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Schule...wie macht sie Sinn?

Herzenswärme und Unterrichtsmethoden. Eine Diskussionsrunde in der Eurac über die Zukunft der Schule.
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Foto: Allianz für Familie

Die Frage beschäftigt uns im Landesbeirat der Eltern schon seit mehreren Jahren. Schule ist ein großes, sehr komplexes und deshalb auch ziemlich träges System. Viele arbeiten beruflich und ehrenamtlich wie wir daran Ideen zu generieren wie Schule dem gesellschaftlichen und technologischen Wandel, den Bedürfnissen der Schüler/innen, den Bedürfnissen der Familien und nicht zuletzt den Bedürfnissen der Gesellschaft nachkommen kann. Sicher ist, dass sie wie alles einem Wandel unterliegt, aber wie dieser Wandel aussehen soll und vor allem wie zügig er umsetzbar ist, ist zum Teil noch sehr offen bzw. nicht offen dargelegt bzw. nach außen kommuniziert.

Im Mai des vergangen Jahres haben wir, um darüber mit Fachpersonen aus verschiedenen Richtungen nachzudenken, eine Diskussionsrunde in der Eurac organisiert. Prof. Dr. Tappeiner, hat in seinem Impulsvortrag schon einige zu bedenkende Punkte ausgeführt und weitere werden wir hier dazustellen. Sie sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl noch eher als Fragen zu verstehen, über welche es nachzudenken gilt.

Der demographische Wandel trifft nicht nur die Schule mit einem nie dagewesenen Lehrer/innenmangel, sondern auch die Wirtschaft mit einem Fachkräftemangel. Die Konsequenz daraus beschreibt Dr. Tappeiner indem er sagt „dass jeder junge Mensch zählt und die Gesellschaft jeden braucht, auch die Schwierigen“. Begabtenförderung sei unter den momentanen Umständen natürlich weiterhin wichtig, aber es sei auch wichtig die „Schwierigen und Schwachen“ mit ins Boot zu nehmen. Auch um Vertrauen ging es in seinem Vortrag, Vertrauen in das System, das natürlich auch vertrauenswürdig sein muss und das Selbstvertrauen der Jugendlichen stärken muss. Ein zentraler Punkt in diesem Zusammenhang muss es sein, dass bei allen Überlegungen wie die Schule der Zukunft aussehen kann, die Bedürfnissen der Kinder im Mittelpunkt stehen müssen und sollen. Spätestens hier überkommt uns ein erster Gedanke, welcher die Vertrauenswürdigkeit des Systems in Frage stellt. Geht es wirklich um die Bedürfnisse der Kinder oder sind vielleicht doch die Bedürfnisse der allseits berufstätigen Familie, der Arbeitgeber, der Wirtschaft im Vordergrund und werden aber als Bedürfnisse der Kinder „verkauft“? Oder geht es vermehrt um organisatorische Bedürfnisse, den Schulalltag im 50´ minütigen Schlagabtausch von Fächer und Lehrpersonen in die Vormittage zu schachteln und dies wird dann sozusagen als schulisches „Kerngeschäft verkauft“? Brauchen Kinder nicht vorwiegend Zeit, Wahrnehmung, Beziehung und eine adäquate Beantwortung ihrer Bedürfnisse?

In einer Zeit des zunehmenden, auch finanziellen Drucks auf Familien wird es besonders wichtig genau hinzuschauen, um welche Bedürfnisse es geht. Geht es um die Bedürfnisse der Kinder werden wir uns fragen müssen, welches Betreuungsangebot Hand in Hand mit Schule sinnvoll ist. Ist es das Integrieren von außerschulischen Aktivitäten die von Vereinen (z. B. Sport) und/oder Jugendorganisationen (z. B. Jugendtreffs)? Wie funktioniert dann die „Übergabe“? Schaffen wir es Angebote zu bieten, die begleitet sind von verlässlichen, integren Erwachsenen, die ein adäquates und konstantes Beziehungsangebot machen können? Es geht hier auch nur um die Qualität des einzelnen Kurses, aber im Besonderen um einen roten Faden, einen verlässlichen Kontext als Rahmen der spürbar für die Kinder ein sicherer ist. Das heißt, es wird nicht sein können, dass Kinder sich über den Tag auf sagen wir 8 verschiedene Personen einstellen müssen. Wichtig also, dass es nicht um ein reines, wenn auch gut verkauftes Wegorganisieren-müssen unserer Kinder geht, in dem wir irgendwelche Betreuungsangebote in Anspruch nehmen müssen, weil die Wirtschaft alle Erwachsenen so schnell es geht wieder ins Rad der Erwerbstätigkeit einbinden will. Wichtig auch zu erwähnen, dass die Entwicklungspsychologie sagt, Kinder brauchten auch einfach die Qualität des „Seins“, nicht immer nur des „Tuns“. Einfach mal Sein und Sein dürfen und nicht immer Tun müssen …. Kreativität und Selbstwahrnehmung ereignen sich vorwiegend dort.

