Cultura | Zeitfragen

Ausreichend Schlaf?!

Wie gelingt guter Schlaf? Wie können schlaflose Nächte vermieden werden? Dietmar Ausserhofer hat dazu geforscht und recherchiert. Ein waches Gespräch zur Zeitumstellung.
  • SALTO: Am Wochenende der Zeitumstellung beklagen sich viele Menschen über den Schlafraub von einer Stunde. Ist das verständlich? Oder ein Luxusproblem? 

    Dietmar Ausserhofer: Für viele Menschen, insbesondere für diejenigen mit einem stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus, kann die Zeitumstellung kurzfristig zu Müdigkeit, Konzentrationsproblemen oder sogar Schlafstörungen führen. Besonders betroffen sind Kinder, ältere Menschen und Personen mit ohnehin schon empfindlichem Schlaf. In diesem Sinne ist die Klage über den “Schlafraub” durchaus nachvollziehbar. Als „Luxusproblem“ würde ich es nur insofern betrachten, als dass Menschen regelmäßig größere Schlafdefizite, sei es durch Schichtarbeit, lange Reisen oder durchwachte Nächte – mit kleinen Kindern – bewältigen. Studien zeigen aber, dass die Zeitumstellung nicht einfach nur „lästig“ ist, sondern auch messbare negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, etwa ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Verkehrsunfälle in den Tagen danach. Deshalb ist die Frage nach dem Un-Sinn der Zeitumstellung sehr berechtigt.
     

    Wenn ich schon ein Drittel meines Lebens verschlafe, dann sollte ich das doch wenigsten ordentlich tun. 


    Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Schlaf? Wie hat sich die Beschäftigung damit auf ihren eigenen Schlaf ausgewirkt? 

    Mit dem Thema Schlaf setze ich mich erst seit wir – das Institut für Allgemeinmedizin und Public Health zusammen mit dem Landesinstitut für Statistik ASTAT – letztes Jahr die Studie zur Schlafqualität in der Südtirol Bevölkerung durchgeführt haben auseinander. Der Einfluss von Schlaf auf unsere Gesundheit – z.B. Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht, Diabetes – und die Häufigkeit von Schlafproblemen bei chronisch-kranken Menschen, aber auch in der gesunden Allgemeinbevölkerung haben mich dabei „aus meinem Schlaf geweckt“. 
    Die Auseinandersetzung mit dem Thema hat mein Bewusstsein für Schlaf geschärft: Wenn ich schon ein Drittel meines Lebens verschlafe, dann sollte ich das doch wenigsten ordentlich tun. Ich habe einiges über Schlafhygiene gelernt. Ich versuche seither regelmäßige Zeiten beim Zubettgehen –  auch am Wochenende – einzuhalten und möglichst kein Handy oder das Tablet im Bett zu konsumieren. Andererseits habe ich gesehen, dass ich unbewusst bereits „schlafförderliche“ Verhaltensweisen habe, wie z.B. regelmäßige Bewegung oder Sport oder in einem Buch lesen vor dem Zubettgehen. 

  • Ständig Sommerzeit: Dr. Dietmar Ausserhofer ist Krankenpfleger und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Claudiana (Claudiana Research und Institut für Allgemeinmedizin und Public Health) Foto: Privat

    Sommerzeit und Winterzeit wurden aus wirtschaftsstrategischen Gründen „erfunden“ und eingeführt. Ist die Zeitumstellung alle paar Monate noch zeitgemäß? 

    Die Zeitumstellung wurde eingeführt, um Energie zu sparen, insbesondere durch eine bessere Nutzung des Tageslichts. Einige Branchen können dadurch vielleicht profitieren. Ob die Zeitumstellung volkswirtschaftlich betrachtet wirklich einen Nutzen bringt, ist heute eher fraglich. Aus gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gründen – Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen oder erhöhten Unfallgefahr in den Tagen nach der Umstellung – ist die Zeitumstellung nicht mehr zeitgemäß. Die Abschaffung der Zeitumstellung wurde von der EU-Kommission bereits 2018 vorgeschlagen und ist nach wie vor aktuell. Bislang scheiterte die Umsetzung an der Uneinigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten. Der Vorschlag sieht vor, dass es jedem Mitgliedstaat selbst überlassen werden soll, ob er ganzjährig auf Sommer- oder Winterzeit umstellt. Bedenken gegen diesen Vorschlag sind deshalb., dass zwischenstaatliche Zeitunterschiede den Handelsverkehr beeinträchtigen würden und deshalb eine einheitliche Zeitzone wünschenswert wäre. 

