einer Reise nach Indien am Toten Meer gestrandet, wir waren damals um die 20 Jahre alt und die Brixner Idee des ersten Weltladens hatte uns inspiriert.“ Gesagt, getan. Man suchte nach dem geeigneten Lokal und plante bereits den Eröffnungtermin, hatte aber auf die Ware vergessen. „Das hatten wir damals gar nicht bedacht, wir wussten wirklich nicht, wo wir die Sachen herbekommen sollten. Man riet uns, bei EZA und GEPA einzukaufen, das waren die größten Importeure von Produkten aus dem Süden der Welt.“ Mit einem Auto voller Handwerkskunst kam man in letzter Minute von Deutschland nach Bozen zurück, gerade noch rechtzeitig zur Eröffnung.

Nicht lange überlegen, sondern handeln, lautet Rudi Dalvais Devise. Nach diesem Motto ist er die Verwirklichung aller seiner Ideen angegangen: „Wenn ich etwas toll finde, dann mache ich das, auch das Netzwerk von CTM Altromercato ist so entstanden.“ Mit Heini Grandi von Legacoop und Antonio Vaccaro von Radio Tandem wurde die Vertriebsgenossenschaft ins Leben gerufen, eine Organisation, die mittlerweile 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht und 300 Geschäfte in Italien vereinigt. Um die Geschäftsführung kümmert sich Dalvai schon lange nicht mehr, das machen andere, ihn interessiert heute vielmehr der internationale Aspekt. Den fairen Handel zu stärken, im Kampf mit den großen Konzernen der Landwirtschaftsindustrie, das sei wichtig. Momentan tüftelt er an einer Idee, wie man den Fairen Handel in die Tourismusbranche einführen könnte. „Wir wollen den Reiseanbietern ein Paket schnüren, wo unsere Produzenten, die Bauern und Handwerker in Südamerika, Südasien und Afrika den Touristen zeigen, wie sie arbeiten; und diese können mitmachen.“ Fairtrade Experience soll das Ganze heißen und ähnlich wie Fair Cooking oder Fair Design den Gedanken des solidarischen Handels bekannt machen.

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist Dalvai die Entwicklung eines globalen Standard-, Kontroll- und Zertifizierungssystems für die gehandelten Produkte. „Wir wissen mittlerweile, dass eine Zertifizierung heutzutage nichts heißen will. Deswegen haben wir Kriterien erarbeitet, wo die Anbauer und Produzenten über Selbstkontrolle, gegenseitige Kontrolle und eine weitere externe Inspektion ihre Produkte und Methoden überprüfen können.“ Ein besseres Modell als das bisherige, findet Dalvai, denn es ist gemeinsam mit den Bauern und Produzenten erarbeitet worden. Für den Fairen Handel gibt es noch viel zu tun, und Rudi Dalvai hat die Ideen dazu. „Das ist vielleicht eine meiner Stärken, wenn mir etwas einfällt, dann ziehe ich es auch durch, und wenn es ein Problem gibt, dann finde ich auch die Lösung dazu.“