„Trauen wir der Sehnsucht der Menschen“
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Er hat es wieder getan. Vor vier Monaten wurde bekannt, dass der Südtiroler Moraltheologe und Professor Martin M. Lintner nicht Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen wird – obwohl vom Hochschulrat ins Amt gewählt. Der Vatikan verwehrte das „Nihil obstat“, die für die Berufung notwendige Unbedenklichkeitserklärung. Warum genau, das erfuhr Lintner von den kirchlichen Behörden nicht. Sehr wohl aber eine große Welle an Solidarität, vor allem im deutschsprachigen Raum. Publikationen Lintners zur Sexualmoral seien Grund für das Nein aus dem Vatikan gewesen – jetzt hat der 51-Jährige ein neues Buch zum Thema veröffentlicht. Nach wie vor ist er überzeugt: „Gerade in der Sexualmoral brauchen wir einen Wandel.“
SALTO: Herr Lintner, Anfang Oktober ist Ihr neues Buch erschienen, es trägt den Titel „Christliche Beziehungsethik“. Nun hat Ihnen das zuständige Dikasterium im Vatikan heuer das „Nihil obstat“ für die Bestellung zum Dekan der PTH Brixen verwehrt – „wegen Publikationen Prof. Lintners zu Fragen der katholischen Sexualmoral“. Sie haben sich von dem Signal aus dem Vatikan nicht einschüchtern lassen, weiterhin kritisch zur katholischen Sexualmoral zu forschen und zu publizieren?
Martin M. Lintner: Für Einschüchterungen bin ich nicht empfänglich. Gemeinsam mit meiner Augsburger Kollegin Kerstin Schlögl-Flierl habe ich deshalb als Reaktion auf das verweigerte „Nihil obstat“ in der August-Ausgabe der Herder Korrespondenz einen Aufsatz veröffentlicht, in dem wir fordern, dass die Sexuallehre nicht mehr ein Disziplinierungsmittel sein darf, wie unter den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Die Unbedenklichkeitserklärung wurde mir übrigens nur für das Leitungsamt verweigert. Auch wenn es widersprüchlich erscheint, wurde seitens von Rom ausdrücklich betont, dass es keine Auswirkungen auf meine Lehrerlaubnis und Forschungsfreiheit hat. Ich vertraue, dass es dabei bleibt, und bin diesbezüglich gelassen.
Ist das neue Buch Ihre Antwort an Rom?
Am Buch habe ich seit über drei Jahren gearbeitet und die Publikation war seit Langem für diesen Herbst vorgesehen. Daher habe ich keine Veranlassung gesehen, daran etwas zu ändern. Zudem ist es so, dass ich hier meine Forschungen der vergangenen zehn Jahre bündeln konnte, also auch zu jenen Themen, die offensichtlich im Vatikan zu Bedenken mir gegenüber geführt haben. Deshalb habe ich im Vorwort geschrieben, dass ich das Buch auch als ein Dialogangebot an das Lehramt verstehe, über diese Themen vertiefend ins Gespräch zu kommen und darüber theologisch und ethisch weiter nachzudenken. Dies ist ja besonders dort notwendig, wo es unterschiedliche Ansichten gibt.
Was wollen Sie mit „Christliche Beziehungsethik“ bewirken, bewegen?
Ich möchte dazu beitragen, dass die Themen rund um Sexualität, Beziehung und Ehe, bei denen es in der Vergangenheit so oft zu Konflikten zwischen Lehramt auf der einen und Theologinnen und Theologen auf der anderen Seite gekommen ist, sachlich vertieft und weitergedacht werden. Wir brauchen gerade in der Sexualmoral einen Wandel von einer Verbots- und Gebotsmoral hin zu einer Ethik, die die verschiedenen Sinngehalte der Sexualität berücksichtigt und die auf die Beziehungsfähigkeit und Selbstverantwortung von Menschen zielt.
Als aktuelle Herausforderungen sehe ich unter anderem die vielen Formen von Gewalt gegen Frauen – denken wir nur an die unfassbar hohe Zahl von Femiziden auch bei uns, die längst nicht alle nur von Männern mit Migrationshintergrund begangen werden.