    Welche Zeit liegt Ihnen näher? 

    Die amerikanische Fachgesellschaft für Schlafmedizin (American Academy of Sleep Medicine) unterstützt die Abschaffung der Sommerzeit. Ich persönlich würde eher eine ständige Sommerzeit bevorzugen, denke aber, dass sich viele von uns  – egal ob Sommer- oder Winterzeit –  über einen stabilen Rhythmus ohne Umstellungsstress freuen würden. 

    Sie haben im vergangenen Frühling sehr viele Südtirolerinnen und Südtiroler auf ihren Schlaf befragend untersucht. Wie wurde bei der Untersuchung vorgegangen? 

    Für die Studie wurde vom Landesinstitut für Statistik ASTAT eine Stichprobe von 4.000 Personen über 18 Jahren aus den Einwohnermelderegistern der Gemeinden zufällig gezogen und zur Teilnahme an der Fragebogenerhebung im Zeitraum von April bis Juni 2024 eingeladen. Davon haben 2.090 Personen einen Fragebogen ausgefüllt, der ausgewertet wurde, und erstmals repräsentative Ergebnisse zur Schlafqualität der Bürgerinnen und Bürger in Südtirol lieferte.

    Rund 20% der Südtirolerinnen und Südtiroler beklagten sich bei der groß angelegten Untersuchung über Schlafstörungen. Welche Ursachen wurden am häufigsten erwähnt? 

    Die subjektive Schlafqualität wurde von 1 von 6 Teilnehmer:innen (18%) als ziemlich schlecht oder sehr schlecht beschrieben. Hauptverantwortlich für schlechte Schlafqualität zeigten sich dabei Durchschlafstörungen, d.h. in der Nacht aufzuwachen und nicht mehr einschlafen zu können und zu wenig Schlaf – also weniger als 6 Stunden. Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass in der Südtiroler Allgemeinbevölkerung das Geschlecht (Frauen), das Alter (> 55 Jahre), der allgemeine Gesundheitszustand und das Vorliegen einer chronischen Erkrankung mit einer schlechteren Schlafqualität zusammenhängen.
     

    Ob es das Phänomen Frühjahrsmüdigkeit tatsächlich gibt lässt sich aus medizinischer Sicht nicht eindeutig beantworten. 

  • Von 3 Uhr auf 2 Uhr: Am Sonntag, den 26. Oktober 2025, wird wieder zurückgestellt. Foto: Karriere Südtirol

    Wie kann guter Schlaf gelingen? 

    Guter Schlaf kann durch eine gute Schlafhygiene gefördert werden. Auf ausreichend und regelmäßigen Schlaf von sieben bis acht Stunden zu achten, ist die „beste Medizin“ für einen guten Schlaf. Tipps für eine gute Schlafhygiene laut der amerikanische Fachgesellschaft für Schlafmedizin sind beispielsweise, sich täglich an den gleichen Schlafrhythmus zu halten, das Bett nur für Schlaf und Zweisamkeit zu nutzen, große Mahlzeiten, Koffein und Alkohol unmittelbar vor dem Schlafengehen zu vermeiden, sich tagsüber ausreichend zu bewegen und natürliches Sonnenlicht nutzen. Bei anhaltenden Schlafprobleme und -störungen über mehrere Wochen und Monate sollte man ärztliche Hilfe (z.B. beim Hausarzt/der Hausärztin) aufsuchen. 

    Welche Auswirkungen hat schlechter Schlaf auf die Gesundheit? Den Alltag? 

    Zu wenig oder unregelmäßiger Schlaf macht sich zunächst mit Tagesschläfrigkeit und Konzentrationsprobleme bemerkbar. Wenn ich also regelmäßig während Meetings, beim Lesen oder sogar beim Autofahren mit starker Müdigkeit kämpfe, könnte dies auf ein Schlafproblem hindeuten. Mittel- und langfristig kann schlechter Schlaf negative Folgen für unsere Gesundheit, wie z.B. erhöhtes Risiko für kardiometabolische Erkrankungen (z.B. Hypertonie, Adipositas, Typ 2 Diabetes), für psychische Erkrankungen (Depression und Angststörungen), uns sogar ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko haben. Aber nicht nur zu wenig Schlaf kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, auch exzessiver Schlaf – also mehr als neun Stunden – kann mit erhöhten Gesundheitsrisiken zusammenhängen.

    Das kurze Nickerchen am Nachmittag, auch Powernap genannt… Wie gesund ist das wirklich? 

