Stromstreit: Nun machen auch Milchhöfe mit
Der Stromstreit hat in Südtirol mittlerweile viele Fronten – ob Land gegen Gemeinden, Genossenschaften gegen Private, SEL-Verteidiger gegen SEL-Kritiker. Was es bisher noch nicht gab: Milchgenossenschaft gegen Milchgenossenschaft. Genau dieser Konflikt spitzt sich derzeit aber am Mareiterbach in Sterzing zwischen Südtirols Marktführer Bergmilch und dem Sterzinger Milchhof zu.
Ausgangspunkt der Geschichte? Ein Kraftwerksprojekt, das vom Wipptaler Unternehmer Helmuth Leitner (Alp Gmbh) am Mareiterbach eingereicht wurde. In der 30-tägigen Frist der Genehmigungsphase, in der Konkurrenzprojekte vorgelegt werden können, schlug vor zwei Jahren der Milchhof Sterzing zu. Er legte ein Konzessionsansuchen für ein alternatives Projekt mit längerer Auslaufstrecke vor, das laut Obmann Adalbert Braunhofer eine Jahresproduktion von 5,7 Millionen Kilowattstunden erwirtschaften würde. Das Ziel: Die Selbstversorgung mit sauberer Energie. „In Zusammenspiel mit unserer Photovoltaikanlage könnten wir unseren Energiebedarf fast vollständig decken“, sagt Braunhofer. Der Gletscherbach, der im Sommer ungleich mehr Wasser führt als im Winter, kommt dabei den Bedürfnissen eines Milchverarbeiters geradezu optimal entgegen. „Denn gerade wenn wir am meisten produzieren, könnten wir auch mehr Strom gewinnen“, so der Obmann des Sterzinger Milchhofs.
Ökologisch fragwürdig
In den zuständigen Landesämtern teilte man die Begeisterung keineswegs. Einer der Gründe, wieso das Projekt dort auf eine negative Bewertung stieß: Es berührt genau jenes Aufweitungsgebiet des Mareiterbachs, das von der Wildbachverbauung in den vergangenen Jahren mit EU-Geldern in Höhe von 2,8 Millionen Euro revitalisiert wurde. Sprich: Dort wo der Fluss gerade wieder mehr Raum bekommen hat, würde in Zukunft nur mehr eine Restwasserstrecke verlaufen. Für schlechte Stimmung vor Ort sorgt auch die Tatsache, dass die Gemeinde Ratschings den gesamten Unteren Mareiterbach unter Schutz gestellt hat. Allerdings liegt ausgerechnet die Strecke des Kraftwerksprojekts in einem Stück, in dem sich das Sterzinger Gemeindegebiet bis über den Fluss hinaus ausdehnt.
Die Hoffnung, dass die Landesregierung das Projekt einmal mehr gegen den Willen der eigenen Beamten gutheißt, könnte nun aber auch aufgrund einer kaum vorhersehbaren Wende der Geschichte platzen: das Sterzinger Milchhof-Projekt steht mittlerweile in Konkurrenz zum Konzessionsansuchen der Bergmilch Südtirol. Denn die hat in der Zwischenzeit das Alternativprojekt von Helmuth Leitner gekauft. Laut Indiskretionen ein Zug, der vom Unternehmer und seinem Anwalt Arthur Frei eingefädelt worden war, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass die Projekte abgelehnt werden. Zumindest indirekt bestätigt Bergmilch-Obmann Joachim Reinalter diese Version: „Wir sind zu diesem Projekt wie die Jungfrau zum Kind gekommen“, meint er, „es ist uns angeboten worden.“
Druck auf Auszahlungspreise
Doch wo bleibt da die vielbeschworene Partnerschaft in Südtirols Milchsektor – deren Verrat gerade den Sterzingen mit ihrem Tiroler Ausscheren vorgeworfen wurde? „Auch wenn unser Partnerbetrieb dort bereits angesucht hat: Unsere Aufgabe ist es auf unsere Mitglieder zu schauen und ihnen einen möglichst guten Auszahlungspreis zu garantieren“, sagt der Bergmilch-Obmann. Und darauf drücken klarerweise auch die hohen Energiekosten: Immerhin hat die Bergmilch allein im Bozner Werk einen jährlichen Energieverbrauch von 16 Millionen Kilowattstunden. Da käme ein eigenes Kraftwerk klarerweise wie gerufen. Doch wieso ausgerechnet vor der Haustür der Sterzinger? „Wir würden es natürlich auch lieber vor unserer Haustür haben“, antwortet Reinalter. „Doch dort steht der Eisack derzeit leider unter Schutz.“
