Cultura | Autorenbegegnung

Lilli Gruber auf Lesereise durch Südtirol

Im Interview erzählt Lilli Gruber wie das Buch zustande kam: „Das Erbe – Die Geschichte meiner Südtiroler Familie“, aus dem die bekannte Journalistin und Autorin im August in Bozen und Meran vorlas. Am 21. Dezember war sie auf Einladung des Schützenbundes in Montan zur Lesung geladen.

Was war der Anstoß, dieses Buch, diese Familiengeschichte niederzuschreiben?

Es beann alles mit dem Tagebuch der Rosa Tiefenthaler, meiner Urgroßmutter, die für ihre Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine sehr kämpferische und moderne Frau war. Wie ich ihr Tagebuch zum erstenmal las, dachte ich mir, das sind nicht nur emotionale und persönliche Aufzeichnungen sondern eine richtige Chronik, eine Aufzeichnung der Geschichte ihrer Zeit. Sie war nicht nur Tochter eines Großgrundbesitzers, sondern auch eine sehr kultuvierte Frau, die jeden Tag Zeitungen las und den politischen Ereignissen folgte. Und hinzu kam auch noch: Ich wollte diese Geschichte auch niederschreiben, um zu meinen persönlichen Wurzeln zurückzukehren.

War dieses Tagebuch in der Familie bereits bekannt oder haben Sie es entdeckt?

Das habe ich entdeckt; meine Muttererzählte mir, dass ihre Cousins ihr das Tagebuch gezeigt hätten und sie hat es dann ausgeliehen und mir ebenfalls gezeigt. Die Frakturschrift in der meine Urgroßmutter geschrieben hatte, hat sie für mich entziffert, ich kann zwar die gedruckte lesen, aber nicht die Handschrift. Meine Mutter Herlinde hat für mich übersetzt, all die Ereignisse die Rosa Tiefenthaler aufschrieb, vom 1. Weltkrieg bis zum Jahr 1940, in dem sie starb.

Also hat die Hauptperson Ihres Buches „Das Erbe“ die Kriegsjahre und die Schicksale ihrer Kinder nicht mehr erlebt, auch nicht wie die jüngste Tochter Hella immer mehr mit dem Nationalsozialismus sympathisierte?

Gerade ihre jüngste Tochter Hella hat meiner Urgroßmutter Sorgen gemacht, weil sie sich so unbedingt dem Nationalsozialismus anschloss; meine Urgroßmutter hat dem Hitler nicht getraut, der war ihr zu gottlos, denn sie war eine sehr fromme Frau und dass Hitler so wenig Respekt vor der Religion hatte, hat ihr sicher nicht gefallen.

Welches Schicksal hat diese Hella, die Ihre Großtante war, genommen?

Das kann ich Ihnen noch nicht ganz verraten, denn das wird Teil meines nächsten Buches, aber diese junge Hella die auch eine sehr kämpferische Natur war, noch dazu Katakombenschulllehrerin, wurde von den Faschisten wegen antifaschistischer Tätigkeiten verhaftet und zu 5 Jahren Verbannung in die Basilikata verurteilt. Nach einem Jahr kam sie dann durch die direkte Intervention Mussolinis frei. Sie war dann weiterhin im VKS, dem Völkischen Kampfring Südtirols tätig und ich habe sehr interessante Briefe von ihr gefunden, die sie zum Beispiel zum große NSDAP-Kongress einladen und worin sie erzählt, dass sie einige Stühle von Hitler entfernt sitzt. Das sind schon wertvolle historische Dokumente, sei es das Tagebuch meiner Urgroßmutter und ebe n diese Briefe meiner Großtante Hella.

Gab es auch innerhalb der Familie Meinungsverschiedenheiten zu Figuren wie Hella?

Das war wie überall in den Familien zu jener Zeit, während des Faschismus und der Option, die zu schwierigen Entscheidungen zwang und Familien spaltete. Auch im Tagebuch meiner Urgroßmutter wird das sehr gut beschrieben. Die Dableiber und die Optanten haben sich sehr konträr gegenübergestanden. Ich habe das auch als Kind mitgekriegt, aus den verschiedenen Erzählungen der Erwachsenen. Was mich immer sehr verwundert hat, war die Frage, wie man bereit sein kann, alles aufzugeben um in ein Land zu ziehen, wo man genauso wenig Perspektiven gehabt hat wie in einem faschistichen Italien.