Geht es um die Kinder, dann sind Lehrer/innen wichtig – wie Landesrat Achammer auf unserer Vollversammlung 22 so treffend sagte – die ihren Beruf mit Herzenswärme machen. Herzenswärme, Bindungs- und Beziehungsfähigkeit sind heute mindestens gleich wichtig wie Fachkompetenz, wir würden meinen, oft auch wichtiger. Lernen funktioniert zu einem großen Teil über Identifikation. Das heißt die Schüler/innen brauchen Lehrer/innen mit denen sie sich identifizieren können, die ihnen ein Vorbild sind, die sie achten und schätzen können und dies passiert in erster Linie über die Fähigkeit in eine vertrauensvolle, wohlwollende und unterstützende Beziehung zu gehen. Um eine solche Beziehung anbieten zu können muss man als Lehrperson selbst einen sicheren Bindungsstil haben. Wie uns die Bindungsforschung bestätigt entwickelt sich dieser in den frühen Jahren der Kindheit im Austausch mit den Primärbezugspersonen. Haben alle Lehrer/innen diese Fähigkeit, kann man sie wirklich methodisch erlernen und wenn nein …. was ist die Folge?

 

 

„Lernen“ ist assoziativ unser nächster Gedanke. Um zu lernen – und das sagt uns auch die Neurowissenschaft – braucht der Mensch eine Atmosphäre in der er sich wohl fühlt und in der er angstfrei sein kann. Ist dies aufgrund des Notendrucks der Fall? Könnten Noten mit Bewertungen von kompetenzorientierten, leistungsgerechten und den individuellen Lernprozess beschreibenden Niveaustufen in allen Schulstufen ersetzt werden? Werden die Lernenden in ihrem Leistungsverhalten und ihrer Kompetenzerreichung ausreichend bestärkt und unterstützt? Wird die derzeitige Bewertung grundsätzlich für einen bildenden Charakter des Lernenden und förderorientiert eingesetzt?

…und wenn schon Noten: könnten sie sich zwischen 5 und 10 bewegen? Denn welchen Sinn haben 3er und 4er? Und was lernen die Jugendlichen von heute fürs Leben selber, ist praxisorientiertes Lernen ein Kann-Modell oder fast nur für die Berufsschulen vorgesehen? Ist Wissensanhäufung und -wiedergabe von längst schon überfälligen Geschehnissen in zigfacher Wiederholung in fast jeder Schulstufe noch sinnvoll? Welche Fehlerkultur brauchen wir, um aus Fehlern wirklich lernen zu können? Sinnvoller erachten wir das Erlernen von sozialen und emotionalen Kompetenzen, das hat schon unsere LBE Umfrage 2015 und die darauffolgenden Bezirksversammlungen ergeben. Sie sind die Erfolgskompetenzen, die einen durchs Leben bringen und einen befähigen auch schwierige Momente im Leben zu meistern. Das Erlernen einer Diskussionskultur, das Verstehen, dass Komplexität am besten dargestellt werden kann indem Meinungen und Haltungen zu einem Ganzen integriert werden, Teamfähigkeit, Konfliktlösungskompetenz sind u.a. mit dem neuen Fach „Gesellschaftliche Bildung“ seit 2020 verpflichtend verankert. Im Team Themen erarbeiten und anderen zur Verfügung stellen. Seit immer haben Menschen überlebt, weil sie die Kraft der Gemeinschaft nutzten, weil das Zusammen der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Gruppe sie stark machten und nicht die individuelle Leistung im Vordergrund stand. Wäre das nicht ein Ansatz der auch die vorher angesprochenen „Schwachen und Schwierigen“ weiterbringen könnte? Können nach dem Fördern von individuellen Lern-und Arbeitsverhalten in der Pandemie wieder die Kooperativen Lernformen forciert eingesetzt werden, die alle oben beschriebenen sozialen und emotionalen Kompetenzen entwickeln, fördern und gleichzeitig das Lernen selber spiralförmig nach oben antreiben?

 

Die Realität ist, es gibt schon sehr viele fortschrittliche Ideen, die in Schulen umgesetzt und erprobt werden, es gibt auch viele Lehrpersonen die Herzenswärme vermitteln können und bereits innovative Unterrichtsmethoden und Bewertungssysteme anwenden. Warum aber geht es am Ende des Semesters immer noch um dieselbe leidige Frage: bin ich auf 5,2 oder 5,8??

Als Antwort fällt uns momentan nur die Ambivalenz unserer Gesellschaft ein, die sich in den Schulen genauso wie bei uns Eltern bemerkbar macht. Einerseits das Festhalten wollen an tradierter, klassifizierbaren Leistungserhebung, vielleicht weil alles was klassifizierbar ist auch einfacher ist. Andererseits werden wir uns bewusst, dass das Potential eines Menschen, sehen wir es als seinen Schatz, mit anderen Werten und Haltungen wohl besser zu heben geht und dass die Kombination: Kann-Bestimmungen und autonome Schulen gleichzeitig Fluch und Segen sein kann.