Economy | Automobilzulieferer

Automotive auf die Probe gestellt

Die Automobilkrise rückt Südtirols Autozulieferer ins Rampenlicht. Hoch spezialisierte Betriebe wie GKN, Intercable oder Alupress stehen vor Herausforderungen wie E-Mobilität und globaler Konkurrenz. Innovation und Qualität sollen die Zukunft sichern.
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Foto: GKN
  • Automobilkrise, das war so ein Stichwort der letzten Monate. Auf einmal rückten Unternehmen in den Vordergrund, die sonst in den Köpfen der meisten eigentlich wenig präsent waren. Erst durch die Krise wurde sichtbar, wie viele Arbeitsplätze auch in Südtirol von diesem einstigen Aushängeschild der europäischen Industrie abhängig sind. 

    Landwirtschaft und Tourismus. Das fällt den meisten Leuten außerhalb und innerhalb der Landesgrenzen erstmal zu Südtirol ein. Industrie kommt irgendwo hinter Äpfeln, Bergen und Speck an die Reihe. Den Industrieunternehmen Südtirols war das bis vor nicht allzu langer Zeit ganz recht. Dann stand auf einmal das Wort „Fachkräftemangel“ im Raum. Man ging an Schulen, ins Ausland und zu anderen Wirtschaftszweigen, um genau diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Hoch spezialisierte Unternehmen befanden ihn als den einzigen triftigen Grund, sich an die Öffentlichkeit zu wagen. Doch nun, wo Volkswagen und Konsorten ihre Werke schließen, rückt die unscheinbare Automotive wieder ins Rampenlicht. Doch wer sind diese Unternehmen? 

    Dazu müssen wir etwas weiter ausholen – nicht so weit wie etwa im Ruhrgebiet oder im Piemont mit ihren altehrwürdigen Traditionsunternehmen, doch bis in die 60er Jahre. Langsam, aber stetig war Europa damals dabei, sich vom 2. Weltkrieg zu erholen. Die Trümmer waren weggeräumt, politische Stabilität vielerorts einigermaßen zurückgekehrt. Doch während in Deutschland das Wirtschaftswunder in vollem Gange war, herrschte in Bruneck in den 60er Jahren viel Abwanderung und Arbeitslosigkeit. Dann trat ein Staatsgesetz in Kraft, das Firmen über 800 Metern Meereshöhe begünstigte, sprich, sie mussten weniger Steuern zahlen. Daraufhin siedelte sich die englische Birfield Gruppe und die deutsche Firma Walterscheid in Bruneck an und gründeten die Birfield-trasmissioni. Daraus entstanden schlussendlich GKN-Sinter Metals, GKN-Driveline und GKN-Hydrogen

    Bereits 1956 hatte der geborene Thüringer Willi Anton Seeber in Leifers eine Kunststofffirma gegründet, die Autozulieferer wurde und 1986 von der internationalen Röchling-Gruppe mit Sitz in Mannheim aufgekauft wurde.  Dann kamen noch Familienunternehmen wie Intercable in Bruneck oder Alupress in Brixen dazu. 

  • Alupress: Setzt auf eine Aluminiumspritzgussmethode Foto: Alupress
  • Hoch spezialisiert und immer auf der Suche nach dem technischen Vorsprung und mit guten Geschäftsbeziehungen nach Deutschland profitierten auch die Südtiroler Zulieferer von den Boomjahren der Nachkriegszeit oder später der Erschließung des chinesischen Marktes. Doch auch die Autoindustrie musste sich verändern. Dieselskandal, Corona, der Aufstieg chinesischer Autobauer, die Umstellung auf Elektromotoren, die hohen Umwelt- und Sicherheitsauflagen und zuletzt drohende Handelskriege mischten und mischen die Karten immer wieder neu. Vor allem die Elektrifizierung brachte große Veränderungen. Aus der Intercable Gruppe der Familie Mutschlechner wurde Intercable-Automotive-Solutions herausgelöst und zu 85 Prozent an den US-Konzern Aptiv verkauft. Der Hochvolt-Spezialist ist Marktführer und erzielte 2022/23 eine Wachstumsrate von 211 Prozent. Auch GKN-Driveline konnte von dem Einstieg in die E-Branche profitieren. Indirekt expandierte dann auch das vorzeige Start-up Alpitronic, das zu einem Weltmarktführer bei Ladesäulen wurde. Doch der Automarkt ist volatil. Auf Boomzeiten folgten Krisen und die Zahlen brachen ein, vor allem der Technologievorsprung aus Asien machte der europäischen Industrie zu schaffen. Zum Symbol des Ganzen wurde die Krise beim Autogiganten Volkswagen. Teilzeit, Kurzarbeit und Kündigungen waren auch in Südtirol in den Schlagzeilen. Sogar bei Alpitronic macht man sich Sorgen über die europäische Industrie. Auch die GKN-Sinter Metals wurde von einem britischen zu einem amerikanischen Unternehmen. Das Werk in Bruneck steht aber noch. Die wieder sinkenden Energiepreise geben dem Unternehmen Stabilität. 

