Das Land der Arbeiter
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Es gleicht einem Ritual: Alle sechs Monate stellt die Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt rund um Stefan Luther ihren Halbjahresbericht zu Südtirols Arbeitsmarkt vor. So auch heute wieder. Das Ergebnis der Analyse ist durchwegs positiv. Der Arbeitsmarkt befindet sich derzeit in einer für die Arbeitskräfte günstigen Phase. Diese macht die Beobachtungsstelle an der sehr geringen Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent fest. Die Quote liegt knapp unter jener von vor einem Jahr und etwas deutlicher unter jener von vor der Pandemie. Auch die Erwerbstätigenquote lässt sich sehen. Mit 79,6 Prozent wurde das für 2020 festgelegte Ziel von 80 Prozent knapp verfehlt. Im Beobachtungszeitraum von November 2023 bis April 2024 verzeichnete der Arbeitsmarkt 1,8 Prozent mehr Arbeitsverträge im Vergleich zum Vorjahr - der Anstieg liegt im Durchschnitt der letzten Jahre. Den stärksten Beschäftigungszuwachs hatte das Gastgewerbe (+4,5 Prozent), den schwächsten verzeichnete die öffentliche Verwaltung (+0,2 Prozent), während der Erziehungs- und Unterrichtssektor rückläufig war (-0,4 Prozent). Nach Staatsbürgerschaft aufgeschlüsselt (bereinigt um die circa 1.000 stattgefundenen Einbürgerungen), zeigt sich, dass die Anzahl der Beschäftigten aus dem EU-Inland weniger stark angestiegen ist als die aus Nicht-EU-Ländern (12,7 Prozent). Allgemein war der Anstieg der männlichen Beschäftigten geringer als jener der weiblichen. Insgesamt waren trotzdem mehr Männer auf dem Arbeitsmarkt tätig als Frauen.
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Immer weniger Arbeitslose
Im Sechsmonatszeitraum wurden durchschnittlich knapp 18.000 Personen von den Arbeitsvermittlungszentren als arbeitslos geführt - Eine starke Abnahme im Vergleich zum selben Bezugszeitraum 2022/2023, die alle Sektoren betraf (-6,6 Prozent). Die meisten Arbeitslosen entstammen dabei den saisonsgeprägten Branchen. Einen substanziellen Rückgang verbuchten auch die Langzeitarbeitslosen, also jene, die länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet sind. Der Rückgang hier betrug fast 28 Prozent. Den starken Rücklauf bei arbeitslosen Südtirolerinnen und Südtirolern erklärt sich die Untersuchungsstelle für den Arbeitsmarkt durch die Tätigkeit der Arbeitsvermittlungszentren. Durch ihre gestärkte personelle Ausstattung sei es ihnen 2023 gelungen, die Arbeitslosen systematischer und lückenloser als vorher zu betreuen. Was die Arbeitsplätze betrifft, ist vor allem im Vinschgau ein Rückgang, hauptsächlich durch die Entlassungswelle der Firma Hoppe, und in Bozen ein Boom durch die Arbeitsplatzschaffung von Unternehmen wie Iveco oder Alpitronic zu erkennen.
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Wirtschaftssektoren unter die Lupe genommen
Südtirols Wirtschaftsbranchen zeichnen sich durch ein fast ganzheitliches Wachstum der Beschäftigten aus. In der Landwirtschaft stieg die Zahl der Arbeitnehmer um etwa 4 Prozent. Das Baugewerbe hinkte mit einem Anstieg von 0,7 Prozent etwas nach. Innerhalb dieses Sektors verlor der Bereich Tiefbau an Beschäftigten. Im verarbeitenden Gewerbe stieg die Beschäftigtenzahl um etwas mehr als ein Prozent, was hauptsächlich auf die positive Arbeitsplatzentwicklung von Alpitronic und Iveco zurückzuführen ist. Was den Handel betrifft, lässt sich festhalten, dass sowohl Einzel- als auch Großhandel wuchsen. Letzterer jedoch stärker. Wie bereits erwähnt war der Tourismus der Sektor mit dem größten Zuwachs, während regulär gemeldete Haushaltsbeschäftige rückläufig waren. Neben dem Tourismus verzeichneten auch andere Dienstleistungen wie Transportwesen, Kunst und Information und Kommunikation Steigerungen. Innerhalb des Transportwesens musste der straßengebundene Warenverkehr Beschäftigungseinbußen einräumen. Die Öffentliche Verwaltung zeigte sich unverändert, wobei der Bildungsbereich leicht abnahm.
