Politica | Landespersonal
Die Rettungsaktion
Außergewöhnliche Ereignisse verlangen meist auch besondere Vorgangsweisen.
So dürfte es in der Geschichte des Südtiroler Landtages wenige Gesetze geben, die schneller genehmigt wurden.
Am Dienstag, den 23. Jänner 2018 legte Landeshauptmann Arno Kompatscher der Landesregierung den Gesetzentwurf 152/18 zur Genehmigung vor. Einen Tag später wurde der Entwurf dem Rat der Gemeinden zugestellt. Am 24. Jänner wurde der Entwurf zur Behandlung dem ersten Gesetzgebungsausschuss des Landtages zugewiesen.
Diesen Montag trudelte bereits das positive Gutachten des Rates der Gemeinden ein. Am Donnerstag dieser Woche soll der erste Gesetzgebungsausschuss das Gesetz durchwinken, damit es in der nächsten Woche dann endgültig vom Landtag genehmigt werden kann.
In zwei Wochen aus dem Nichts ein Gesetz zu machen, ist selbst für Südtiroler Verhältnisse rekordverdächtig.
Problematischer wird dieser parlamentarische Turbolader allerdings dann, wenn man weiß, dass es sich bei diese Aktion des Gesetzgebers um einen direkten Eingriff in ein laufendes Gerichtsverfahren handelt.
Das Urteil des Rechnungshofes
Am 16. Dezember 2017 hat der Bozner Rechnungshof 18 ehemalige und noch im Dienst stehende Spitzenbeamte des Landes zu einer Schadenersatzzahlung von insgesamt 565.576,19 Euro verurteilt. Allein der ehemalige Personalchef des Landes Engelbert Schaller muss 182.000 Euro zurückzahlen. Der frühere Landesrat Otto Saurer soll 43.000 Euro zahlen. Verurteilt wurde auch Ex-Ressortdirektor Günther Andergassen, die ehemaligen Präsidenten des Gemeindenverbandes Franz Alber, und Arnold Schuler, sowie dessen Direktor Benedikter Galler. Ebenso die früheren Präsidenten des Wohnbauinstitutes Rosa Franzelin-Werth und Albert Pürgstaller und der Ex-Präsident des Verkehrsamtes Bozen Dado Duzzi, sowie Siegfried Gatscher inzwischen pensionierter Spitzenbeamter im Südtiroler Sanitätsbetrieb.
Der Grund für das Verfahren und das Urteil war die Regelung einer Zulage für leitende Landbedienstete. Denn laut Ermittlungen waren zwischen 2011 und 2016 an 605 Beamte des Landes Führungs- und Koordinierungszulagen ausbezahlt worden, obwohl diese ihnen gar nicht mehr zugestanden hätten, weil sie keine Führungs- oder Koordinierungsaufträge mehr innehatten.
Die Südtiroler Ausnahmeregelung fußt auf einen bereichsübergreifenden Kollektivvertrag, der festlegt, dass diese Zulagen nach einer gewissen Zeit zum fixen Gehaltselement werden, auch dann, wenn der entsprechende Landesbeamte die Führungsfunktion nicht mehr innehat. Das Gericht kam zum Schluss, dass diese Regelung nicht rechtens sei und verurteilte alle Beamten, die diesen bereichsübergreifenden Kollektivvertrag ausgearbeitet und unterzeichnet haben.
Die authentische Interpretation
Dieses Urteil wirkte auf die Südtiroler Landesverwaltung wie ein Erdbeben der Stärke 8 auf der Richterskala. „Das ist ein Anschlag auf Südtirols Autonomie“, kommentierte die Landespolitik entrüstet.
Die Reaktion folgt umgehend im jetzt vorgelegten Gesetzesentwurf. Denn der Gesetzentwurf 152/18 ist ein authentische Interpretation jener Landesgesetze, die genau das vorsehen, was der Rechnungshof im Dezember-Urteil für unrechtmäßig hält. Das Gericht war im Urteil zum Schluss gekommen, dass die Weiterzahlung dieser Zulagen einer automatischen Lohnerhöhung gleichkommen. Was nach dem Staatsgesetzen nicht erlaubt sei.
Mit der authentischen Interpretation - die sich mehr wie ein Zeitungsartikel als ein Gesetzestext liest - wird genau das jetzt richtiggestellt. „Dieses Lohnelement ist daher ab dem Zeitpunkt seiner Einführung in Bezug auf die ursprüngliche besoldungsrechtliche Behandlung als ergänzendes fixes und bleibendes Lohnelement zu verstehen“, heißt es im Gesetzesvorschlag.
Der Sinn dieser authentischen Interpretation ist ein zweifacher.
Zum einen wird die vom Rechnungshof beanstandete Praxis aktuell weitergeführt. Das heißt die Spitzenbeamten bekommen auch weiterhin die im Urteil beanstandeten Zulagen ausbezahlt. Nach dem Urteil des Rechnungshofes getraut sich aber kein Landesbeamter mehr diese Auszahlungen weiterhin vorzunehmen. Denn er oder sie könnten dafür morgen vom Rechnungshof belangt werden. Die authentische Interpretation soll hier Abhilfe schaffen und die Weiterzahlung dieser Zulagen ermöglichen.
Gleichzeitig greift diese Gesetzesänderung aber auch in das laufende Verfahren ein. Denn die 18 verurteilten Politiker und Beamten werden gegen das Bozner Urteil Berufung einlegen. Spätestens im Berufungsverfahren wird man diese authentische Interpretation vorlegen. Der Rechnungshof in Rom muss diese Gesetzesänderung in einem laufenden Verfahren zwar nicht berücksichtigen, erfahrungsgemäß wirken solche rückwirkende Aktionen des Gesetzgebers aber entlastend für die Angeklagten.
Demnach ist dieses Gesetz auch ein Rettungsschirm für Engelbert Schaller & Co.
Die Archivierung
Mit der authentische Interpretation soll aber auch noch ein anderes Landesgesetz geändert werden. Den Landesbeamten und den Politikern steht bei Straf- . Zivil- und Verwaltungsprozessen, die gegen sie in Ausübung ihres Amtes oder Mandates eingeleitet werden, die Rückerstattung der Anwalts- und Gerichtsspesen zu. Voraussetzung dafür ist aber ein Freispruch.
Jetzt wird eine neue Kategorie der Rückzahlung eingeführt: Die Archivierung.
Wurde gegen einen Landesbeamten oder Politiker ermittelt, die Staatsanwaltschaft forderte die Einstellung des Verfahrens und der Voruntersuchungsrichter archivierte den Fall, mussten die Landesbeamten ihren Anwalt bisher selbst zahlen.
Das soll jetzt nicht mehr der Fall sein. Auch bei einer Archivierung übernimmt das Land die Kosten.
Effetua login per aggiungere un commento!
Der eigentliche Skandal an
Der eigentliche Skandal an der Sache ist weniger die "Rettungsaktion", sondern das Urteil. Es handelt sich um einen der inzwischen zahllosen Fälle, wo sich die Gerichtsbarkeit anmaßt, sich in genuin politische Entscheidungen einzumischen. Ob diese dauerhafte Fortführung der Gehaltszulage opportun/gerecht/inhaltlich nachvollziehbar ist, das ist zwar diskutabel (und sollte auch diskutiert werden!), es ist aber keine Frage, die dem Urteil von Gerichten obliegen sollte, sondern einzig und allein von demokratisch legitimierten Instanzen entschieden werden sollte. Aber - wie gesagt - ist das konkrete Beispiel nur ein Symptom einer wuchernden Krankheit...