„Die Sprache auf den Kopf stellen“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Alma Vallazza: „Also sprach Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche.
Ich muss noch keine 7 Jahre alt gewesen sein, jedenfalls in einem Alter, in dem mir das Lesen noch sehr schwergefallen ist und ich mit dem Finger unter den Zeilen lesend maximal einzelne Wörter zu erfassen imstande gewesen bin. Auf die Aufforderung meines Vaters, mir ein Buch aus der Bibliothek im Wohnzimmer zu nehmen, soll ich, so die Familiensaga, ohne lange zu zögern zu „Zarathustra“ gegriffen und mit gerunzelter Stirn – ein Markenzeichen, das mir beim Lesen bis heute geblieben ist – begonnen haben, Nietzsche zu lesen. Mein Vater behauptete immer, ich hätte das Buch verkehrt herum, also auf dem Kopf gehalten gelesen. Ich erinnere mich jedenfalls noch deutlich an meine Anstrengung und meinen unbedingten Willen, verstehen zu wollen, was ich gerade lese. Vielleicht bin ich ja deshalb später Übersetzerin geworden. Geht es doch beim Übersetzen genau darum, der Sprache akribisch genau auf den Grund zu gehen und dabei jeder Offensichtlichkeit zu misstrauen. Die Sprache also zunächst gänzlich auf den Kopf zu stellen.Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
„Vielleicht läuft jetzt unser Badewasser schon ein.“ Aus: „Oktober und wer wir selbst sind“, von Peter Kurzeck, wie sein gesamtes, autobiografisch-poetisch geprägtes Werk.
Inner- oder außerirdisch: banal scheint mir die Tatsache, dass Lokalkrimis Tourismus und Buchhandel befördern.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
„Der Herr der Ringe“, von G.R.R. Tolkien. Um Fantasy-Literatur habe ich schon immer einen großen Bogen gemacht, mit Ausnahme meines Lieblingsbuchs von Astrid Lindgren „Die Brüder Löwenherz“, das ich als Kind x-fach gelesen habe. Es gibt also noch Hoffnung!
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Inner- oder außerirdisch: banal scheint mir die Tatsache, dass Lokalkrimis Tourismus und Buchhandel befördern. Was daran geheimnisvoll sein soll, wüsste ich beim besten Willen nicht zu erklären.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Uneingeschränkt keinem, aber ich liebe es, Menschen zuzuhören, die begeistert von ihren Lektüren erzählen.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Den hoffentlich nicht zu banalen Lokalkrimi, den ich selber dort vorgefunden habe.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich besitze keinen E-Book-Reader. Denn Bücher, gedruckt auf Papier, ermöglichen nicht nur die sinnlichste Art des Lesens, sondern haben darüber hinaus noch viele weitere schöne Eigenschaften. Bibliotheken und Buchhandlungen haben auf mich schon immer einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt. Es gibt wenige andere Orte an denen ich mich so zuhause fühle wie in der Umgebung von Büchern. Hingegen sind mir Wohnungen ohne Bücher und die Menschen, die darin wohnen, grundsätzlich suspekt.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Das sind einige. Zum Anlass dieser Umfrage möchte ich einen Gedichtband nennen, den ich selbst erst kürzlich entdeckt habe und der mir die große Ausdruckskraft der ladinischen Sprache (in diesem Fall: das Idiom Mareo) auf sehr originelle Art und Weise nahegebracht hat: pontins y parores von Teresa Palfrader (mit Übersetzungen der Autorin ins Deutsche und Italienische).
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