Mich würde jetzt interessieren, auf wieviel Neues und Unerhörtes man stößt, wenn man sich auf die Recherche in der Familie begibt, das ist Ihnen ja so gegangen?

Das war zum Teil sicher so, ich wusste nicht dass die Großtante Hella Rizzolli-Tiefenthaler eine ziemlich fanatische NSDAP-Anhängerin war und dass sie so viele Kontakte zu Deutschland und zur Partei hatte. Sie wird ja wie so viele andere in Südtirol, objektiv fast als eine Heldin beschreiben; ihre Geschichte steht auch in den Geschichtsbüchern als die einer sehr mutigen jungen Frau, die gegen die Faschisten und für das Recht der Südtiroler auf deutsche Sprache kämpft. Man erzählt auch, dass sie im VKS eine prominente Figur war, aber was in Südtirol im allgemeinen noch immer ein großes Tabu ist, ist die ganze Nazizeit.

Gerade unter dem Aspekt, dass Sie die genauere Rolle Ihrer Großtante auch erst entdeckt haben, wäre es interessant zu wissen, bei wievielen Südtirolern dies auch so ist.

Das ist am schwierigsten zu erklären: Wie war es möglich, dass ein Großteil der Südtiroler antifaschistisch war, aber dann sehr dem Nationalsozialismus gehuldigt hat. Ich kann vieles verstehen, auch dass der Propagandadruck groß war, aber ich kann diese Haltungen nicht entschuldigen. Ich will auch nicht darüber urteilen, was sich meine Großtante Hella bei ihrem Engagement für Hitler gedacht hat und wohl viele andere auch. Es tut Südtirol sicher gut, wenn man diese Zeit noch besser beleuchtet.

Wie hat Ihre Herkunftsfamilie, die Tiefenthaler auf die Enthüllungen und das Buch reagiert?

Die Familie Tiefenthaler gibt es nicht mehr, meine Urgroßmutter war eines von 16 Kindern, davon 10 Mädchen und 6 Buben und die Buben sind alle gestorben, die Tiefenthaler Familie ist also ausgestorben. Ihre Schwester, Luise Tiefenthaler hat einen Tiefenbrunner in Entiklar geheiratet. Wie die Verwandten reagiert haben, war nicht immer einfach, obwohl ich vonseiten der Erben in Pinzon sehr gut utnerstützt wurde und auch von den Tiefenbrunnern in Entiklar. Es ist aber schon schwierig über diese Zeit zu reden. Gerade der älteren Generationen fällt es sehr schwer, sich hierzu zu äußern. Lieber tendiert man dazu, die Südtiroler stets als arme Opfer darzustellen, und die ganze Nazizeit etwas kritiklos zu sehen.

Geht es um dieses Thema in Ihrem nächsten Buch, geht es darin um die Großtante Hella?

Es handelt von ihr, aber nicht nur, ich versuche darin, die Geschehnisse der Kriegsjahre von 1941 bis 1945 zu erzählen, den Nationalsozialismus in Südtirol, den Krieg und die Auswirkungen der Option. Es wird im Ambiente der Familie bleiben, aber weniger eine Familiengeschichte sein, weil ich diesmal leider kein Tagebuch zur Verfügung hatte, dafür andere Dokumente die sehr interessant sind. In einem Jahr wird das Buch herauskommen.

 

Lilli Gruber kommt mit ihrem Buch "Das Erbe", erschienen im Droemer Verlag, auf Einladung von Athesia Buch nach:

  • Bruneck, Athesia-Buchhandlung am Donnerstag, 29. August um 20 Uhr 
  • Bozen, Pastoralzentrum, Domplatz 2 am Freitag, 30. August um 20 Uhr
  • Meran, Thermenplatz 1 am Samstag, 31. August um 20 Uhr

 

 

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rotaderga Sab, 08/31/2013 - 08:10

Lilli Gruber ist Teilnehmerin der Bilderbergermeetings. Warum schreibt sie dazu nichts, warum die Öffentlichkeitsscheue, warum schreibt sie dazu nichts? Bin verwundert, ja beängstigt. Was will hier vermittelt werden?
Oder ist sie nur ein Alibi Member?

Sab, 08/31/2013 - 08:10 Collegamento permanente