„Ich lese mit Bleistift!“

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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Sabine Gruber: In dem Mädchen-Roman „Der Trotzkopf“ von Emmy von Rhoden wird eine widerspenstige junge Frau u.a. durch Heirat gefügig gemacht; nach dieser Lektüre war ich allergisch auf literarische Zähmungsversuche, das ist bis heute so geblieben.
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Ein Satz - allerdings einer Erzählung – fällt mir spontan ein: „In diesem Augenblick ging über die Brücke ein geradezu unendlicher Verkehr.“ In Kafkas Text „Das Urteil“ sorgt das Wort „Verkehr“ für ein semantisches Cluster, was natürlich tiefenpsychologisch interessant ist.
Und ich bin mittlerweile genervt vom Boom an autofiktionalen Texten, von der leider oft larmoyanten Selbstbeschau.
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Heimspiel: Sabine Gruber beim Signieren ihres Romans „Die Dauer der Liebe“ im Sommer 2023. In Lana. Foto: Seehauserfoto
Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Bücher, die sprachlich schlampig sind, lese ich nicht zu Ende. Und ich bin mittlerweile genervt vom Boom an autofiktionalen Texten, von der leider oft larmoyanten Selbstbeschau. Namen nenne ich jetzt keine.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Was ich nicht kenne bzw. nicht erforscht habe, kann ich nicht beschreiben. Ich täte mir schon schwer, einem Außerirdischen die geheimnislose Banalität eines faschistischen Fackel-Umzugs zu erklären!
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Es gibt ein paar Freunde und Freundinnen, auf deren Literaturwissen ich mich verlassen kann; außerdem verfüge ich inzwischen über eine gewisse Leseerfahrung und kann sehr schnell selbst feststellen, ob das rezensierte Buch (ich lese noch immer die Printausgaben großer Zeitungen) für mich interessant ist.
Ein gutes Buch ist voller Spuren.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?Man sollte einsame Inseln nicht mit schlechten Büchern verschandeln.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich lese nur gedruckte Bücher, E-Book-Reader machen mich nervös. Ich lese mit Bleistift! Ein gutes Buch ist voller Spuren.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Ich würde mit Claus Gatterers „Schöne Welt, böse Leut‘“ beginnen, wenn das Gegenüber keine Ahnung von Südtirol hat. Dann wird’s schwierig – die Auswahl ist inzwischen groß!
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