  • Intercable: Stromschienen finden sich in EVs auf der ganzen Welt Foto: Intercable Automotive Solutions
  • In einem so kompetitiven Feld wie der Automobilindustrie sind die Vorgaben an die Komponenten extrem streng. Hersteller können schnell Zulieferer wechseln. Wer in Bezug auf die Qualität, Innovation oder Preis zurückfällt, ist aus dem Rennen. Durch die hohen Arbeitskosten in Südtirol müssen die hiesigen Unternehmen also vor allem bei Qualität und Innovation punkten. Auch, weil die extreme Spezialisierung kaum Flexibilität zulässt, trotzdem betont Heiner Oberrauch, Präsident des Südtiroler Unternehmerverbands im Gespräch mit SALTO: „Wir haben allerdings auch sehr flexible Betriebe im Land, die schnell auf Änderungen reagieren können und vor allem haben wir kapitalstarke Betriebe im Land, die durch ihre Reserven auch Krisen aushalten können.“

    Bei GKN-Sintermetals beläuft sich dieses Eigenkapital auf über 160 Millionen Euro, Intercable Automotive kann auf 135, Alupress auf 118 Millionen Euro zurückgreifen. 

    Doch Aushalten ist natürlich nicht immer die Lösung. Den Anschluss zu halten, ist entscheidend.

  • GKN-Driveline: Ist komplett vom Markt für E-Autos abhängig Foto: GKN automotive
  • Gerade um in Sachen Innovation nicht zurückzufallen, wurde in Südtirol viel versucht. Im NOI-Techpark sind die naturwissenschaftlichen Fakultäten der Universität Bozen vertreten. 2024 kam eine Fakultät für Ingenieurwesen dazu. Dort forscht das Forschungsinstitut EURAC, vor allem zu grünen und nachhaltigen Technologien, wo Südtirol am Puls der Zeit liegt. Auch das deutsche Fraunhofer-Institut forscht in Südtirol. Die Themenfelder? Unter anderem Automation, Robotik, maschinelles Lernen, machine Vision, intelligente Sensorik. 

     

    „Jedes dritte Auto in Europa fährt mit Technologie aus Südtirol“

     

    Partner von Unibz, Fraunhofer und EURAC ist die Südtiroler Industrie. Als Automotive-Excellence-Südtirol haben sich auch acht Automobilzulieferer zusammengeschlossen, um Wissen und Know-how auszutauschen. „Jedes dritte Auto in Europa fährt mit Technologie aus Südtirol“, steht auf ihrer Website. 

    Dabei geht es wohl um ganz Europa. Bei dem EU-Projekt Drive2Transform ist auch NOI beteiligt. Es geht darum, europäischen Automotive Herstellern aus neun Regionen diese Übergangsphase der Industrie zu erleichtern. Die Industrie kämpft auch mit Kleinstaaterei, mit Nationaldenken. Hohe Zölle und Handelskriege schaden gerade den hoch-technologischen und innovativen Firmen, die eben auf solche Netzwerke angewiesen sind. Diese Innovations-Ökologie wird in Europa und auch in Südtirol auf die Probe gestellt. „Es ist egal, wie gut du bist, wenn der Markt nicht mehr da ist“, warnt Heiner Oberrauch. Es geht gerade um den Erhalt von hochwertigen Arbeitsplätzen und starken Umsätzen, aber auch um die Chance, die Welt mitzugestalten und selbstbewusst aufzutreten. Trotz Äpfeln und Tourismus haben eben auch Industriebetriebe wie die Autozulieferer Südtirol geprägt und zu einem gewissen Wohlstand verholfen. Jetzt wird Automotive auf die Probe gestellt.