Politics | Konvent

Die Autonomie-Aussprache

Die Parlamentarier treten zum Rapport im Konvent an. Dessen Präsident ist überzeugt, dass die Arbeiten dann wie gewohnt weiterlaufen werden – auch ohne Luis Durnwalder.

Punkt 2 stand eigentlich nicht auf der Tagesordnung des Autonomiekonvents am 9. September. Doch nach der letzten Sitzung am 2. September herrscht offensichtlich Klärungsbedarf. Daher steht gleich als zweiter Punkt am Freitag danach eine “Aussprache mit Parlamentariern, welche den Verfassungsgesetzentwurf Nr. 2220/16 eingebracht haben” an. Der Gesetzentwurf hat bekanntlich für einigen Wirbel im Konvent, zum Abbruch der Sitzung neulich und schließlich auch zu einer öffentlichen Diskussion zwischen Konventsteilnehmern und der offiziellen Politik gesorgt. Aus diesem Grund hat der Präsident des Auotnomiekonvents, Christian Tschurtschenthaler, beschlossen, eine zusätzliche Sitzung einzuberaumen. Und bittet die Parlamentarier zum Rapport. “Ein bis zwei von ihnen werden dabei sein”, verrät Tschurtschenthaler auf Nachfrage von salto.bz. Wer es konkret sein wird, könne er zum heutigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Fest steht für ihn allerdings, dass “es sicher sehr sinnvoll ist, dass wir uns mit den Parlamentariern noch einmal enger vernetzen”. Diesen Wunsch hatte auch Francesco Palermo, einer der Mitunterzeichner des Verfassungsgesetzentwurfs Nr. 2220, geäußert. Daher wird er beim Treffen am Freitag – auf Einladung des Präsidiums des Konvents – auch dabei sein, wie er salto.bz bestätigt.

Das Video von der Sitzung des Konvents am 2. September: Nach etwa eineinhalb Stunden ergreift Luis Durnwalder das Wort und holt zum Rundumschlag aus.

“Mir ist es einfach wichtig, dass die Mitglieder des Konvents hören, welche Initiativen zur Zeit in Rom laufen”, erklärt Christian Tschurtschenthaler den Grund der Aussprache. Aber müsste der Konvent darüber nicht bereits informiert sein? “Das ist richtig, ja”, gesteht Tschurtschenthaler. Hatte sich doch auch Landeshauptmann Kompatscher am Dienstag verwundert über das “Missverständnis” im Konvent gezeigt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Arbeiten der Parlamentarier in Rom nicht stillgelegt werden würden, nur weil gleichzeitig der Konvent seine Arbeit aufnimmt. Zumal letzterer ja nicht die Aufgabe habe, ein neues Autonomiestatut zu schreiben, sondern das bestehende auszubauen und zu verbessern. Diese Auffassung teilt Tschurtschenthaler: “Ich bin überzeugt, dass man die Gunst der Stunde in Rom nutzen muss und gewisse Dinge auch parallel laufen können. Insbesondere wenn es sich dabei um Initiativen handelt, die schon vor langer Zeit auf den Weg gebracht wurden.” Und das soll am Freitag dem Konvent ein für alle Mal “klar dargelegt” werden, so der Präsident des Konvents. Danach, ist sich Tschurtschenthaler sicher, sei es “keine Frage”, dass  die Arbeiten im Konvent wie ursprünglich vorgesehen weiterlaufen könnten. “Ich möchte unterstreichen, dass es bisher eine sehr gute Zusammenarbeit gegeben hat und bin überzeugt, dass der Konvent entsprechend gut weiterarbeiten wird.” Eventuell auch ohne Luis Durnwalder? Der Altlandeshauptmann hat angedroht, den Konvent zu verlassen, “wenn es so weitergeht wie bisher”. Auf den möglichen Rücktritt Durnwalders angesprochen meint Tschurtschenthaler: “Dazu will ich nichts sagen. Das ist alleine seine Entscheidung. Der Konvent wird aber auf jeden Fall so oder so weiterarbeiten.”

Bild
Profile picture for user magda baur
magda baur Sat, 09/10/2016 - 17:49

Fortentwicklung der Autonomie

Wir sind an einer entscheidenden Weggabelung angelangt: Es besteht die Gefahr, dass der Autonomie-Konvent monatelang Fragen diskutiert, die eigentlich in Rom zu behandeln wären und die Ergebnisse landen in irgendeiner Schublade. Die Mitglieder des Konvents sitzen alle 14 Tage ein ganzes Wochenende ab, ohne dass am Ende irgendetwas herausschaut.
Aber der Konvent könnte seine Existenzberechtigung sehr wohl unter Beweis stellen, nämlich über die Behandlung von grundrechtlichen Fragen, die unmittelbar Südtirol betreffen. Und diesbezüglich möchte ich - wie bereits in der Vergangenheit mehrfach getan - auf das Problem des geschlossenen Hofes bei den Talbauern in Südtirol hinweisen. Es handelt sich dabei um eine extreme Ungleichbehandlung , um eine faktisch Enterbung der "weichenden Erben". Sachliche Rechtfertigung gibt es dafür keine. Es gibt Fälle, in denen der Hofübernehmer zwei oder drei Höfe mit mehreren Wohnhäusern erbt, die übrigen Kinder (Söhne oder Töchter) werden mit einem Butterbrot abgefertigt. Man spricht von einem Ertragswert, der mit dem realen wirtschaftlichen Ertragswert bei weitem nicht übereinstimmt. Dieser liegt nämlich um ein Vielfaches höher. Das hat mit der Sicherung der bäuerlichen Existenz nichts mehr zu tun. Hier geht es allein um maßlose Vermögensmehrung zugunsten Einzelner.
Ich habe vollstes Verständnis für den politisch einzigartigen Einfluss der Bauern im Lande, was dazu führt, dass die Bauern weitgehend von der Besteuerung ausgenommen sind, dass für diese eigene baurechtliche Bestimmungen gelten (sie können auch im landwirtschaftlichen Grün bauen, wenn sie einen Hof schließen) und dass diese auch noch großzügige Förderungen, bspw. auch zum Bau ihrer Luxusanwesen erhalten. Dieser einzigartige Einfluss führt auch dazu, dass für die Bauern zentrale Regeln, die für die Allgemeinheit gelten, nicht anwendbar sind. Bei der massiven Diskriminierung im Bereich des Erbrechts wurde aber eine rote Linie überschritten. Italienweit hat man in den letzten Jahren versucht, den Gleichheitsgrundsatz immer wirksamer zur Anwendung zu bringen, so wurde bspw. die Möglichkeit, testamentarisch die Pflichterben ungleich zu behandeln, stark eingeschränkt. Bis Südtirol und bis zum geschlossenen Hof reicht dieser Gleichheitsgrundsatz aber nicht.
Tun wir nicht so, als bestünden die wichtigsten Probleme Südtirols darin, mehr Sonderregeln in Rom zu erkämpfen. Die größten Probleme haben wir mittlerweile im Land selbst.
Ja, pflücken wir die Blumen am Wegesrand - und kehren wir zuerst vor der eigenen Haustür. Wenn sich der Autonomie-Konvent mit solchen Problemen beschäftigen würde, die ganz typisch sind für Südtirol, dann könnte man damit tatsächlich Geschichte schreiben und nicht nur für die Schublade.

Sat, 09/10/2016 - 17:49 Permalink