Cronaca | Bezirksgerichtspoker

Griff nach den Gerichten

Pleiten, Pech und Pannen im Fall Bezirksgerichte. Deren letzte Stunde schlägt am 13. September. Dann ist die Schließung angeordnet. Oder auch nicht?
LNG Tanker   Martian-2008 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:LNG_ship.jpg), „LNG ship“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode
Foto: Martian-2008 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:LNG_ship.jpg)

„LNG ship“

https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Mehrere Kräfte haben sich in Sachen Bezirksgerichte aufgestellt und buhlen um Aufmerksamkeit. An vorderster Front schon seit einigen Monaten, Senator Karl Zeller, als Don Quichotte unterwegs. Windmühlen gibt es einige, die im Weg stehen. Doch sich ein Denkmal zu setzen, das würde Zeller gefallen und so kämpft er: Die Gerichte müssen bleiben. Gerne auch dabei im Ranggeln um die so begehrten Außenstellen, Elisabeth Roilo, die eigentlich mit dem Amt der Landesgerichtspräsidentin geliebäugelt hatte. Ihr Credo: Wir retten Bruneck und Meran. Doch ein unvorhergesehener Zwischenakt: die Ernennung von Elsa Vesco am vergangenen Donnerstag, 25. Juli, zur Gerichtspräsidentin. Die aus Bozen stammende Richterin hat sich ebenso wie ihr Vorgänger Heinrich Zanon explizit positioniert: Außenstellen braucht es in Südtirol keine mehr. Im Alto Adige vom 27. Juli sprach Vesco von wesentlichen Vorteilen, wenn die Gerichte zusammengelegt werden: „Mi aspetto un miglioramento complessivo dell’apparato.“ Gerade mit dieser Dame möchte Landeshauptmann Luis Durnwalder in den nächsten Tagen ein paar Worte wechseln, ließ er auf der Pressekonferenz am 29. Juli vernehmen: „Wir wollen  wissen, wie man den Bürgern in der Peripherie entgegen kommen kann, nachdem sie auf die Außenstellen vor Ort verzichten müssen.“

Das Gericht der Pusterer
Die Schließung enttäuscht Albert Wurzer, sie enttäuscht Helga Thaler Außerhofer. Die Pusterer SVP-Größen scharen sich um ihr fast verlorenes Kind und sind überzeugt: Verbessern wird sich gar nichts, wenn wir erst mal in Bozen sind. Thomas Weissteiner ist Richter in der Außenstelle Bruneck. Die Auf- und Abs im Gerichtepoker trägt er mit Gelassenheit, und witzelt: „Ja, wir könnten wohl zur Zeit ein Wettbüro aufmachen. Gerade heute lief im Ticker die Meldung, dass die Justizkommission im Senat an eine Verlängerung der Frist denkt. Aber ob es wirklich dazu kommt?“ Betroffen von der Schließung sind in Südtirol zwar vier Außenstellen, im Rennen ums Überleben de facto nur noch zwei. Bruneck, die „mega-organisierte und wirtschaftlich gut strukturierte Stelle“ gewann eindeutig das Rennen gegen Brixen. Schlanders wurde so gut wie vergessen, Meran setzte sich durch.

Schreiben und Termine
Besiegelt wurde die Schließung von Heinrich Zanon. Und zwar in einer Änderung der Diensttabelle, die der gewesene Gerichtspräsident bereits im April abgefasst hatte. Veröffentlicht wurde sie dann von der Übergangspräsidentin Elisabeth Roilo Ende Juni 2013. Darin festgehalten sind  neben der zentralisierten Regelung der Sommerturnusse der Richter auch die Schließung der Außenstellen des Landesgerichtes ab 13.09.2013. Nach diesem Schritt, warf Roilo dann den Anker aus, betrat die Bühne „Bezirksgerichtet“, versuchte Schiffbruch zu vermeiden, doch die Rettung trug zwei Schönheitsfehler: einmal ging es in dem Antrag, den Roilo stellte, nicht um eine wirkliche Rettung, sondern um die Verwendung der Liegenschaften im Territorium. Zum anderen wurde Roilos Antrag zu spät eingebracht: „Das deshalb“, erklärt Weissteiner „weil Roilo erst Ende Juni eingesetzt wurde. Der Termin war am 31. Mai, also in der Amtszeit von Zanon. Die Frage ist nun, ob der Termin für den Antrag bindend ist.“ Hier Karl Zellers Auftritt, politischer Trumphversuch. Einerseits möchte er vom Ministerium die Bestätigung, dass der Antrag von Roilo behandelt werden kann bzw. muss. Andererseits versucht er mit Palermo den Senat zu überzeugen, dass in Südtirol die Verwendung der Gebäude nicht auf fünf Jahre beschränkt ist.

Effizienzsteigerung
Es geht um Termine, um Schreiben, um Klärungsversuche, Weissteiner ist sich jedoch sicher: Es geht hier weder um die Richter, noch um die Mitarbeiter „sondern in erster Linie um die BürgerInnen dieses Landes. Die wirklich wichtige Überlegung ist: was gewinnen sie, was verlieren sie.“ Nicht nur für Strafgerichtsprozesse muss ein Sextner, Ridnauener, oder Gadertaler in Zukunft in den Zug nach Bozen steigen, auch für den Nachweis einer Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung, für Fragen zum Grundbuch, zur Sachwalterschaft oder für Erbangelegenheiten, Schätzungen und Vormundschaften – nix geht mehr ohne die Landeshauptstadt. Die versprochene Effizienzsteigerung möchte Weissteiner vorsichtig abwiegen: „Ja, das wird die Zeit zeigen, ob die Dienste in Bozen wirklich effizient abgewickelt werden können, das ist ja der Sinn einer Reform.“
Eine Lanze für seine zehn Mitarbeiter (neun Angestellte und ein Gerichtsvollzieher) bricht der besonnene Richter aus dem Pustertal doch, die Stimmung sei alles andere als gut: „Die Mitarbeiter kommen aus dem Umkreis von Bruneck, dass der geplante Wechsel nach Bozen niemanden passt, ist wohl verständlich. Die Arbeitsstelle wird ja nicht mit Gold aufgewogen, die Mitarbeiter wissen nicht in welchem Bereich sie arbeiten werden, vier Stunden täglich sitzen sie im Zug oder Bus, nein auf das persönliche Wohlbefinden wirkt sich das nicht gut aus.“ Sich selbst hält Weissteiner außen vor: „Ich bin Richter, ich habe dazu nichts zu sagen, ich muss tun, was mir angeschaffen wird." Nur etwas möchte er noch hinzufügen: "Für die Bevölkerung vom Pustertal bedeutet es das drei- bis vierfache zu zahlen, wenn das Gericht in Bozen ist." Effizienz also für wen?