    Ein Powernap am Nachmittag – 5-15 Minuten bis max. 20-30 Minuten – wirkt „erfrischend“ und verbessert Studien zufolge unsere kognitive Leistungsfähigkeit – schon unsere Großeltern hatten also recht... 
    Ob sich das Nickerchen am Nachmittag gesundheitsförderlich auswirkt, lässt sich anhand der wissenschaftlichen Literatur nicht beantworten. Wenn das ausgedehnte Nickerchen am Nachmittag aber ein Schlafdefizit in der Nacht ausgleichen soll, schadet dies aber eher dem Schlaf-Wach-Rhythmus und kann die bestehenden Schlafprobleme –  z. B. Durchschlafstörungen – noch weiter verstärken.

    Wie unterschiedlich ist Schlaf im Hinblick der Geschlechterfrage? 

    Schlafstörungen bzw. schlechte Schlafqualität ist leider ein geschlechterspezifisches Gesundheitsproblem. Frauen sind häufiger von Schlafproblemen betroffen als Männer und haben eine schlechtere Schlafqualität. Der Geschlechterunterschied wird u.a. auch mit chronobiologischen Ursachen im Zusammenhang mit hormonellen Übergangsphasen – während der Schwangerschaft und dem Stillen, sowie der Menopause – erklärt.
    Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass sich Frauen und Männer hinsichtlich der Schlafdauer u. Schlafhygiene nicht unterscheiden, allerdings Frauen häufiger von Einschlaf- und Durchschlafstörungen betroffen sind und häufiger Schlafmedikamente als Männer einnehmen.

    Wie steht es eigentlich um die Frühjahrsmüdigkeit. Was hat es mit diesem Phänomen auf sich?

    Ob es das Phänomen Frühjahrsmüdigkeit tatsächlich gibt lässt sich aus medizinischer Sicht nicht eindeutig beantworten. Als Ursachen für Müdigkeit, Antriebslosigkeit und manchmal sogar leichte Kreislaufprobleme im Frühjahr werden Anpassungen im Hormonhaushalt des Körpers (zwischen „Schlafhormon“ Melatonin und „Glückshormon „Serotonin“) verantwortlich gemacht. Auch der Wechsel zwischen kalten und warmen Temperaturen kann den Kreislauf belasten. Es gibt aber eine gute Nachricht: Die Tipps für einen gesunden Schlaf – z. B. regelmäßig Bewegung, Sonnenlicht – helfen auch bei Frühjahrsmüdigkeit. Dann klappts auch mit dem Frühjahrsputz.

  • Tipps für die Zeitumstellung: 

    Die American Academy of Sleep Medicine gibt Tipps, um die Auswirkungen der Umstellung von der Winterzeit auf die Sommerzeit und umgekehrt auf den Schlaf zu minimieren. In den Tagen vor der Umstellung auf die Sommerzeit sollte man Folgendes beachten 

    • Schlafen Sie vor und nach der Zeitumstellung sieben bis acht Stunden pro Nacht. 
    • Passen Sie Ihre Schlaf- und Wachzeiten schrittweise an. Verschieben Sie Ihre Schlafenszeit einige Nächte vor der Zeitumstellung im Frühjahr jeden Abend um 15 bis 20 Minuten früher oder einige Nächte vor der Zeitumstellung im Herbst jeden Abend um 15 bis 20 Minuten später. (Wenn Sie unter chronischem Schlafmangel leiden, sollten Sie Ihre Schlafenszeit vor der Zeitumstellung im Herbst nicht nach hinten verschieben. Sie profitieren von einer „zusätzlichen“ Stunde Schlaf in der Nacht, in der Sie zur Standardzeit zurückkehren.)
    • Passen Sie andere tägliche Routinen – wie beispielsweise Essenszeiten – vor der Zeitumstellung an Ihren neuen Zeitplan an.
    • Stellen Sie Ihre Uhren bereits am Samstagabend auf die neue Zeit ein und gehen Sie zu Ihrer gewohnten Schlafenszeit ins Bett.
    • Nutzen Sie Licht und Dunkelheit, um Ihrem Körper bei der Anpassung zu helfen. Gehen Sie im Frühling am Sonntagmorgen ins Freie, um etwas Sonne zu tanken, und dimmen Sie abends das Licht. Minimieren Sie im Herbst die Lichteinwirkung bis zu Ihrer gewünschten morgendlichen Aufstehzeit. Die Anpassung Ihrer Licht- und Dunkelheitserfahrung hilft Ihrer inneren Uhr, die den Zeitpunkt von Schlaf und Wachheit reguliert.