Die kirchliche Sexualmoral wird nicht erst seit dem Missbrauchsskandal in Frage gestellt, sondern bereits seit Humanae vitae von Paul VI., die als Pillenenzyklika bekannt ist. Ist die Kirche unfähig, ihre Sexualmoral zu erneuern und auf den Stand der heutigen Zeit zu bringen?
Wenn ich mir den Stand der kirchlichen Lehre und der Moraltheologie vor hundert Jahren anschaue und ihn vergleiche mit den heutigen Diskussionen, dann hat sich sehr viel geändert, besonders dank des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Buch vertrete ich die These, dass der Paradigmenwechsel des Zweiten Vatikanischen Konzils weg von einer biologistisch verengten Sexualmoral, bei der die Fortpflanzung im Vordergrund stand, hin zu einer personalen Beziehungsethik noch nicht zur Gänze vollzogen worden ist. Die historischen Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten zeigen dies deutlich. Auch heute haben wir noch beharrende Kräfte, die in jeder Weiterentwicklung der Lehre einen Bruch mit der Tradition sehen. Diese pauschale Befürchtung ist aber unbegründet. Die Tradition ist seit jeher dadurch geprägt, dass sie sich entwickelt hat. Ich hoffe, dass ich das im Buch überzeugend aufzeigen und so einen Beitrag leisten kann für eine Neuausrichtung der katholischen Sexual- und Beziehungsethik. Dabei war es mir wichtig aufzuzeigen, dass es dafür einen konstruktiv kritischen Umgang mit drei Quellen braucht.
Welchen?
Erstens mit der Tradition und der Geschichte, zweitens mit der Bibel und drittens mit den Erkenntnissen der Human- und Naturwissenschaften. Das spiegelt sich auch im Untertitel und im Aufbau des Buches wider: historische Entwicklungen – biblische Grundlagen – gegenwärtige Perspektiven.
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Die Bibel wird oft als Hort von Patriarchalismus angesehen. Gibt sie etwas her für die Erneuerung der Sexualmoral?
Die vertiefte Auseinandersetzung mit den biblischen Texten, bei der ich mich besonders in die feministische Exegese eingelesen habe, war für mich sehr gewinnbringend. Die Bibel hat sehr viel Potential gerade für heute, das wir oft ungenutzt liegen lassen.
Tatsächlich?
Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde, lässt sich aus der Bibel sehr viel herausholen und fruchtbar machen für die Überwindung von patriarchalen Machtverhältnissen, die Frauen benachteiligen. Die patriarchale Herrschaft des Mannes über die Frau wird in Gen 3, das heißt im Kapitel über den Sündenfall, als Folge des Sündenfalls und als Zeichen des Verlustes des Paradieses angesehen. Das kann man als Schablone über alle biblischen Texte legen. Im Übrigen sind den biblischen Schriften keine menschlichen Erfahrungen fremd. Wir finden in ihr alles, von Schilderungen sexueller Nötigung und brutalster sexueller Gewalt bis hin zu den schönsten erotischen Liebesliedern.
Was hat sich seit Ihrem Buch „Den Eros entgiften“ von 2011 verändert? Auf gesellschaftlicher Ebene, aber vielleicht auch innerhalb der Kirche?
Innerkirchlich hat sich sehr viel bewegt. 2011 war noch Benedikt XVI. Papst. Papst Franziskus hat 2014 und 2015 zwei Bischofssynoden zum Thema Ehe und Familie einberufen und sein Schreiben Amoris laetitia aus dem Jahr 2016 hat bewirkt, dass über Fragen, über die man vorher kaum konfliktfrei diskutieren konnte, wieder mit Freimut gesprochen werden kann. Ich denke zum Beispiel an den Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten. Hier hat Papst Franziskus neue Wege eröffnet mit einer sehr differenzierten Kriteriologie in der pastoralen Begleitung und geistlichen Unterscheidung, die auf die konkreten Lebenssituationen von Menschen eingeht. Bei Papst Franziskus finden wir auch einen vorbehaltlos positiven Blick auf die menschliche Sexualität, zugleich ist er sensibel dafür, dass Menschen in diesem Bereich verwundbar sind und dass Sexualität eine Quelle sein kann für Manipulation, Machtausübung und Gewalt.
„Den Eros entgiften“ war eine Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der Kirche. Ist die Sexualmoral eine Ursache für den Missbrauchsskandal?
