Politics | Raum & Landschaft
Angst vor mehr Bürgerbeteiligung?
Foto: LPA
Vor rund eineinhalb Wochen hat Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer, zuständig für Raumentwicklung, Landschaft und Denkmalpflege, die Sensibilisierungskampagne „Gestalte Zukunft mit“ vorgestellt. Ziel dieser Kampagne ist es, möglichst viele interessierte Bürger dafür zu gewinnen, sich aktiv an der Erstellung des Gemeindeentwicklungsprogrammes (GEP) zu beteiligen, das mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft verpflichtend für alle Gemeinden eingeführt wurde. Bis zum 11. Dezember werden die vier Motive der Kampagne in den drei Landessprachen über sämtliche Kommunikationskanäle verbreitet. Auch den Gemeinden fällt eine wichtige Rolle zu: Mithilfe eines Kommunikationskits können sie selbst aktiv die Bürger ansprechen und sie zur Mitarbeit animieren. Die Bürgerinnen und Bürger können beispielsweise ihre Ideen und Meinungen zu bestimmten Themen auf einem Zettel notieren und in Boxen einwerfen. In der Sensibilisierungskampagne werden Interessierte, die am GEP mitarbeiten möchten, aufgefordert, sich direkt bei ihrer Gemeinde melden. Dafür muss man sich auf der Webseite www.gemeindeentwicklungsprogramm.it registrieren und die betreffende Gemeinde wählen. Mehr Bürgerbeteiligung – eigentlich ein Segen für die Demokratie, doch nicht alle sind mit dieser Kampagne glücklich, wie man einem Dolomiten-Artikel vom vergangenen Dienstag entnehmen konnte.
Im Beitrag mit dem Titel „Rote Karte für Kuenzers Einladung“ hat neben Dominik Oberstaller, Vize-Präsident des Gemeindenverbandes, und Albin Kofler, Präsident der Bezirksgemeinschaft Salten-Schlern und Vorsitzender des SVP-Ausschusses für Gemeindepolitik, auch Andreas Schatzer, Präsident des Gemeindenverbandes, wortgewaltig die Sensibilisierungskampagne der Landesrätin kritisiert. Letzterer wird mit der Aussage zitiert, dass sie mit den Bürgermeistern nicht abgesprochen gewesen sei und für viele Gemeinden zu früh komme. Einige Bürgermeister fühlten sich regelrecht überrollt und wollten sich vom Land nicht bevormunden lassen, kann man da lesen. Nicht nachvollziehbar sind diese Aussagen für Landesrätin Hochgruber Kuenzer, die berichtet, dass am 28. Oktober eine Bürgermeisterkonferenz stattgefunden hat, auf welcher neben der Landschaftsleitbildabänderung gemeinsam mit dem Amt für Kommunikation auch die Kampagne samt Video vorgestellt wurden. In besagter Sitzung saßen der Präsident des Gemeindenverbandes und Landesrätin Hochgruber Kuenzer übrigens gemeinsam an einem Tisch.
Bei der Vorstellung habe es weder Fragen gegeben, noch Rückmeldungen oder Anmerkungen – kein Ja und kein Nein. Auf die Kritik angesprochen, wonach die Kampagne für manche Gemeinden anscheinend zu früh komme, erklärt Hochgruber Kuenzer, dass der Zeitpunkt wohl überlegt gewesen sei. 70 Gemeinden haben Kontakt mit dem Amt für Gemeindeplanung zum Thema GEP aufgenommen, sich informiert und auf den Weg gemacht, 35 Gemeinden haben bereits um den Förderbeitrag des Landes in Höhe von 80 Prozent angesucht. Voraussetzung dafür ist eine übergemeindliche Zusammenarbeit in mindestens drei Bereichen. Diese Gemeinden haben also bereits eine Entscheidung darüber getroffen, welche Techniker welche Aufgaben übernehmen und in welchen Bereichen eine Zusammenarbeit stattfinden soll.
Wir haben damit erreicht, was vor zehn Jahren noch undenkbar schien.
