Società | Jahresrückblick

Sternstunden

Und zum Abschluss des salto-Jahres noch die Texte, die uns selbst in diesem Jahr am meisten gegeben haben: ein Best of 2016 der Redaktion.
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Foto: Salto.bz

Für Buchtipps ist es bereits zu spät. Doch wir nutzen die Feiertage, um in einem persönliches „Best of salto 2016“ noch einmal die Lektüre jener Artikel nahezulegen, die der Redaktion selbst am meisten Freude oder Genugtuung bereiteten. Dazu gibt es schließlich für alle, die diesen Beruf mit Leidenschaft ausüben, weit mehr Gründe als nur Klicks oder Kommentare.  Vielfach ist es die persönliche Neugier und die Möglichkeit, nicht zuletzt dank interessanter Gesprächspartner das große Weltgeschehen oder lokale Entwicklungen herunter zu brechen und somit auch selbst besser greifen und einordnen zu können. Beispielhaft für den Blick über Brenner und Salurner Klause hinaus können die Interviews und Hintergrundberichte gesehen werden, die wir im auslaufenden Jahr zu Themen des Jahres wie Brexit, dem Putsch in der Türkei, den Folgen der Erdbeben für die Menschen in den Marken oder der Frage geführt haben, inwiefern die Freiheit des Internet angesichts terroristischer Attacken eingeschränkt werden darf.

Dass salto-Mitarbeiter wie Valentino Liberto ihren aktuellen Lebensmittelpunkt außerhalb der Provinz haben, beschert uns zwischenzeitlich wunderbare Reportagen wie jene über die „Renzi Referendum Show“, in der der Ex-Regierungschef in Pisa (vergeblich) versuchte, sein politisches Schicksal zum Guten zu wenden. Vor Ort zu sein, ist ohnehin das – bei einem personell unterbesetzten Portal zu selten gelebte - Ziel jedes Journalisten. Für Sarah Franzosini wurde es allerdings kurzzeitig zum Alptraum, als sie sich im vergangenen Mai am Brenner plötzlich inmitten von Ziegelsteinen, Schlagstöcken und Feuerwerkskörper befand, die vor dem Hintergrund der angekündigten Grenzschließung in den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rund 500 Demonstranten aus der Anarchoszene und den Ordnungskräften eingesetzt wurden.

Die Bedrohung der von Österreich angekündigten Grenzschließung am Brenner ist zu Jahresende längst kein Thema mehr – im vergangenen Februar brachte es aber niemand geringer als Handelskammerpräsident Michl Ebner aufs Tapet. Dass der Zaunkönig das Land unter Berufung auf inoffizielle Quellen in Alarmstimmung versetzte, war für Christoph Franceschini ein weiterer Beweis für die ständige Rollenvermischung eines Mannes, der über die Athesia AG ein Reich aufgebaut hat, das weit über ein bedenkliches Medienmonopol hinausgeht.  

Strahlende Windeln und wundersame Kubaturvemehrung

Nicht immer bleibt bei einem schnellen Internetmedium wie salto.bz Platz für ausführliche Recherchen. Doch dort, wo wir sie uns nehmen, kommen für LeserInnen wie SchreiberInnen besondere Leckerbissen heraus. Einer davon ist zweifelsohne die undurchsichtige Baugeschichte rund um das Smarthotel Saslong in St.Christina, die Christoph Franceschini Stück für Stück mit all ihren politischen Verwicklungen entwirrte. So manche Recherche endete 2016  auch in einer Sackgasse – oder brachte einen Aha-Effekt mit sich. Den größten hatte Lisa Maria Gasser im auslaufenden Jahr, als sie sich auf die Spuren radioaktiven Abfalls im Eppaner Müll machte und schließlich lernte, dass der keineswegs ein Ausnahmefall ist – auch wegen Abfallprodukten wie strahlender Windeln.

