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Die Abschreib-Fraktion

Seit Jahren will Brigitte Foppa in öffentlichen Ausspeisungen eine Kennzeichnungspflicht der Produkte einführen. Die SVP stimmte dagegen und schreibt den Antrag ab.
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Foto: upi
Brigitte Foppa kann hartnäckig sein.
Die grüne Landtagsabgeordnete speist nicht etwa in teuren Gourmet Restaurants, sondern man trifft die Politikerin sehr oft beim Mittagessen in der öffentlichen Mensa am Bozner Bahnhofsplatz. Auch deshalb dürfte Foppa mit diesem Thema persönlich durchaus vertraut sein.
Ich setzte mich seit vielen Jahren für diese Sache ein und die SVP hat mehrmals im Landtag unseren Vorschlag versenkt“, zeigt sich Foppa entrüstet, „und jetzt kupfern ein paar ganze Schlaue aus der Bauernfraktion das Ganze einfach ab“.
Schaut man sich die Geschichte genauer an, wir der Ärger der Oppositionspolitikerin nachvollziehbar.
 

Mehr Transparenz

 
Aufgrund einer EU-Verordnung treten mit 1. April 2015 auch in Italien neue Bestimmungen über die Etikettierung von Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch in Kraft. Für Brigitte Foppa ist das der Anlass auch in Südtirol „Mehr Transparenz für das in den Kantinen verwendete Fleisch“ einzufordern. Am 9. April 2015 reicht Foppa zusammen mit ihren Fraktionskollegen Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba dazu einen Beschlussantrag im Südtiroler Landtag ein.
Der Landtag soll die Landesregierung beauftragen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sämtlichen von der öffentlichen Hand geführten bzw. mit Ausschreibung vergebenen Einrichtungen, die für die Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind (in Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen usw.) verpflichtend vorzuschreiben, auf der Speisekarte den Herkunftsort des verwendeten Fleisches anzuführen.
Zudem soll die Landesregierung mit dem Hotelier- und Gastwirteverband (HGV) Kontakt aufnehmen, um gemeinsame Maßnahmen auszuarbeiten, mit dem Ziel, auch die Südtiroler Restaurants dazu zu bewegen, auf der Speisekarte den Herkunftsort der verwendeten Fleischsorten anzuführen.
 
 
Als der Beschlussantrag am 9. November 2017 im Landtag behandelt wird, stimmt die SVP geschlossen dagegen. Der damalige SVP-Fraktionssprecher und heutige Senator Dieter Steger erklärt damals: „An diesem Beschlussantrag zeigt sich, wie unterschiedlich die politischen Ansätze der Grünen und der Südtiroler Volkspartei sind. Wir setzen nicht auf Verbote und auf Zwänge, sondern wir setzen auf positive Anreize. Deswegen wird meine Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen
Der Beschlussantrag wird mit 4 Ja-Stimmen, 4 Enthaltungen und 19-Nein-Stimmen abgelehnt.
 

Der zweite Anlauf

 
Am 1. März 2019 geht an der Freien Universität Bozen eine viel besuchte und beachtete Tagung mit dem Titel „Mens(a) sana in corpore sano“ zur nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung über die Bühne. Dabei wird von Fachleuten unterstrichen, wie wichtig der Ausbau von nachhaltig produzierten Lebensmitteln gerade in der Gemeinschaftsverpflegung sei.
Brigitte Foppa nimmt diese Tagung zum Anlass um im Landtag erneut einen Beschlussantrag zur „Transparenz in der Gemeinschaftsverpflegung“ einzubringen. In dem Beschlussantrag fordern Foppa, Hanspeter Staffler und Riccardo Dello Sbarba:
 
  • Alle Maßnahmen zu treffen, damit die Betreiber von öffentlichen Ausspeisungen angehalten werden, die verwendeten Zutaten aus biologischem Anbau auf den Menüplänen anzugeben;
  • Alle Maßnahmen zu treffen, damit die Betreiber von öffentlichen Ausspeisungen angehalten werden, die verwendeten Zutaten aus fairem Handel auf den Menüplänen anzugeben;
  • Alle Maßnahmen zu treffen, damit die Betreiber von öffentlichen Ausspeisungen angehalten werden, den Herkunftsort des verwendeten Fleisches auf den Menüplänen anzugeben.“
     
 
 
Als der Beschlussantrag am 8. Oktober 2019 im Landtag behandelt wird, wiederholt sich dasselbe Schauspiel. Die SVP-Fraktion stimmt wieder geschlossen dagegen. SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz spricht sich ebenso gegen die Annahme aus, wie Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Der Rat der Gemeinden würde zwar die Zielsetzung teilen, lehne aber eine Verpflichtung ab, weil das für die Gemeinden mit zu großem Aufwand verbunden sei.
Der Sarner Bauernvertreter Franz Locher erklärt im Landtag: „Ich werde diesem Beschlussantrag zwar nicht zustimmen, aber ich stimme inhaltlich in vielen Punkten zu. Das heißt, wir müssen diese Thematik vorantreiben und werden an dieser Thematik dranbleiben
Der Antrag wird mit 12 Ja-, 17 Nein-Stimmen und 4 Stimmenthaltungen wieder abgelehnt. Weil die Einbringer eine namentliche Abstimmung fordern, wird im Protokoll festgehalten, wer wie abgestimmt hat.
Franz Locher, Manfred Vallazza und Sepp Noggler stimmen gegen den grünen Beschlussantrag.
 