„Wir haben damit erreicht, was vor zehn Jahren noch undenkbar schien – dass Gemeinden gemeinsam einen Bauleitplan erstellen“, so Hochgruber Kuenzer. Nachdem viele Gemeinden gleichzeitig mit der Erstellung des GEP starten, wird das Entwicklungskonzept landauf, landab zum Thema und die Wahrscheinlichkeit, dass sich mehr Bürger daran beteiligen, steigt, ist die Landesrätin überzeugt. Bestätigung erhalte sie durch die große Anzahl der Gemeinden, die sich bereits auf den Weg gemacht und die Chancen, die sich daraus ergeben, erkannt hätten. Die Polemiken gingen dabei nur von einigen wenigen aus, ein Rechtfertigungsdruck lasse sich davon nicht ableiten. „Wenn sich interessierte Bürger über die Homepage für eine Gemeinde registrieren, die noch nicht soweit ist, so reicht die Mitteilung, dass sie in ein Verzeichnis aufgenommen und zum gegebenen Zeitpunkt kontaktiert werden. Mehr braucht die betreffende Gemeinde nicht zu tun“, so die Landesrätin.
Mehr als die Abgrenzung des Siedlungszone
Mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft wurde eine wichtige Neuerung eingeführt: Anstelle des Bauleitplanes, der als Grundlage für die künftige Entwicklung einer Gemeinde diente, tritt das Gemeindeentwicklungsprogramm. Unter Artikel 51 ist angeführt, welche Maßnahmen für die Erstellung notwendig sind. So sind die Gemeinden verpflichtet, ein Mobilitäts- und Tourismuskonzept zu erstellen wie auch den Leerstand zu erheben. Weiters müssen schützenswerte Ensembles und erstmals auch die Kulturarten erhoben werden. Bei letzterer Vorgabe werden beispielsweise Wald, Weide, Acker, Intensivanbau, Obst- und Weingärten erfasst. Die Gemeinden sollen dabei entscheiden, welche Kulturflächen erhalten bleiben sollen.
All diese Erhebungen sollen aufzeigen, wie eine Gemeinde aufgestellt ist, und schlussendlich bieten sie auch die Grundlage für die Entscheidung, in welche Richtung sich eine Gemeinde entwickeln möchte. Es ist also weit mehr als die bloße Reduzierung auf die Siedlungsgrenzen. „Das ist nur der letzte Schritt“, so Hochgruber Kuenzer, „zuerst kommt die Bestandsaufnahme, dann die Bürgerbeteiligung, mit welcher den Fragen nachgegangen wird, was die Gemeinde braucht und wie sie sich entwickeln möchte." Explizit im Gesetz festgeschrieben ist dabei, dass das GEP mit partizipativer Beteiligung der Bürger erstellt werden muss. Diese Beteiligung kann auf vielerlei Art und Weise vonstatten gehen, so können sich interessierte Bürger melden und zu einer Kerngruppe zusammenschließen, welche bestimmte Themen auswählt. Auch mittels Work-Shops und Umfragen kann die Bevölkerung miteingebunden werden. Bloße Informations-Veranstaltungen, in denen den Bürgern Entscheidungen mitgeteilt werden, sind jedoch nicht damit gemeint.
Ängste
Auf die Aussagen der Kritiker, die „sich von der Kampagne überrollt fühlen“, angesprochen, entgegnet Landesrätin Hochgruber Kuenzer, dass ein Gemeindeentwicklungsprogramm, das mit Beteiligung der Bürger entstanden ist, sicher auf mehr Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen wird, als vorgegeben Konzepte und Pläne. Wird die Bevölkerung von den Entscheidungen ausgeschlossen, sind Widerstand und Kritik vorprogrammiert. Natürlich bedeute das auch für den einzelnen Bürger einen gewissen Zeitaufwand sowie die Bereitschaft, sich mit anderen Meinungen und Ansichten auseinander zu setzen. Diesen Prozess müsse die Gemeinde jedoch begleiten, gegebenenfalls auch mit externen Moderatoren. „Erst erklären, was Bürgerbeteiligung bedeutet, dann die Interessierten darüber informieren, wie die Gemeinde aufgestellt ist und dann geht es ans Gestalten und Konzepte für die Zukunft erarbeiten“, fasst Hochgruber Kuenzer die Inhalte des GEP zusammen.
So wie Nachhaltigkeit im Grunde ein Fortschritt ist, so ist auch das Überwinden des Bestehenden ein Fortschritt.