Ein Grundanliegen eines zweisprachigen Portals wie salto.bz bleibt die Überwindung von Barrieren zwischen den Sprachgruppen im Land. Deshalb schauen wir auch besonders genau hin, wenn gerade im schulischen Bereich entsprechende Versprechen gemacht werden. Leider reicht aber selbst ein Namensgeber wie Alexander Langer nicht aus, um in einer neuen Schule in Firmian alte Barrieren zu überwinden, zeigte Luca Sticcotti in einem Interview mit einer enttäuschten Mutter auf. Unser jüngster Neuzugang, Kulturredakteur Martin Hanni, verdeutlichte mit einem Gespräch über krautwalches Vokabular wie „Atrezkastele“, „el spricarét“, „slaifenar“ aber auch, dass die sprachliche Vielfalt in unserem Land weit über die drei offiziellen Landessprachen hinausreicht – oder dass es weit benachteiligtere Minderheiten als die deutsche Sprachgruppe in Südtirol gibt.

Hartnäckig dran blieben wir 2016 auch an weiteren wichtigen Zukunftsfragen für das Land. Neben dem Thema Mobilität, das 2016 auch durch die Idee einer Dolomitenbahn belebt wurde, bleibt eine der großen offenen Fragen, wie sich Südtirols Landwirtschaft weiterentwickeln soll. Das Thema Pestizide erhielt im heurigen Herbst einen neuen Aspekt, als die Vermarktung von Südtiroler Gala-Äpfeln durch die Bekämpfung des Essigfliege in der Weinwirtschaft ins Stocken zu kommen drohte.  Wie die Pestiziddiskussion durch eine schlechte Presse im Ausland auch dem Tourismusstandort schadet, war neben der Güllediskussion oder dem Fisch-Skandal in der Laimburg eines der heißen Eisen, die vor allem den Landwirtschaftslandesrat  ins Schwitzen bringen - und Arnold Schuler in Interviews mit Susanne Pitro schon zu Aussagen wie  „So kann es nicht weitergehen“ brachten.  Auch Unternehmer selbst brachten auf salto.bz im auslaufenden Jahr immer wieder Anstöße für die Weiterentwicklung des Landes – sei es im Bereich Wintertourismus oder Start-up-Kultur.

Von schwerzenden Themen zum politischen Adabei  

Denn so sehr die Aktualität dazu verführt,auf vorgegebene Themen aufzuspringen, so wichtig ist es uns auch, immer wieder dorthin zu schauen, worüber zu wenig gesprochen wird – auch weil es schmerzt. Das ist besonders beim Thema Suizid bei Jugendlichen der Fall. Ein leises Thema, das abseits der “großen” Geschehnisse nicht vergessen werden darf, fand Lisa Maria Gasser und führte dazu ein ausführliches Gespräch mit Klara Meßner.  Wie sehr ausreichend Zeit und ein anderer Rahmen auch Politiker greifbarer machen, weil sie andere Einblicke abseits ihres sonst so offiziellen Lebens gewähren, erlebte das jüngste Mitglied unserer Redaktion in einer ihrer Lieblingslocations: dem Meraner Ost-West-Club, in dem 2016 dank Markus Lobis unter anderem Arno Kompatscher, Martha Stocker und Paul Rösch zu Gast waren.

Menschen sind und bleiben ohnehin der Dreh- und Angelpunkt unserer Arbeit. Menschen, die wie der junge Aktivist Tommaso Gandini oder der Bozner Fotograf Ludwig Thalheimer über ihre Arbeit in Flüchtlingscamps in und außerhalb des Landes erzählen, aber auch Menschen, die selbst nach ihrem Rückzug aus der Politik immer noch eine wichtige öffentliche Stimme bleiben. Das gilt nicht nur für Bozens Ex-Bürgermeister Luigi Spagnolli, der Luca Sticcotti nach dem letzten Wahlgang anvertraute, dass auch er das Vertrauen in die Bürger verloren hat, und natürlich für unser aller Luis, der 2016 nicht nur beim beim Konvent die Fäden zog , sondern auch seinen 70. Geburtstag feierte. Ein Anlass für unseren Direktor Christoph Franceschini seine investigativen Fähigkeiten für Details zur privaten Feier Luis Durnwalders zu nutzen – und anhand der Gästeliste des Abends zu zeigen, wer auch nach dem Ende einer Ära noch zu den Freunden des  Alt-Landeshauptmann zählt. Denn ein bissl Adabei braucht jedes Medium – umso mehr wenn es einen politischen Hintergrund hat.

Und jetzt kann am Ende dieses langen salto-Jahres nur noch das nahegelegt werden, das Martin Hanni bereits in der neuen Rubrik “Salto Return“ empfohlen hat: Abschalten.