Tatsache ist, dass die Entscheidung der Landesregierung durch den Einstieg von Bergmilch nicht leichter wird. Denn die Frage, wieso sich nun plötzlich einzelne Betriebe durch die Produktion von eigenem Strom Wettbewerbsvorteile verschaffen sollen, wird umso akuter, wenn nun der große Konkurrent auf der Strecke bleiben sollte – und sich die problematische Kluft zwischen den Auszahlungspreisen möglicherweise in Folge weiter verbreitert. Am vergangenen Montag hat die Landesregierung die Entscheidung noch hinausgezögert. Landeshauptmann Luis Durnwalder sprach im Anschluss gegenüber den Dolomiten zwar davon, dass „wir nun bestimmt kein eigenes Programm für Milchhöfe starten“. Allerdings bezog er sich dabei auf allgemein vorgebrachte Forderungen der Bergmilch – und ließ unerwähnt, dass diese bereits in Konkurrenz zum Projekt des Milchhofes Sterzing vorliegen.
Besserer soll gewinnen
Dort ist man über die Entwicklung klarerweise wenig erfreut. Obmann Braunhofer hofft nun, dass die Landesregierung bereits in der kommenden Woche Klarheit schafft. Zuversichtlich ist er vor allem, weil dem „Konkurrenzprojekt die notwendige Grundverfügbarkeit fehlt“, wie er sagt. Einer gemeinsamen Lösung, auf die Bergmilch-Obmann Reinalter nun hofft, kann er dagegen wenig abgewinnen. „Wir haben schon so viel in diese Projekt investiert“, meint er. „Und jetzt kommen sie her, und wollen es uns streitig machen.“ Sein Wunsch: Das bessere Projekt soll zum Zug kommen.
Nach welchen Kriterien die Landesregierung das bemessen wird, wird spannend. Laut den vorliegenden Gutachten der zuständigen Landesämter dürfte es eigentlich keines sein.
Meines Erachtens ist es das
Meines Erachtens ist es das beste, beiden Unternehmen gleich viele Anteile zu vergeben, sodass sie gezwungen sind zu kooperieren und ein Projekt zusammen entwickeln müssen, anstatt sich im Kampf um Wettbewerbsfähigkeit gegenseitig zu übervorteilen. Überhaupt finde ich es äußerst problematisch, wenn die Konzessionen an Unternehmen vergeben werden. Zwar war die Transparenz vorher auch nicht gegeben, doch glaube ich kaum, dass Transparenz und Mitbestimmung dadurch besser werden. Wenn Unternehmen immer auf ihre Wettbewerbsfähigkeit achten müssen, dann nehmen sie grundsätzlich keine Kosten in kauf, die erst auf lange Sicht nachhaltige Verbesserungen bringen, sondern sie orientieren sich tendenziell an Lösungen die ihre Profit-rate im Moment steigen lassen. Z.B. haben viele Wasser-Privatisierungen gezeigt, dass die verantwortlichen Unternehmen die Verschmutzung des Wassers nicht durch die kostenintensive Reparation der Rohrbrüche, sondern durch die Zufuhr von Chlor geregelt haben. Da sie zum einen nicht interessiert waren, wie viel Wasser aufgrund der Rohrbrüche verschwendet wird, da sie nur an dem verdienen, was in die Haushalte fließt, und zum anderen auch nicht daran interessiert waren die Qualität des Wassers auf eine lange Sicht zu garantieren. Und wer glaubt, dass Unternehmen, die unter einem enormen Wettbewerbsdruck stehen in erster Linie an langzeitig, sozial und ökologisch nachhaltige Ergebnisse interessiert sind, der habe sich getäuscht.