Politica | Aus dem Blog von: Salt & Pepe

Wir haben während der Revolution filmen gelernt

Omar Robert Hamilton ist ein ägyptisch-britischer Filmemacher, Aktivist und Kurator des Literaturfestivals in Palästina „PalFest“. Er ist Mitbegründer des Kairiner Videokollektivs Mosireen; sein letzter Kurzfilm, „Though I know the river is dry“ (2013) gewann den Prix UIP Rotterdam in diesem Jahr.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Was warst du zuerst? Politischer Aktivist, Filmemacher, Kurator eines Literaturfestivals?

Eigentlich wollte ich immer schon Filmemacher werden. Und im Grunde hat beides zeitgleich begonnen: Im Jahr 2008 habe ich meinen ersten Film gedreht (den Kurzfilm „Maydoum“, Anm.d.R.), und 2008 haben wir mit PalFest (einem alljährlichen Literaturfestival in Palästina, Anm.d.R.) begonnen. Vollends zum Polit-Aktivisten wurde ich aber erst durch die ägyptische Revolution.

Mir scheint, „Maydoum“ war auch ein Film darüber, was es heißt, Ägypter zu sein, aber zugleich auch nicht wirklich dazu zu gehören?

Ich bin Halb-Ägypter, und hatte immer schon eine enge Verbindung zum Land, aber zugleich hatte ich Probleme dort zu arbeiten, ich fand mich nicht zurecht. Ich bin in London aufgewachsen, und konnte mir nie vorstellen, ganz in Kairo zu leben. Erst mit der ägyptischen Revolution hat sich der Mittelpunkt meines Lebens und meiner Arbeit vollends nach Ägypten verlagert.

Wie hat die Revolution dein Verhältnis zum Filmemachen verändert?

Davor hat mich der Dokumentarfilm überhaupt nicht interessiert... Im Grunde habe ich inmitten der Revolution zu filmen gelernt; gelernt, wie man eine Kamera hält, wie man dreht, während man sich in der Mitte des Geschehens befindet. Das hatte ich vorher noch nie getan. Man lernt, sehr schnell zu filmen, zu schneiden, es ist eine völlig andere Art des Filmemachens.

Nach dem Sturz Mubaraks warst du einer der Mitbegründer des Videokollektivs Mosireen („Die Entschlossenen“), eines Versuchs der Herstellung von Gegenöffentlichkeit mit filmischen Mitteln.

Während der Revolution haben alle möglichen Leute alles Mögliche gefilmt, aber es gab keine organisierte Form der Produktion oder Präsentation. Im Februar 2011, als die Armee zum ersten Mal nach dem Sturz Mubaraks den Tahrirplatz räumen ließ, entstand Mosireen, als eine Form des Archivierens, des Sammelns der Flut von Videos, und als kollektiver Arbeitsraum. Wir filmten, wir stellten unsere Videos als Downloads zur Verfügung, wir organisierten das „Tahrir Cinema“, um Videos und Filme zu zeigen, die es im Fernsehen nicht zu sehen gab. Das entwickelte sich dann zu Kazeboon („Sie sind Lügner“), einer Bewegung in ganz Ägypten zur öffentlichen Straßenvorführung von Videos als Kritik der Armeeführung.

Und du hast dann mit dieser politisierten Art des Filmens, mit der Kamera eines Aktivisten eine Kurz-Spielfilm gemacht, eben „Though I know the river is dry“.

Vor der Revolution brauchte ich einen Kameramann, jemand der den Schnitt besorgt, jemand für die Beleuchtung und so weiter. Als ich „Though I know the river is dry“ in Palästina gedreht habe, haben wir mit einer sehr kleinen Crew gearbeitet. Ich selbst habe die Kamera geführt. Die Vorstellung dieser sehr langsamen Arbeit des traditionellen Filmens mit Beleuchtung, und den unzähligen Takes und Wiederholungen, das schien uns einfach nur noch lächerlich.

Das sieht man auch sehr deutlich im Film, alles ist in Bewegung, aufgebrochen, als sei jemand hinter euch her.

Wir haben an 16 Drehorten in vier Tagen gedreht, alles im Stehen, ohne Stativ, in Bewegung, fast so als würden wir einen Dokumentarfilm machen, ohne Beleuchtung, oder mit nur sehr wenig. Die Revolution hat meine Idee davon, wie viel Zeugs und Material man an einem Film-Set braucht, grundlegend verändert.

Wie positionierst du dich zur Absetzung des gewählten Präsidenten Morsis durch die Armee?

Wir sind seit Morsis Sturz politisch in einer völlig festgefahrenen Lage, und niemand von uns weiß genau, was zu tun ist. Im Augenblick bekriegen sich die Armee und die Muslimbrüder, und von uns will niemand rausgehen und filmen, weil wir uns weder von der Armee noch von den Muslimbrüdern erschießen lassen wollen. Was immer man momentan tut, wird von einer Seite gegen die andere verwendet. Wir erleben jetzt, dass unsere alten gegen die Armee gerichteten Videos von den Muslimbrüdern verwendet wird, während unsere die Muslimbrüder kritisierenden Videos im Staatsfernsehen gezeigt werden. Mit einem Wort, wir wissen nicht, wie wir derzeit politisch wirksam sein können.

Hat das nicht damit zu tun, dass derzeit ein dritter Standpunktes, jenseits der Dichotomie Armee–Muslimbrüder, nicht sichtbar ist?

Ja, die Frage ist, wie so ein Standpunkt artikuliert werden könnte, ohne dass er von der einen oder der anderen Seite instrumentalisiert wird.

Wie kann sich die politische Entwicklung aus der Umklammerung der Armee wieder befreien?

Im Moment ist der Raum für politischen Aktivismus verschlossen. Allerdings glaube ich, dass sich das sehr bald ändern wird. Schon allein deshalb, weil die Armee die gleichen Fehler wie vor zwei Jahren macht: Sie drücken eine Verfassung durch, die alle Ziele, und Inhalte der Revolution völlig bei Seite läst, es ist so schockierend, dass es einfach nicht von Dauer sein kann.