In gewisser Hinsicht stellt diese Vorgehensweise durchaus einen Bruch mit eingefahrenen Denkmustern und Abläufen dar. Dass dieser „Schwebezustand“ auch gewisse Ängste wachrufen und zu einer Verunsicherung führen kann, sei nachvollziehbar, denn wie das Ergebnis eines Beteiligungsprozesses aussieht, könne niemand vorhersagen. „Darin liegen aber auch sehr große Chancen“, ist die Landesrätin für Raumordnung überzeugt. Ein mit Beteiligung der Bürger ausgearbeitetes GEP gibt Sicherheit und bietet die Grundlage für die Entscheidungen der kommenden Jahre, es fungiert sozusagen als „Leitplanke“ – und es könnte auch dazu beitragen, den sozialen Frieden in der Gesellschaft zu wahren. „So wie Nachhaltigkeit im Grunde ein Fortschritt ist, so ist auch das Überwinden des Bestehenden ein Fortschritt“, so Hochgruber Kuenzer.
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Gut verständlich, wenn sich
Gut verständlich, wenn sich so mancher Bürgermeister (+ Gemeinderat) bei der Errichtung seines persönlchen Denkmals (Hofburg-Garten, Cascade, Sportstadien, vor sich hingammelnde Vereinshäuser usw.) nicht von den Bürgern stören lassen will.
Die Bürger müssen aber hinterher für die leidigen Folgen bluten und sich für die Fehlentscheidung schämen.
In reply to Gut verständlich, wenn sich by Josef Fulterer
Völlig richtig.
Völlig richtig.
Habe mich bei der Seite angemeldet und bekam heute, gelinde gesagt, von der Gemeinde Meran ein sehr unfreundliches Feedback. Offenbar ist man dort in völliger Unkenntnis. Eine Anmeldung wird der Bürgerin daher verweigert.
Es gibt immer noch die
Es gibt immer noch die Möglichkeit, direkt mit den Zuständigen zu reden, zumindest auf Gemeindeebene (und nicht hintenrum, das bringt nicht viel). Und es hilft, wenn es auch in den Gemeindestuben eine Opposition gibt (ist auch nicht überall der Fall, wobei sich die Bürger dann selbst an die Nase fassen müsssen, wenn ihnen etwas nicht passt).
Eigentlich ist diese Aktion
Eigentlich ist diese Aktion schlicht lächerlich und wohl auch kostenintensiv. Beide Seiten spielen Kindergarten! Warum? Die Meinung der BürgerInnen ist nicht bindend. Und jede/r BürgerIn kann jederzeit seine Meinung zu allen Gemeindethemen bei den BürgermeisterInnen oder auch bei der Opposition deponieren. Und eventuell viele weitere Schritte unternehmen.
Ich sehe hier eher eine Alibi-PR-Aktion der LRin.
In reply to Eigentlich ist diese Aktion by Klemens Riegler
Für die Zufahrtsstraße nach
Für die Zufahrtsstraße nach Kastelruth hat Ing. Riehl vor fast 140 Jahre von Waibruck ausgehend, Serpentinen und mit einer Steigung von 10 % im Felssturz-sicheren Bereich der Trostburg, über Tisens, hinter dem Kofel, mit Zutritt zum Dorf auf der Ost-Seite vergeschlagen.
Da der Vorsteher (Bürgermeister) sein Gasthaus auf der Westseite und ein Vorstandsmitglied Interressen bei einem heute nicht mehr existierenden Sägewerk hatte, wurde die Straße über den schattigen, engen, viel zu steilen Tisenser-Graben gebaut, der im Winter von den Autofahrern gefürchtet wird. Außerdem musste für ein Teilstück ein Tunell gebohrt werden, der inzwischen von einem weiteren Tunell ersetzt wurde. Abrutschungen von Straßenabschnitten haben hohe Kosten verursacht. Wegen drohender Felsstürze mussten Felssturz-Sicherungs-Gallerien errichtet werden. Im Bereich von Waidbruck wurde ein weiterer Tunell notwendig.
Die Straße von Waidbruck nach Kastelruth ist Lehrbeispiel dafür, wie wegen winzigen privaten Verteilen Entscheidungen getroffen werden, die im Winter wegen des daneben fließenden Tisenser-Baches die Straße vereisen und noch immer sehr hohe Wartugskosten verursachen.
In reply to Für die Zufahrtsstraße nach by Josef Fulterer
Und wie könnten diese
Und wie könnten diese Verfehlungen generalsaniert werden?
Die Nachkommen der damaligen Entscheidungsträger ( * innen gab es noch keine) alle enteignen und den Zugang zu öffentlichen Ämtern für 5 Folge Generationen untersagen.
Aber Manches scheint zwischenzeitlich ins Gerechtere verändert zu sein. Die Kastelruther sind nun Untergebene einer Frau und Seiserin . (ENA)