Es gibt mittlerweile auch kirchlich unabhängige Studien, die zeigen, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen den Missbrauchstaten und der kirchlichen Sexualmoral. Dennoch bleibt die Frage, welche Sexualmoral für die persönliche Reifung hilfreich ist und welche nicht. Die herkömmliche war es offensichtlich für viele nicht.
Und welche Veränderungen sehen Sie auf gesellschaftlicher Ebene?
Auf gesellschaftlicher Ebene möchte ich zwei von vielen Änderungen nennen: Erstens die Entwicklungen im Bereich der Geschlechterforschung und hier im Besonderen zu den verschiedenen Geschlechtsidentitäten. Dies hilft einerseits vielen Menschen, ihre geschlechtliche Identität anzunehmen sowie die Gesellschaft zu sensibilisieren, dass kein Mensch aufgrund der eigenen geschlechtlichen Identität diskriminiert werden darf. Es führt aber auch zu neuen Verunsicherungen. Derzeit ist fast ein Boom beobachtbar unter Heranwachsenden, die sich geschlechtsumwandelnden Therapien unterziehen wollen, sodass beispielsweise in Deutschland Psychiater Alarm schlagen. Die zweite Veränderung, die ich nennen möchte, ist die Zunahme von Sex- und Pornosucht. In die internationale Klassifikation von Erkrankungen ICD-11 aus dem Jahr 2019 wurde zwanghaftes sexuelles Verhalten mittlerweile als eigene Diagnose aufgenommen. Das hat auch mit der fast unbegrenzten Verfügbarkeit von pornografischen Inhalten im Internet zu tun.
Für Einschüchterungen bin ich nicht empfänglich.
In der Einleitung von „Christliche Beziehungsethik“ schreiben Sie, „dass sich die Kirche seit jeher ermächtigt wusste, auf die Herausforderungen ihrer jeweiligen Zeit kreativ zu antworten“. Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Beispiele finden wir bereits in der frühesten Kirche. Wir können davon ausgehen, dass Jesus in Bezug auf die Ehe ziemlich rigoros verlangt hat, dass sie nicht getrennt werden soll. Paulus aber sieht die Möglichkeit einer Trennung vor, wenn von einem ungetauften Paar ein Partner sich taufen lässt und der andere Partner mit ihm die Ehe nicht fortführen möchte. Das Gut des Glaubens wurde in diesem Fall höher bewertet als das Band der Ehe. Das finden wir bei Jesus nicht – weil er solche Situationen nicht kannte. Und Matthäus hat in seinem Evangelium die Möglichkeit vorgesehen, dass im Falle von Unzucht – das kann zum Beispiel wiederholte eheliche Untreue sein – die Ehe geschieden werden darf. Ein zweites Beispiel: Im Hochmittelalter wurde die Lehre festgelegt, dass die Ehe durch den Ehekonsens gültig und durch den ersten Geschlechtsverkehr danach unauflöslich wird. Damit wollte man besonders Frauen vor Zwangsverheiratung und vor sexueller Nötigung schützen, zum Beispiel vor Frauenraub, der in manchen germanischen Kulturen gang und gäbe war. Zugleich war man sich natürlich bewusst, dass Jesus die Unauflöslichkeit der Ehe an keiner Stelle an den geschlechtlichen Vollzug geknüpft hat. Auch die Reformbestimmungen des Konzils von Trient, die bis heute Gültigkeit haben, sind einerseits eine Reaktion auf die Kritik Martin Luthers an der kirchlichen Lehre, andererseits aber auch auf gesellschaftliche Missstände jener Zeit, unter der besonders Frauen und Kinder gelitten haben, wenn sich die Männer bzw. Väter aus der Verantwortung gestohlen habe, weil sie zum Beispiel geleugnet haben, eine Ehe eingegangen zu sein. Das war damals leicht möglich, weil es noch die Praxis der sogenannten geheimen Ehen gab, die ohne Zeugen gültig geschlossen werden konnten. Diese Praxis war zwar nicht erwünscht, wurde jedoch als gültig anerkannt. Erst das Konzil von Trient hat sie verboten und für ungültig erklärt.
Welche sind die aktuellen Herausforderungen, die des 21. Jahrhunderts? Und welcher kreativen Antworten bedarf es heute?