Zu- und AbwanderungDer Südtiroler Arbeitsmarkt zeichnet sich sowohl durch eine Attraktivität für Arbeitskräfte aus dem Ausland, als auch eine hohe Abwanderung von einheimischen Arbeitskräften aus. Die Zahl der Zu- und Abwanderer variiert je nach Berufsgruppe. Dem Landesamt für Statistik ASTAT zufolge wanderten in den letzten 20 Jahren knapp 136.000 Menschen nach Südtirol ein, während rund 83.000 das Land verließen. Die Mehrheit der Betroffenen war in einem berufsfähigen Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Die Zuwanderer stammen überwiegend aus anderen Regionen ltaliens und bedienen den Arbeitsmarkt in allen Berufen und Qualifikationen. Südtiroler Rückkehrer stellten eine Minderheit dar, obwohl die finanziellen Anreize durch die steuerliche Förderung ihre Wirkung zeigten. In den vergangenen zehn Jahren hat die Abwanderung von Südtirolern in die Nachbarländer signifikant zugenommen. Die als attraktiver empfundenen Arbeitsbedingungen im Ausland führen zu einer höheren Abwanderung, während steuerliche Anreize einige wenige auch wieder zurück locken.
Das Universitätsstudium und der Studienort haben einen großen Einfluss auf die Abwanderung der Südtiroler Akademiker. Allerdings sind nur etwa die Hälfte aller Südtiroler Auswanderer Akademiker, auch andere Fachkräfte und Hilfsarbeiter wandern ab. Hinsichtlich der beruflichen Qualifikation ist der Saldo bei den hoch qualifizierten Berufen ausgeglichen: Südtirol gewinnt etwa gleich viel, wie es verliert. Bei den anderen Qualifikationen ist der Saldo deutlich positiv. Auch hier gilt die allgemeine Regel der Zuwanderung aus dem Süden und der Abwanderung in Richtung Norden.
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Wäre auch interessant zu…
Wäre auch interessant zu wissen, wieviele Beschäftigte in prekären Aebeitsverhältnissen gemeldet sind, wieviele befristet Beschäftigte es gibt, und wie hoch in den untersten Einkommensstufen das Durchschnittseinkommen ist? Denn Arbeit allein macht nicht glücklich.
... + bei wievielen…
... + bei wievielen befristet Beschäftigten, vom Arbeitgeber "das Arbeitslos-Geld" mit kalkuliert wird?
Reine Augenauswischerei von…
Reine Augenauswischerei von der Amhof.
In reply to Reine Augenauswischerei von… by opa1950
Warum eigentlich immer diese…
Warum eigentlich immer diese negativen Kommentare? Es sollte einerlei sein, ob mir die Amhof nun passt oder nicht sympathisch ist. Die Erläuterungen des Instituts sind prinzipiell schon einmal positiv: weniger Langzeitarbeitslose, weniger Arbeitslose im Allgemeinen, gute Beschäftigungslage (auch im Bausektor) usw. Auch die Klarstellung, dass der Saldo in Sachen Abwanderung (der vielzitierte Brain Drain) nicht soo extrem ist wie uns immer vorgemacht wird, ist eine positive Nachricht.
Rundum kommt klar zum Tageslicht, dass es uns besser geht als allen umliegenden Regionen (reden wir nicht von Staaten, mit denen wir uns sonst immer vergleichen) ... zumindest wenn man die Zahlen direkt vergleicht. ALLES GUT ? ... ja, das wird es nicht geben. Ich glaube jedenfalls dass wir mit dieser Situation durchaus zufrieden sein dürfen ... also auch diesbezüglich eine privilegierte Situation haben. Egal ob mit oder ohne Amhof 😅