Società | Jugendarbeit
„Ein Eiertritt folgt dem anderen“
Foto: jungle-meran.org
„Ein Eiertritt folgt dem anderen“, schildert Besay Mayer, Leiter des Jugendzentrums „Jungle“ in Meran, womit er salto.bz eine Perspektive auf die politische „Meraner Art und Weise“ eröffnet, mit Jugend- und Kulturarbeit umzugehen. Für ein besseres Verständnis der schockierenden Verhältnisse beginnt er am Anfang:
Als in den 1990ern die Kulturkoryphäen Klaus Nothdurfter (ehemaliger Amtsdirektor für Jugendarbeit der Provinz Bozen) und Toni Gögele (ehemaliger Assessor) voller Ambition den Verein Jugend-Aktiv im Jugendstil-Schlachthof etablierten, wehte noch ein anderer Wind. Das gesamte Areal rund um das ensemblegeschützte Gebäude sollte als Jugend- und Kulturareal umfunktioniert werden, wobei Kostenrechnungen und Pläne für Proberäume, Konzert- und Mulifunktionssäle sowie für eine Jugendherberge erstellt wurden. „Dies waren die Visionen, von denen ich selbst als Jugendlicher im Jugendzentrum Zeuge wurde“, bekräftigt Besay Mayer.
Die frühen 2000er zogen allerdings gemeindepolitische Veränderungen nach sich und all die Visionen wurden zunehmend archiviert. Das Jugendzentrum Jungle sowie dessen Trägerverein Jugend-Aktiv wurden mit sämtlichen Strukturen zurückgelassen und die Jugendarbeit an sich musste zusehen, wie sie über die Runden kommt. So nahm die tragische Geschichte ihren Lauf, erzählt Mayer, denn „es war nie genug Geld da und aus einem Pool von Visionen wurde ein Ringen ums Überleben“.
Der Schuldenskandal gab eine klare Richtung vor.
Der Verein musste sich über Wasser halten und so wurde aus den ersten Schulden, ein Betrag von 50.000 Euro, der im Jahre 2004 zur Abdeckung von Strukturerhaltung, Betriebskosten und Gehältern aufgenommen werden musste, bis zum Jahre 2011 ein beträchtlicher Schuldenberg von rund 250.000 Euro. Ein Skandal, der damals auf den ehemaligen Verwaltungsleiter des Jungle, Thomas Sigmund, projiziert wurde. Der Freispruch Sigmunds (2018) nach langjährigen Gerichtsverfahren erzählt dieselbe Geschichte wie Besay Mayer: „Anstelle eines skandalösen Verbrechens waren die Schulden, die stetig wachsende Folge eines tragischen Strukturproblems des politischen und bürokratischen Anerkennungsmangels in der Gemeinde Meran. Die Lösung des wahren Problems interessierte nie wirklich, sodass anstelle von Unterstützung illegitime Fingerzeige auf einen Sündenbock erhoben wurden.“ Wurde die Jugend- und Kulturarbeit zuvor bereits politisch eher als fünftes Rad am Wagen wahrgenommen, war nun die Richtung, die vonseiten politischer InteressensvertreterInnen und dem Beamtentum vorgegeben wurde, eindeutig: „Das Jugendzentrum solle so wenig wie möglich Aufsehen erregen und so wenig wie möglich kosten, streng kontrolliert durch den Beamtenapparat natürlich“.
Das Jugendzentrum solle so wenig wie möglich Aufsehen erregen und so wenig wie möglich kosten.
Als Mayer im Jahre 2017 im Jungle die Zügel in die Hand nahm, erfüllte er sich nicht nur einen Jugendtraum, sondern sah die Möglichkeit, an den einstigen Visionen anzuknüpfen. Eine angemessene Sanierung und „Belebung“ des Gebäudes sowie die Dezimierung des Schuldenbergs waren das Ziel: „Die Sanierung und Belebung glaube ich, haben wir mit einem enormen ‚successo‘ erreicht, wie die Resonanz unserer Projekte der letzten Jahre vor Augen führt“. Während dieser Zeit musste der Jugendarbeiter jedoch fleißig in die eigene Tasche greifen, um beispielsweise Steuernachzahlungen abdecken zu können, die zehn Jahre vor seinem Dienstantritt entstanden sind.
