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Seiltanz Seniorenpflege

Die Pflege im hohen Alter ist ein heikles Thema. Welche Probleme herrschen in den Seniorenheimen Südtirols und was fordern die Rentnergewerkschaften?
Seniorenpflege
Foto: Freepik
  • Das Recht auf Pflege ist ebenso von Bedeutung wie jenes auf Gesundheit. Südtirols Seniorenpflegesystem ist immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert und steht häufig in der Kritik. Alfred Ebner, Generalsekretär der Pensionistengewerkschaft CGIL/Agb, sieht das System aber nicht so kritisch: „Südtirol hat viel geleistet. Im Vergleich zu anderen Regionen Italiens sind wir gut aufgestellt“, so der Gewerkschafter. Beispiel hierfür sei das Pflegegeld, das es in den anderen Regionen Italiens nicht gibt. Dort zu rütteln, wäre ein großer Fehler, meint Ebner. „Das Pflegegeld hat sicher bereits vielen Familien über die Runden geholfen.“ Trotzdem gibt es auch Probleme. Ebner sieht diese vor allem bei den Engpässen in Pflegeheimen, dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel. „Es ist ein Fakt, dass die Alterskurve nach oben geht und die Generation der Babyboomer demnächst in Rente geht. Ich verstehe also nicht, warum die Politik nicht handelt“, kommentiert der Generalsekretär die letztere Problematik. Trotzdem erachtet er es als falsch an, diese Tendenz als „die Katastrophe“ darzustellen. Ebner zufolge sei es nämlich nicht so schlimm, wie oft behauptet, dass die Bevölkerung immer älter wird. Man müsse nämlich beachten, dass man heute „besser“ alt wird und im Alter viel fitter ist. Es gelte, diese Möglichkeit zu nutzen und das Potenzial davon auszuschöpfen. Fürs Thema Pflege im Alter fordert Ebner daher, dass man Pensionisten mehr in Freiwilligentätigkeiten einbindet. Des Weiteren findet er es wichtig, dass das System Seniorenpflege auf den fortschreitenden demografischen Wandel vorbereitet wird und neues Personal akquiriert wird. In diesem Zusammenhang müsse auch das Lohngefüge des Pflegepersonals überarbeitet werden und die Personen dieses Berufs mehr Anerkennung für das, was sie leisten, erfahren. 

  • Alfred Ebner: „Das Pflegegeld hat sicher bereits vielen Familien über die Runden geholfen.“ Foto: CGIL
  • Soziales oder Sanität?

    Von der Idee, die Seniorenpflege in die Sanität zu integrieren hält Ebner nicht viel: „Die Sanität betrifft alle, vom Kindesalter bis zu den Pensionisten. Außerdem kann eine alte Person auch Pflegebedürftig sein aber nicht krank.“ Deshalb wären dem Gewerkschafter zu folge Gemeinschaftshäuser, wo sowohl Pflege als auch Sanität vertreten sind, von viel größerem Vorteil. Es käme nämlich oft vor, dass Pflegepatienten im Krankenhaus landen, obwohl die dort nichts verloren haben. Sie seien nur dort, weil sie niemanden haben, der ihnen zum Beispiel eine Spritze geben kann. Das übergeordnete Ziel müsse aber auf jeden Fall sein, den Bedürftigen so lang wie möglich in den eigenen vier Wänden zu halten. Auch Martina Ladurner, Präsidentin des Verbandes der Seniorenwohnheime Südtirols, ist der Meinung, dass Pflege nicht zur Sanität übergehen sollte: „Pflege gehört in Südtirol zum Ressort Soziales. Das ist ein Mehrwert, denn im Bereich der Pflege steht nicht der Kranke im Vordergrund, sondern die Heimbewohner mit ihren Bedürfnissen“. Es gehe hauptsächlich um die Betreuung der Menschen, die ihren letzten Lebensabschnitt im Heim verbringen. Der Bereich sei weit größer als ein Sanitär-Gesundheitlicher.

  • Nicht nur Sanitär: „Im Bereich der Pflege steht nicht der Kranke im Vordergrund“ Foto: Freepik
  • Die Hauspflege regeln

    „Es bräuchte ein Verzeichnis, wie bei den Journalisten“, fordert der Generalsekretär Ebner. In seinen Augen sollte nicht jeder, der will, als Pfleger gelten können. Es brauche eine Art Register, in das man sich eintragen, lassen muss, um den Beruf ausüben zu können. Konkret könnte dies zum Beispiel vorausgesetzte Kenntnisse oder Ausbildungen beziehungsweise absolvierte Prüfungen vorschreiben, so Ebner. Das Problem sei aber, dass die sogenannten „Badante“ oftmals nicht aus dem Inland, sondern von weit herkommen und bei Genossenschaften angestellt sind.

  • Die Seniorenheime

    Martina Ladurner: Die Präsidentin des Verbandes der Seniorenwohnheime Südtirols. Foto: privat

    Aktuell habe sich die Situation in Südtirols Seniorenwohnheimen stabilisiert, erklärt Martina Ladurner. Zwar seien immer noch etwa 200 Betten unbesetzt, jedoch seien durch Neueröffnungen auch neue dazugekommen. Aus diesem Grund seien auch neue Bedürftige aufgenommen worden und viele Heime hätten ihre vollen Dienste wieder aufgenommen. Auch Ladurner bestätigt die von Ebner genannten Herausforderungen wie die Alterung der Gesellschaft und den Pflegekraftmangel. Bei letzterer Thematik könne aber die berufsbegleitende Pflegehelferausbildung der Heime helfen. „All jene, die diese Ausbildung machen, haben einen Arbeitsvertrag in einem Seniorenwohnheim und ein monatliches Gehalt“, so Ladurner. Bereits nach dem ersten Ausbildungsjahr konnten 43 Diplome verliehen werden. Eine wichtige Maßnahme meint die Präsidentin, da die Ausgebildeten bereits im Heim angestellt sind und somit den Beruf und das Umfeld kennen. Diese „neue“ Art der Ausbildung sei ein absoluter Mehrwert als Ergänzung zu den klassischen Ausbildungsmöglichkeiten. Trotzdem fordert Ladurner eine landesweite „Recruitingstelle“, wie sie im Bereich der Sanität bereits Anwendung findet. Diese hilft bei der Vermittlung von Arbeits- und Fachkräften. Falls es zu einer solchen auch im Bereich des Solzialen kommt, so sollte sie mit jener der Sanität verknüpft werden, meint Ladurner, sodass Synergien möglich werden und eine landesweite Stelle für den gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich entsteht.