Politics | Bauvorhaben

„Es wirkt wie Hohn“

Das Initiativkomitee gegen die Standseilbahn von Meran nach Schenna fordert mehr Mitsprache ein. Nach der Zusage aus Rom sammelt es Unterschriften gegen das Megaprojekt.
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Foto: Standseilbahn Meran - Schenna so nicht!
Das Timing war nahezu perfekt: Als am Montag bekannt wurde, dass die Standseilbahn von Meran nach Schenna und der Ausbau von Buslinien im Gebiet über den staatlichen Wiederaufbaufonds (PNRR) mit 37,5 Millionen Euro finanziert wird, ging die Webseite des Initiativkomitee „Standseilbahn Meran – Schenna so nicht!“ online. Am Tag darauf begann die Verteilung der Flugblätter im Musikerviertel von Meran, wo die Talstation der Standseilbahn gebaut werden soll. Auf der Webseite kann auch eine Onlinepetition gegen das 107,6 Mio. Euro teure Infrastrukturprojekt unterschrieben werden. Das Projekt wird mit PNRR- und Landesgelder finanziert.
„Die Zusage der Finanzierung war für uns alle ein Schock, weil wir bis zuletzt gehofft hatten, dass das Geld nicht da ist“, sagt Martin Kirchlechner, ein Sprecher des Initiativkomitees. „Es wäre uns am liebsten, wenn das Projekt vorerst gestoppt wird, um in Ruhe nach einer idealen Lösung für alle zu suchen.“ Das Initiativkomitee ist auch mit den Grundbesitzer:innen des Karl-Wolf-Parkplatzes in Kontakt, wo die Talstation gebaut werden soll.
 
 
„Sie werden teilweise enteignet und haben über Dritte erfahren, dass das Projekt am 29. August in Meran vorgestellt wird, eine Einladung dazu haben sie nicht erhalten. Es ist ein absoluter Skandal, dass die Grundbesitzer:innen vor vollendeten Tatsachen gestellt wurden“, so Kirchlechner. Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider hat bereits angekündigt, für die Detailplanung des Projekts auch die rund 140 betroffenen Grundeigentümer:innen miteinzubeziehen. „Das ist aber zu wenig, denn es sind nicht nur die Grundbesitzer:innen betroffen, sondern die ganze Stadt. Das Projekt wirkt wie ein Schnellschuss, viele Fragen sind noch ungeklärt und das Verkehrsproblem in Obermais wird so in das Musikerviertel verlegt“, sagt Kirchlechner.
„Es wirkt wie Hohn, dass bei der Neugestaltung der Meraner Freiheitsstraße Bürger:innen miteinbezogen werden, wo es hauptsächlich um ästhetische und einige raumplanerische Aspekte geht. Das ist bei weitem kein so großer Eingriff wie die Standseilbahn“, so der Sprecher des Initiativkomitees.
 
 
Das Land will mit der Bahn bis zu 6.700 Menschen pro Tag befördern und bei der Talstation Bushaltestellen und Parkplätze bauen. Bereits heute herrscht bei der Kreuzung an der Karl-Wolf-Straße mit mehreren Schulen, Bushaltestellen und dem Karl-Wolf-Parkplatz ein reges Treiben. Mit dem Ausbau der Buslinien und der Talstation der Standseilbahn könnte das Musikerviertel noch stärker vom Verkehr belastet werden, befürchtet das Initiativkomitee. Außerdem positioniert es sich gegen Enteignungen, „insbesondere, wenn Alternativen nicht ausgeschöpft wurden“.
Die Provinz argumentiert hingegen, dass die neue Standseilbahn von Schenna nach Meran eine Reihe von Vorteile bringt: Der Verkehr mit Privatwagen soll um 26 Prozent verringert werden. Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann zehn Prozent der bisherigen Fahrzeit einsparen. Zudem soll der Kohlenstoffdioxidausstoß pro Jahr um 1.400 Tonnen verringert werden. Insgesamt werde der Verkehr mit den öffentlichen Transportmitteln von 22 Prozent auf 42 Prozent ansteigen.
 

Die Position der Gemeinden

 
Die Bürgermeisterin von Schenna, Annelies Pichler, zeigt sich über die Nachricht erfreut. Schließlich brauche es eine nachhaltige Alternative zur Straße nach Meran, die vor allem während der touristischen Hochsaison an ihre Belastungsgrenze kommt.
 
 
Auch die Gemeinde Meran steht dem Projekt positiv gegenüber: „Diese Nachricht“, so Bürgermeister Dario Dal Medico und Vizebürgermeisterin Katharina Zeller, „eröffnet neue mögliche Perspektiven für ein nachhaltigeres Mobilitätsmanagement in unserer Stadt. Nach unserem Verständnis soll nun die detaillierte Planung des Projekts erfolgen. Wir hoffen, dass die betroffenen Gemeindeverwaltungen, die Eigentümer:innen der Grundstücke, auf dem die Standseilbahn gebaut werden soll, und die Öffentlichkeit rechtzeitig und in geeigneter Weise in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen werden“. Die Grünen kritisieren, dass das Infrastrukturprojekt im Meraner Haushaltsplan für 2023 bis 2025 keine Berücksichtigung findet.  
Indessen fordert die Gemeinde Tirol auch für sich eine bessere Anbindung an Meran. Zwar begrüßt Bürgermeister Erich Ratschiller das Projekt, er findet es aber schade, dass keine gemeinsame Lösung verwirklicht wird. „Wir Tiroler werden eine eigene Lösung über den Segenbühel mit einer Talstation im Bereich des heutigen Sessellifts schaffen“, so Ratschiller gegenüber der Dolomiten. Die Gemeinde habe den Schweizer Ingenieur Willi Hüsler bereits damit beauftragt, die neue Situation zu bewerten. Das Land habe der Gemeinde Tirol hierfür eine finanzielle Unterstützung zugesagt.