Sonderlich überrascht war Mayer davon nicht: „In der Zeit als Vorstand des Ost-West-Clubs wurde ich bereits Zeuge davon, wie von der Gemeinde Meran das Anrecht auf Beiträge, aufgrund ‚seines Zustandes‘, verwehrt wurde. Mit höchster Anstrengung durch tausende Stunden ehrenamtlicher Arbeit, Kulturprogramme und Selbstorganisation gelang dem Club dennoch ein erfolgreiches eigenständiges Wachstum. Ohne Unterstützung und Zuspruch der Gemeinde.“ Schwer verdaulich, denn der Ost-West-Club bildet in Meran, als beliebtes Kultur- und Kommunikationszentrum, eine der wichtigsten Plattformen des Austausches, der Integration und der Begegnung auf sämtlichen Ebenen.
In Meran sind wir es gewohnt, als Störfaktor gesehen zu werden.
Dabei handle es sich um ein Zusammenspiel diverser Faktoren: „Zum einen leidet Meran unter der Hegemonie von Schlüsselfiguren, die es verstehen, für Profit Vereine und motivierte Leute in der Gemeinde zu zermürben. Interessen lenken Finanzierungen. Dies ging in den letzten beiden Jahrzehnten einher mit immer schwächerem Zusammenhalt in der Politik, wodurch ein wirkungsmächtiges Beamtentum bekräftigt wurde“. Praktiken der Missachtung und mangelnde Anerkennung, die auf diesen Ebenen entstehen, transformieren sich schleichend in Stigmatisierungen, die leider auch häufig von den Bürgern und Bürgerinnen aufgenommen und reproduziert werden: „Frage ich um eine zeitlich begrenzte Baustellenzufahrt über den Schlachthof, wird mir brühwarm mitgeteilt, dass das Jugendzentrum eigentlich in das ‚ultimo buco della Zona militare, dove non danno fastidio a nessuno‘ zu verbannen sei“. Es scheint ein trauriger Fakt zu sein, dies von der Jugendarbeit, ebenso auf die Kultur- und Sozialarbeit übertragen zu können.
Mangel an Anerkennung
Ein grundlegender Faktor von Anerkennungsmangel, bleibt jedoch die Ressourcenverteilung. Dabei schildert Mayer, dass das Jungle auf stadtpolitischer und -bürokratischer Ebene stets lieber als „Bahnhofsremise: Kulturzentrum“ bedauert und beäugt wurde, als es angemessen auszustatten. Anfragen, wie etwa der Finanzierung des ganzwöchigen Betriebes des Jugendzentrums oder eines Stellenaufbaus zur angemessenen Betreuung wurden langjährig nicht zur Kenntnis genommen oder dementiert. Damit gingen im selben Zug Vorwürfe der Kontrolllosigkeit der Jugend einher.
Mayer äußert dazu: „Von der Vorschrift wird man dazu angewiesen, genau das Gegenteil von dem zu tun, was Jugend- und Sozialarbeit eigentlich intendiert. Jugendliche in schwierigen Situationen müssen aufgenommen, von der Straße geholt und in eine Gemeinschaft integriert werden. Allerdings wird diese Ambition bedrängt und der eigentliche Gesellschaftsnutzen von Jugend-, Kultur- und Sozialarbeit erscheint als ständiger Kampf – und bringt sogar ‚Razzie‘ ins Haus.“ Ein großer Verlust, denn in dieser sich abzeichnenden „Meraner Art und Weise“, werden, aufgrund von Ignoranz und mangelndem Interesse, Antworten der Jugend-, Kultur und Sozialarbeit auf Gewalt, Bandenbildung und Drogenmissbrauch verkannt. Wie Mayer beteuert: „Wir haben pädagogische Konzepte und Kompetenzen, um junge Menschen aufzufangen, die, wie uns angesichts der Jugendbandenproblematik vor Augen geführt wird, dringend benötigt werden – aber Gelder für derartige Projekte kamen, von der Gemeinde, abseits von derartig konfliktträchtigen Situationen, so gut wie keine.“ Stattdessen würden sogar ehrenamtliche Arbeit und damit einhergehende Fortschritte übersehen und fehlinterpretiert. Dies wurde Mayer vor allem auch während der Corona-Pandemie vor Augen geführt: „Schikanierende Kontrollen, Beitragskürzungen, konzessionsbedingte Mehrspesen und spendenbasierte Selbsterhaltung waren die Folge. Das bezahlte der Verein, aber noch mehr die Jugend auf bitterste Weise.“
Höhere Sensibilität in der Landesregierung
Gegenteilig machte Mayer die Erfahrung, dass die Landesregierung, entgegen gängigen Meinungen, stets ein vorbildliches Verständnis für die Art der Pädagogik des Jugend Aktiv-Vereins hatte: „Zu unserer positiven Überraschung hörte uns Bozen stets mit großer Aufmerksamkeit zu, brachte sich konstruktiv-kritisch ein und unterstützte aktiv“. So seien Projekte der letzten Jahre, wie etwa Jungle Music Incubator, zu hundert Prozent vom Land finanziert worden. Hier sieht Mayer ein anderes, tiefes Bewusstsein für den Wert der Jugendarbeit: „Immer wieder werden wir auf Landesebene Zeugen einer anderen Mentalität sich Anliegen und Projekte anzusehen, zu evaluieren und ernst zu nehmen. Vor Menschen, wie Philipp Achammer, die für derartige Belange stets ein offenes Ohr haben, ziehe ich diesbezüglich meinen Hut“.
