Es gibt keine einfache Lösung in der Energiedebate
“Wir sind nicht gegen den Fortschritt sowie den notwendigen elektrischen Strom, nur darf dies nicht auf Kosten unseres Lebens gehen”. Diese Worte, von Dona Gilmara, einer bereits in die Jahre gekommenen, kleinen, hageren und sehr resoluten Fischerin aus Pernambuco klingen noch immer nach in meinen Ohren, als ich in São Paulo auf meinen Anschlussflug nach Salvador warte. Ich bin gerade unterwegs, zurück nach Bahia, nach dem ich die letzten Tage am I Sozialforum zum Thema Energie, unter dem Titel: Energie für was? Für wen? Wie? - in Brasília teilgenommen habe.
Wie immer auf den Sozialforums gab es eine dichtes Programm mit den verschiedensten Veranstaltungen über die Problematik sowie Möglichkeiten rund um das Thema Energie sowie unzählige neue Informationen. Auch wir aus der CPT (=Landpastoralkommission) haben gemeinsam mit Verantwortlichen der CPP (=Pastoralkommisson der Fischer_innen) dort einen Workshop unter dem Titel “Energieprojekte in den Flussbecken Brasiliens: Widerstand und Vorschläge der betroffenen Dörfer” angeboten.
Gleich zu Beginn unseres Workshops, als die anwesenden Teilnehmer_innen aus den verschiedensten Regionen Brasiliens die Möglichkeit hatten ihre Situation vorzustellen, war die Klage ein und die selbe. “Als die Verantwortlichen der Firma bei uns zum ersten Mal im Dorf erschienen sind, haben sie uns Arbeitsplätze, Strassen, Brunnen, einen Telefonansschluss und sogar eine neue Schule versprochen. Was uns davon blieb, nichts wie leere Versprechungen.” erzählte Seu Hermes, aus dem Amazonasgebiet, einer der unzähligen direkt Betroffenen, von den neuen Wasserkraftprojekten. Dabei stehen nicht nur die direkt an den Flüssen lebenden Fischer_innen, Quilombolas (=ehemalige schwarzafrikanische Sklaven) sowie die Indigene Bevölkerung den unzähligen Megaprojekten regelrecht im Weg. Auch die traditionell im Hochland, dort wo die Flüsse entspringen, angesiedelten Bauern und Bäuerinnen kämpfen gegen die sogenannten Projekte der “Sauberen und Erneuerbaren Energie” aus Wind und Pflanzen verschiedenster Art. Dabei trifft es mit der meist armen am Land angesiedelten Bevölkerung, neuerlich genau diejenigen, die schon seit jeher mit grossen Schwierigkeiten ihr Leben meistern müssen.
Auf der anderen Seite stehen in den meisten Fällen die gleichen Gegner. Es handelt sich um einige wenige grosse nationale und internationale Konzerne, die grosszügig unterstützt von der brasilianischen Regierung mit lukrativen Finanzierungen aus dem Topf der allgemeinen Steuereinnahmen rechnen können. Diese Projekte werden ohne die lokale Bevölkerung mit einzubinden, im Namen des notwendigen Fortschrittes – bleibt die Frage für wen - geplant und umgesetzt. In vielen Regionen laufen sie Hand in Hand mit neuen Bergbauprojekten und der Expansion der Agrarrwirtschaft.
Vielfach, anhand der falschen Versprechungen und grossartig organisierten Propaganda kommt es zu Beginn kaum zu bösen Worten von Seiten der Anrainer_innen. Erst wenn sie merken wie die Versprechungen wie Seifenblasen zerplatzen, ihr Land überflutet oder eingezäunt wird und sie in keiner Weise respektiert werden, dann beginnen sie sich zur Wehr zu setzen. Bei allen während des Workshops Anwesenden zeigte sich in diesem Zusammenhang das selbe Bild. Den, je gutgläubiger und voller Hoffnung anhand der versprochenen Verbesserungen sie waren, je später sie sich organisiert haben um sich für ihre Rechte einzusetzen, je mehr haben sie dabei verloren und wurden vielfach schlichtweg über den Tisch gezogen.
Die Möglickeit des gemeinsamen Austausches über die negativen Konsequenzen, sowie die praktischen Möglichkeiten des Widerstands während unseres Workshops haben gezeigt, das die Bevölkerung keineswegs bereit ist diese perversen negativen Konsequenzen für Mensch und Natur einfach zu akzeptieren. Alle versuchen sich auf ihre Art und Weise, anhand ihrer Möglichkeiten gegen den Landraub und die damit verbundenen Verletzungen der Menschenrechte einzusetzen. Was uns dabei bleibt, ist sie dabei zu unterstützen, sowie sie zu stärken beim Aufbau ihrer Netzwerke und dem organisierten Widerstand.
Was die Veranstaltung allgemein betrifft, bleibt leider alles in Allem ein etwas schaler Nachgeschmack. Den, so scheint es mir zumindest, war es für die verschiedensten anwesenden NGO´s und sozialen Bewegungen zum Teil wichtiger, jeweils an ihren eigenen Lösungen und Süppchen zu kochen. Im Vordergrund stand dabei vielfach die Frage wie es möglich ist mit weniger negativen Konsequenzen weiterhin die notwendige Energie zu produzieren und der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Das wir Alle allerdings anhand unseres Lebensstils bereits viel zuviel – übrigens nicht nur an Energie – konsumieren, wurde dabei kaum angesprochen. In diesem Zusammenhang fürchte ich, das die sogenannten “Sauberen und Erneuerbaren Energien” zwar unser Gewissen erleichtern können, es aber noch ein weiter Weg ist um die dringend notwendigen grundlegenden Veränderungen umzusetzen.