Auf gesellschaftlicher Ebene sehe ich Menschenhandel, Kinderprostitution und jede Form von Prostitution, den sexuellen Missbrauch in kirchlichen, familiären und anderen sozialen Kontexten, die vielen Formen von Gewalt gegen Frauen – denken wir nur an die unfassbar hohe Zahl von Femiziden auch bei uns, die längst nicht alle nur von Männern mit Migrationshintergrund begangen werden –, die Zunahme von Pornosucht usw. als solche Herausforderungen an. In der Kirche müssen wir uns mit den neuen Formen von Beziehungen und Familien auseinandersetzen, die es de facto gibt. Soziologische Studien zeigen sehr deutlich die Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten. Das durchschnittliche Heiratsalter liegt heute nicht mehr bei 20, sondern bei 30 Jahren. Früher galt die institutionelle Eheschließung als Legitimierung für fast alles, heute hingegen ist die Sensibilität dafür gewachsen, dass es wichtiger ist, dass zwei Menschen miteinander liebevoll, respektvoll und verantwortungsvoll miteinander umgehen. Das hat enorme Auswirkungen. Ebenso der Umstand der längeren Lebenswartung heute und das häufigere Scheitern von Beziehungen oder dass sich Paare im Lauf von Jahrzehnten auseinanderleben können. Welche Antworten wir darauf haben? Ich glaube, dass wir der Sehnsucht der Menschen trauen sollen, zu lieben und geliebt zu werden, beglückende und erfüllte Beziehungen zu gestalten und zu leben, und dass wir sie darin unterstützen sollen, in ihrer Liebes- und Beziehungsfähigkeit zu reifen.
Ich habe die Hoffnung, dass sie auch im Vatikan begriffen haben, dass dieses unselige System des Denunzierens auf allen Ebenen Vertrauen zerstört und mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt.
Die Diözese Bozen-Brixen hat heuer zum Coming-Out-Tag am 11. Oktober eine Wortgottesfeier und einen Onlineabend mit dem deutschen Pfarrer Bernd Mönkebüscher organisiert, der sich im Februar 2019 offen zu seiner Homosexualität bekannt hat. Wie deuten Sie diese Initiative der Diözese Bozen-Brixen – als mutig oder längst überfällig?
Als beides: als mutig, weil solche Initiativen in vielen anderen Diözesen noch nicht möglich sind, und als überfällig, weil es Betroffene gibt, die auf genau solche Initiativen warten. Sie sind eine Hilfe für betroffene Menschen, sich selbst anzunehmen, und sie sensibilisieren das kirchliche und soziale Umfeld, betroffene Menschen anzunehmen und den Leidensdruck, dem sie oft ausgesetzt sind, wahrzunehmen.
Jüngst haben die Träger der Petition „Das Schweigen brechen“ dem Landeshauptmann die Unterschriften von knapp 1.400 Menschen überreicht, die ein ernsthafteres Engagement rund um das Thema des sexuellen Missbrauchs in Südtirol fordern. Zwar wurden formal Beschlüsse gefasst, aber die Umsetzung, die unter anderem die Einrichtung einer unabhängigen Anlaufstelle sowie einer wissenschaftlichen Kommission vorsieht, geht nur schleppend voran. Tragen Sie die Anliegen und den Druck mit, den die vielen Organisationen, Vereine und die Zivilgesellschaft auf die Politik machen?
Ja, ich habe die Petition auch selbst unterschrieben und als Mitglied einer Arbeitsgruppe versucht mitzuhelfen, dass der entsprechende Beschluss des Landtages vom Mai 2022 umgesetzt wird. Für mich ist es bedrückend zu sehen, dass sich nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft und die Politik schwer tun bei der Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Missbrauch. Dabei gibt es so viele Betroffene auch außerhalb des kirchlichen Kontextes, die nur darauf warten, dass endlich etwas geschieht, dass sie sich an jemanden wenden können, dass sie mit ihrem Leid wahrgenommen werden und ihnen Gerechtigkeit widerfährt.
Nach Ihrer Ablehnung durch das Dikasterium für die Kultur und Bildung finden heuer keine Neuwahlen für das Dekanatsamt der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen statt. Stattdessen wurde der Auftrag von Dekan Alexander Notdurfter bis zum 31. August 2024 verlängert. „Diese Zeit wird die nötige Ruhe gewährleisten, um gemeinsam die aufgetretenen Fragen zu reflektieren, die auch andere Dikasterien betreffen“, sagt Bischof Ivo Muser. Wie weit ist diese Reflexion Ihres Wissens nach fortgeschritten? Und in welche Richtung geht sie?