Schamlose Kopie

 
Brigitte Foppa gibt aber nicht auf.  Die grüne Landtagsabgeordnete reicht am 13. April 2021 erneute einen Beschlussantrag zur „Kennzeichnung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs in Mensen“ ein. Mit dem Antrag soll die Landesregierung beauftragt werden:
 
„Für mehr Transparenz beim Konsum in öffentlichen Ausspeisungen zu sorgen, indem die Betreiber den tierischen Produkten auf dem Menüplan folgende Kennzeichnungen beifügen müssen:
a. den Herkunftsort und die Haltungsbedingungen der verwendeten tierischen Produkte.
b. die Angabe, ob die angebotenen Lebensmittel Erzeugnisse gentechnisch veränderter Organismen sind.
c. die Angabe, ob Lebensmittel gentechnisch veränderte Mikroorganismen beinhalten.“
 
Nach der Einreichung passiert aber etwas Unerwartetes. „Ich habe meinen Augen nicht getraut“, sagt Brigitte Foppa.
 
 
Denn am Montag dieser Woche reichten plötzlich auch die drei SVP-Abgeordneten Manfred Vallazza, Franz Locher und Sepp Noggler einen Beschlussantrag mit dem Titel „Verpflichtenden Kennzeichnung der Produktherkunft in der Gemeinschaftsverpflegung“ ein. Der Antrag des SVP-Bauerntrios kupfert all das ab, was die Grünen seit sechs Jahren vergeblich einfordern.
Die SVP-Bauernvertreter wollen:
 
  • „dass für folgende Produktgruppen, welche in Gemeinschaftsverpflegungen verabreicht werden, Herkunftsbezeichnungen, die eine Rückverfolgung garantieren, verpflichtend werden:
    Fleischerzeugnisse: Schinken, Speck, Fertigschnitzel, Würste und Wurstwaren (Angabe der Hauptzutat über 50 Prozent); 

    Milchprodukte: Milch, Butter, Topfen, Käse, andere Produkte mit Hauptbestandteil Milch (Anteil über 50 Prozent); 

    Eier und Eiprodukte; 

    Obst und Gemüse sowie Säfte.
  • dass die Herkunft der Zutaten im Menüplan anzugeben ist oder mittels Aushangs- oder Informationsblattes kundgetan werden soll. Die Herkunftsbezeichnung soll als eine Klammerangabe bei der Hauptzutat im Zutatenverzeichnis bzw. in unmittelbarer Nähe erfolgen. Bei Eiern soll zusätzlich die Haltungsform angeführt sein. 

  • dass die Einhaltung der Lebensmittelkennzeichnungsvorschrift im Zuge der Hygienekontrollen erfolgen soll. 

  • dass die verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung innerhalb 2021 umgesetzt wird. 

  • dass die Tourismusorganisationen und IDM die privatgeführte Gastronomie anspornt, auf freiwilliger Basis die Lebensmittelkennzeichnung anzuwenden.“
 
Das SVP-Korsett ist damit weit enger als Brigitte Foppa & Co bisher gefordert haben. Dass die Einbringer jetzt etwas fordern gegen das ihre Partei und sie selbst erst vor zwei Jahren gestimmt haben, das kümmert unter Edelweiß anscheinen niemand.
Denn jetzt kommt der Vorschlag von „richtigen Seite“ und wird im Landtag auch eine Mehrheit finden.
Wetten, dass….
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Karl Gudauner Gio, 04/29/2021 - 17:47

Wenn der Landtag ein Unternehmen wäre, würden die EinbringerInnen von guten Ideen als MitarbeiterInnen des Monats ausgezeichnet und die Vorschläge dann umgesetzt, weil sie dem Unternehmen einen Nutzen bringen. Doch die Politik funktioniert bei uns wie überall nach dem Prinzip, dass Regierungsparteien nur das genehmigen und anerkennen, was aus den eigenen Reihen kommt. Dabei sorgt gerade die Dialektik zwischen Regierung und Opposition dafür, dass eine kritische Masse für die Generierung guter Politik geschaffen wird. Die Verwerfung kreativer Ideen und die Desavouierung fleißiger MitstreiterInnen für das Gemeinwohl führt dazu, dass das Potenzial für eine an den aktuellen Anforderungen orientierte und vorausblickende Politik nicht ausgeschöpft wird. Dabei sollte der politische Wettbewerb darin bestehen, die besten Ideen zu erarbeiten und zu verwirklichen. Diese sind natürlich eingehend zu prüfen und dafür sollen sich Landtag und Landesregierung die nötige Zeit nehmen - aber dann auch umsetzen, was im Interesse der Allgemeinheit ist.

Gio, 04/29/2021 - 17:47 Collegamento permanente
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Salto User
Silke Raffeiner Ven, 04/30/2021 - 00:08

Ich verstehe den Ärger von Brigitte Foppa sehr gut. Aber wie Rudi Carrell (vermutlich in Anlehnung an ein Zitat von Arthur Schopenhauer) sagte, würde man gute Ideen daran erkennen, dass sie geklaut werden. Schade natürlich und eine Frechheit, dass der Lorbeerkranz an andere gehen wird, sollte der Beschlussantrag der SVP nun eine Mehrheit finden.

Ven, 04/30/2021 - 00:08 Collegamento permanente