Zu unserer positiven Überraschung hörte uns Bozen stets mit großer Aufmerksamkeit zu, brachte sich konstruktiv-kritisch ein und unterstützte aktiv.
Neue Politik, neue Hoffnung
Mayer sieht einen potenziellen politischen Umschwung in der neuen Stadtregierung. Durch Schlüsselfiguren, die direkte Erfahrungen, Kompetenzen und einen persönlichen Bezug zum Jugend-, Kultur- und Sozialsektor vorweisen, könnten endlich Hürden abgebaut werden, wie etwa die aktuelle Konzession, eine Reliquie der Grünen-Regierung, umrissen in folgenden Stichworten: „mehr Strom- und Strukturspesen, geringere Beiträge“ sowie die unverhältnismäßige Kontrolltätigkeit. Mayer ist der Überzeugung: „Wenn hier auch noch Anerkennung und Förderung vom Tourismussektor erfolgen würde …, wenn ein weitreichendes Bewusstsein um den Wert des Jugend-, Kultur- und auch Alternativkulturcharakters von Meran entstehen würde, würde das endlich die Weichen zur Entfaltung stellen, die unsere Stadt brauchen würde.“
Nach Besay Mayer nicht unbedingt die Sintflut
Der Fakt, dass sich der Trägerverein Jugend Aktiv und die Struktur des Jugendzentrums Jungle im Überlebenskampf befinden, lässt sich nicht herunterspielen, aber zumindest zeige sich auf stadtpolitischer Ebene eine neue Hoffnung. Dennoch war mit der auslaufenden politischen Amtsperiode der Grünen für Besay Mayer bereits der Punkt erreicht, an dem ihm die Notwendigkeit eines Tapetenwechsels seiner selbst willen bewusst wurde: „Nach diesem Beschluss war es mir wichtig, mindestens ein halbes Jahr Übergabezeit einzuräumen, um sicherzustellen, dass meine MitarbeiterInnen den Laden noch besser weiterführen können, als ich es tat“. Wird allerdings weiterhin die Schiene der „Meraner Art und Weise“ gefahren, ist für Mayer klar: „Menschen, die leidenschaftlich im Jugend-, Kultur- und Sozialsektor schuften, sich abseits monetärer Interessen für einen Mehrwert in unserer Gesellschaft einsetzen sowie reale Probleme anpacken, wird Meran durch die Marginalisierung, Unterdrückung und Schikane vonseiten schwacher Politik und fehlgeleitetem Beamtentum, konsequent verlieren.“
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Als Außenstehender versteht
Als Außenstehender versteht man auch nach aufmerksamer Lektüre des Artikels nur wenig oder fast gar nicht, um was es da geht. Leider.
Danke für Ihr Menschen- und
Danke für Ihr Menschen- und Weiltbild und diese klaren Worte zu einer unhaltbaren Situstion, Herr Mayer! Es muss nun eine Debatte über die Frage, welchen Stellenwert die außerschulische Jugendbildung habe, gefordert werden!
Die Jugendarbeit leistet einen unschätzbaren Wert für unsere Gesellschaft, der durch diese Entwicklung verloren gehen kann.
wie recht herr Mayer doch hat
wie recht herr Mayer doch hat.. und wie gut man ihn doch verstehen kann.. als selbständiger künstler.. erst recht.. was es da dafür gibt ist das kunsthaus.. geführt wurde es für 30 jahre und mehr.. von der gleichen.. mit beziehungen zur gemeinde.. und deren architekten.. mehr brauch man da auch nicht schreiben.. man versteht von selbst.. jedes wort ist überflüßig.. meran war immer schon so.. ich hoffe.. dass sich was ändert mit der neuen dame für kultur..