Im Vatikan war man sichtlich überrascht über das Aufsehen, das meine Causa – ohne Übertreibung – weltweit erregt hat. Hier wurde bei sehr vielen Theologinnen und Theologen in Europa und weit darüber hinaus ein wunder Punkt getroffen. Vielleicht auch deshalb, weil Erwartungshaltungen im Anschluss an die Reform der römischen Kurie enttäuscht worden sind und man den Eindruck hatte, dass man in überwunden geglaubte intransparente Machtdynamiken zurückfällt. Das Dikasterium für die Kultur und die Bildung musste deshalb viel Kritik einstecken, obwohl die neuen Verantwortlichen, die 2022 ernannt worden sind, sichtlich um einen neuen Stil bemüht waren. Daher hat man im Einvernehmen mit Bischof Ivo Muser beschlossen, Druck rauszunehmen und Zeit zu gewinnen, um den Fall neu zu prüfen. Die Formulierung, dass die aufgetretenen Fragen mehrere Dikasterien betreffen, zeigt, dass es offensichtlich zwischen den Dikasterien selbst Klärungsbedarf gab. Die Entscheidung gegen mich wurde bekanntlich im Dikasterium für die Glaubenslehre getroffen. Bischof Ivo Muser ist mit beiden Dikasterien weiterhin im Gespräch und man hat ihn gebeten, noch Geduld zu haben.
Aus der Bibel lässt sich sehr viel herausholen und fruchtbar machen für die Überwindung von patriarchalen Machtverhältnissen.
Wenn es zu einer Überarbeitung der „Nihil obstat“-Regeln kommt, sehen Sie das als Ihr Verdienst an?
Als Vorsitzender der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie habe ich in offiziellen Gesprächen mit der Bildungs- und Glaubenskongregation die Überarbeitung dieser Normen eingemahnt. Damals allerdings ohne Erfolg. Meines Wissens wurde jetzt bereits vor meiner Causa mit der Überarbeitung der „Nihil obstat“-Normen begonnen, auch wenn mein Fall die Dringlichkeit hierfür nochmals aufgezeigt hat und natürlich auch einen enormen Druck aufgebaut hat. Ich vermute, dass man diese Überarbeitung abschließen will, um dann eine rechtliche Grundlage zu haben, meinen Fall neu zu bewerten.
Gehen Sie davon aus, ab September 2024 der PTH Brixen als Dekan vorzustehen?
Ich habe mich mit der Ablehnung abgefunden, deshalb habe ich auch auf einen Rekurs gegen den römischen Entscheid verzichtet. Dekan zu werden, gehört nicht zu meinen persönlichen Prioritäten. Sollte es anders kommen, dass ich also doch noch bestätigt würde, dann wäre es ein wichtiges Signal für alle Theologinnen und Theologen, dass es der Vatikan mit Reformabsichten ernst meint und dass er auch bereit ist, fragwürdige Entscheidungen zu revidieren.
„Den Eros entgiften“ wurde 2011 bei den vatikanischen Behörden angezeigt. Rechnen Sie damit, dass es Ihnen mit Ihrem neuesten Werk genauso ergeht?
Es kann sein, das sich Übereifrige bemüßigt fühlen, mich wieder anzuzeigen und mein Buch nach Rom zu schicken. Ich kenne die Personen und Kreise in Südtirol und in Österreich, die es damals getan haben. Sie könnten es wieder tun, auch wenn sie in Rom stark an Einfluss verloren haben. Viele ihrer vatikanischen Kontaktmänner von damals sind mittlerweile nicht mehr im Amt. Wie gesagt, das war noch zu Zeiten von Papst Benedikt XVI. Unter Papst Franziskus ist doch einiges in Bewegung gekommen. In Rom weiß man übrigens um mein neues Buch, eine Denunziation erübrigt sich somit. Ich habe die Hoffnung, dass sie auch im Vatikan begriffen haben, dass dieses unselige System des Denunzierens auf allen Ebenen Vertrauen zerstört und mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Für einen transparenten, konstruktiven und vertrauensvollen Dialog zwischen Lehramt und Theologie ist es nicht hilfreich.
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